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29. April 2011 | Beschluss mit deutlicher Mehrheit

Gemeinderat: Chefarzt Müller-Esch soll gehen

Konstanz (gro) Mit deutlicher Mehrheit hat sich der Gemeinderat gegen einen weiteren Verbleib von Chefarzt Gert Müller-Esch ausgesprochen. Mit 18 zu 11 Stimmen wurde am späten Donnerstagabend der Weg frei gemacht für das Vorhaben der Klinikleitung, den Chef der Inneren Medizin (ZIM) möglichst schnell los zu werden. Das Konstanzer Klinikum sieht deswegen unruhigen Zeiten entgegen. Denn ein grosser Teil der Ärzteschaft, darunter alle 25 Ärztinnen und Ärzte des ZIM, steht hinter Professor Müller-Esch. Der 60-jährige Mediziner ist seit 14 Jahren am Klinikum tätig und war bis vergangenen Dezember auch Ärztlicher Direktor des Hauses. Müller-Esch gilt als strikter Gegner aller Privatisierungsbemühungen im Gesundheitswesen.

Sperriger Widerpart bei Sanierungsbemühungen

„Er oder ich“, soll Rainer Ott, der neue, seit einem guten halben Jahr amtierende Verwaltungschef wiederholt im kleinen Kreis gesagt haben. Ob diese Kolportage voll und ganz der Wahrheit entspricht, sei dahin gestellt – sie passt jedenfalls haargenau zur jüngsten Entwicklung am Klinikum Konstanz. Denn Müller-Esch, dem die mit Abstand grösste Abteilung des Klinikums untersteht, erwies sich als äusserst sperriger Widerpart, als sich Ott daran machte, die Vorgaben des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI) in die Tat umzusetzen. Das DKI hatte in einem umfangreichen Gutachten die mangelnde Leistungsfähigkeit des Klinikums hervor gehoben. Gert Müller-Esch gehört zu den entschiedensten Kritikern des Gutachtens, das unter anderem die angeblich zu kostspielige Personalausstattung des Klinikums aufs Korn nimmt.

„Gefährliche Strukturveränderungen“

Die Differenzen zwischen Verwaltung und Müller-Esch führten dazu, dass der passionierte Marathonläufer im Dezember des vergangenen Jahres zuerst sein Amt als Ärztlicher Direktor niederlegte. Ausserdem wurde er nicht in die Kommission einberufen, die eine Neuordnung des Krankenhauswesens im Landkreis aushandeln soll. Dass der Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin am Klinikum Konstanz in der genannten Kommission nicht vertreten sein sollte, wurde nicht nur von Müller-Esch und von grossen Teilen der Belegschaft am Klinikum, sondern auch von niedergelassenen Ärzten als Affront beurteilt. Die daraus resultierenden Differenzen gipfelten in einem offenen Brief des ZIM an die Beschäftigten des Klinikums, in dem die Verwaltungsleitung um Ott und Bürgermeister Claus Boldt massiv angegriffen wurde. Ein Kernsatz des Schreibens: „Der eigentliche Skandal besteht darin, dass mit dubiosen Mitteln und indiskutablem Führungsstil gefährliche Strukturveränderungen umgesetzt werden sollen.“

Namentliche Abstimmung sorgt für etwas Transparenz

Den Brief, der von sämtlichen Ärztinnen und Ärzten des ZIM unterzeichnet ist, nahm die Verwaltungsleitung zum Anlass, eine fristlose Kündigung des widerspenstigen Chefarztes vorzuschlagen. Die Mehrheit des Gemeinderats gab ihren Segen dazu, eine solche Kündigung zu betreiben. Es war, wie man hört, ein Mitglied der SPD-Fraktion, das nach einer über 5 Stunden dauernden Beratung eine namentliche Abstimmung durchsetzte, um wenigstens im Rat für etwas mehr Transparenz zu sorgen. Bei der Abstimmung gab es, so hört man weiter, fünf Enthaltungen. Die CDU-Fraktion stimmte mit einer Ausnahme gegen Müller-Esch, die Grünen wohl mehrheitlich, ebenso die SPD-Fraktion. Die drei Einzelkämpfer Holger Reile (Linke), Jürgen Wiedemann (Neue Linie) und Klaus Frank (Frank&Freie) schlugen sich ebenso auf die Seite des angegriffenen Chefarztes wie die komplette Fraktion der Freien Wähler. Erwartungsgemäss stimmte auch Oberbürgermeister Horst Frank für die Kündigung Müller-Eschs. Überrascht hat die Stimmenthaltung von Heinrich Everke (FDP), der sich, anders als sein ärztlicher Berufskollege Eberhard Roth (CDU), nicht auf die Seite des angegriffenen Chefarztes stellen mochte.


Nach dem Maultaschen-Fall die Chefarzt-Kündigung

Gert Müller-Esch will, wie man hört, eine Kündigung nicht hinnehmen, sondern vors Arbeitsgericht ziehen. Bei der Verwaltung ist man darauf vorbereitet; sie hat schon im Vorfeld ein renommiertes Münchener Anwaltsbüro angeheuert. Damit dürfte der Stadt Konstanz in einem weiteren arbeitsrechtlichen Fall bundesweite Aufmerksamkeit gesichert sein: Nach der Maultaschengeschichte mit der Altenpflegerin nun der Rechtsstreit mit einem angesehenen Chefarzt, der sich ausweislich eines mit Leidenschaft geschriebenen Briefes zusammen mit einer 25-köpfigen Ärztegruppe ernste Sorgen um das Wohlergehen seines Krankenhauses macht.

Abwesenheit der Hauptperson sorgt für Asymetrie

Während mit Horst Frank, Claus Boldt und Rainer Ott die massgeblichen Befürworter einer Entfernung Gert Müller-Eschs in der Sitzung des Gemeinderats vollzählig vertreten waren, blieb die Gegenseite unbesetzt. Der Chefarzt, so hiess es, könne aus rechtlichen Gründen nicht teilnehmen. Die Sitzungsleitung ging anscheinend davon aus, dass der zuvor als Beratungsunterlage versandte, beanstandete Brandbrief aus dem ZIM die Belange der Gegenseite ausreichend darlege. Kein Wunder, dass etliche Sitzungsteilnehmer eine “deutliche Asymetrie” feststellten, die sich durch den Ausschluss Müller-Eschs ergeben habe.




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2 Kommentare

  1. 1. Kultur

    Was kommt jetzt BM Boldt ?

    - da gab’s ja schon die Chefarztfeuerung im Vincentius-Krankenhaus, auch wegen einer brieflichen Stellungnahme: Der musste wieder eingestellt werden!
    - Da gab’s doch die Kündigung einer Altenpflegerin wegen 4 geklauten Maultaschen: Die wurde mit viel Geld abgefunden!
    - Und jetzt der Chefarzt vom Klinikum…………

  2. 2. cornelius

    Welches Demokratieverständnis haben Stadträte (Grüne:sic!), die den gleichen Mann erst in seine Position und Ämter befördert haben, um ihn dann, ohne ihm ins Gesicht zu schauen und ohne ihn zur Sache zu hören FRISTLOS aus dem Amt zu jagen? Das Tribunal hat ihn nur nach Aussagen der erklärten Gegner verurteilt. ohne ihm auch nur eine Chance zu geben.
    Die Konstanzer sollte es schon interessieren, ob die internistischen Notfälle abgelegen im Ergeschoss betreut werden, oder wie bisher direkt neben der Intensivstation, das nur um einer noch zu schaffenden Lungenklinik im nebeligen Konstanz Platz zu machen. (Nur als Beispiel)

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