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14. September 2011 | Nachtrag zum Schreiben des Regierungspräsidiums

Brief mit Sprengkraft

Konstanz (gro) Mit dem Brief des Regierungspräsiums (siehe dornroeschen vom 10. September) ist im Konstanzer Rathaus ein veritabler kommunalpolitischer Sprengsatz gelandet. Das Schreiben aus Freiburg bescheinigt nicht nur, dass der Gemeinderat angeschwindelt wurde, als es um die fristlose Kündigung von Chefarzt Gert Müller-Esch ging. Der Brief enthält ausserdem eine gut verpackte Rüge der Kommunalaufsicht. Die Verwaltung, so ist herauszulesen, soll sich künftig gefälligst an die Gemeindeordnung halten und nicht irgend einen Unsinn verzapfen, um ihre Absichten, frei nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel“, durchzusetzen. Herauszulesen ist ferner, dass sich die Verwaltung mehrfach und anhaltend weigerte, die Gemeindeordnung zu berücksichtigen.

Vertagung hätte die rechtzeitige Kündigung vereitelt

Hintergrund für die Schwindelei ist die gesetzliche Bestimmung, wonach eine fristlose Kündigung spätestens 14 Tage nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden muss. Im Falle Müller-Esch wurde der Brief, mit dem sämtliche 25 Ärzte des Zentrums für Innere Medizin Mitte April die Klinikleitung massiv kritisierten, als Grund für die fristlose Kündigung genommen. Spätestens am 2. Mai, so merkt das Regierungspräsiium an, war die Kündigung auszusprechen. Deshalb musste eine Anhörung des Chefarztes verhindert werden. Denn wenn eine solche Anhörung vom Gemeinderat mit Hilfe eines Antrags durchgesetzt worden wäre, hätte die Sitzung, die am 28. April stattfand, vertagt werden müssen; denn eine Anhörung stand nicht auf der Tagesordnung. Bei einer Vertagung wäre aber eine fristlose Kündigung nicht mehr möglich gewesen.


Stadt und Regierungspräsidium gerieten aufs Glatteis

Allerdings ist nicht nur die Konstanzer Stadtverwaltunjg aufs rechtliche Glatteis geraten – auch das Regierungspräsidium selber bringt sich in Schwierigkeiten. In dem Schreiben heisst es, die Kündigung sei trotz allem rechtmässig geworden, denn es habe keinen „förmlichen Antrag“ aus der Mitte des Gemeinderats gegeben, eine Anhörung trotz der unzutreffenden Auskunft von Bürgermeister Claus Boldt („Anhörung rechtlich nicht möglich“) durchzusetzen. Eine solche Argumentation unterschlägt, dass sich der Gemeinderat auf Rechtsauskünfte ihrer kommunalen Spitzenleute verlassen können muss. Erschwerend kommt hinzu, dass eine vorausgehende, falsche Rechtsauskunft erheblichen Einfluss ausgeübt hätte auf das Abstimmungsverhalten, wenn ein Antragsverfahren tatsächlich durchgesetzt worden wäre.

Stadtverwaltung nennt den Antrag nur noch „Anfrage“

Der Brief aus Freiburg gibt nicht nur Aufschluss darüber , dass die Verwaltung die in der Gemeindeordnung festgeschriebene Anhörungsmöglichkeit „nicht gesehen“ hat. Aus dem Schreiben geht ferner hervor, dass die Verwaltung auch in ihren verschiedenen Stellungnahmen, sowohl gegenüber den Stadträten Jürgen Wiedemann (NLK) und Professor Eberhardt Roth (CDU) als auch gegenüber dem Regierungspräsidium, die betreffende Passage in der Gemeindeordnung (”Anhörung möglich”) unberücksichtigt liess, obwohl die Möglichkeit einer Anhörung klar und deutlich geschrieben steht. Bemerkenswert ist ferner, dass das Regierungspräsidium den Antrag von Werner Allweiss, den Chefarzt anzuhören, nicht als Antrag, sondern als „Anfrage“ bezeichnet. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass die Verwaltung auch in ihrer Stellungnahme gegenüber der Aufsichtsbehörde geschwindelt hat. Denn im Protokoll zu der nichtöffentlichen Sitzung steht, wie man hört, Stadtrat Allweiss habe „beantragt“, den Chefarzt zu hören.


Verwaltung liess sich Zeit bis 25. August

Aus dem Schreiben des Regierungspräsidiums erschliesst sich ferner der zeitliche Ablauf: Während es der Verwaltung in der Woche nach Ostern mit einer Sondersitzung und der fristlosen Kündigung nicht schnell genug gehen konnte, liess sich das Rathaus Monate lang Zeit mit einer Stellungnahme zu der unzutreffenden Rechtsauskunft für die Freiburger Behörde und erbat sich schliesslich, auch „wegen urlaubsgedingten Abwesenheiten“, dafür eine Frist bis zum 25. August (nicht zu vergessen: es ging um eine Gemeinderatssitzung am 28. April!). Und in all diesen Wochen und Monaten soll der Paragraph 33 der Gemeindeordnung, wo die Angelegenheit mit der Anhörung in wenigen Sätzen unübersehbar geregelt ist, „nicht gesehen“ worden sein.

Regierungspräsidium: Gemeinderat muss sich durchsetzen

Jetzt zu fordern, Bürgermeister Claus Boldt solle zurücktreten, dürfte allerdings überzogen sein. Boldt schwindelte schliesslich nicht im eigenen, persönlichen Interesse, sondern subjektiv im Interesse des Klinikums und dessen Verwaltungsdirektors Rainer Ott. Dass die unzutreffende Rechtsauskunft auch von Oberbürgermeister Horst Frank hingenommen wurde, spricht keineswegs gegen eine solche Annahme. Dass sich der Gemeinderat trotzdem mit Nachdruck dagegen verwahren wird, noch einmal so oder so ähnlich über den Tisch gezogen zu werden, steht auf einem anderen Blatt. Indirekt wird dem Stadtparlament vom Regierungspräsidium im Übrigen mehr Mut empfohlen und ans Herz gelegt, seine Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung mit Nachdruck wahrzunehmen und sich im Falle eines Falles energisch durchzusetzen.




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2 Kommentare

  1. 1. dk

    Das Verhältnis von Politik und Verwaltung habe ich nach mehreren Jahren trotz Medienkonsum nicht begriffen, was zur eigenen Zurückhaltung nötigt.

    Wenn man über im Internet nach “Stiftungsrat” forscht, ergibt sich der Eindruck, dass dieser ähnlich einem “Aufsichtsrat” in Grossunternehmen hohe Management-Funktionen wahrnimmt (bildlich ein 2/3 Arbeitgeber), der bei der Geschäftsstrategie sicher auch Informations- und Mitspracherechte besitzt. Es scheint so, dass jeder Mini-Betriebsrat laut gesetzlicher Vorschriften mehr Informations-, Beratungs- und Mitwirkungsrechte besitzt, als es ein Stiftungsrat hat.

    Meine Wertschätzung gegenüber dem Gekündigten beruht eigentlich auf der ärztichen Leistung und der Umgänglichkeit als Person bei einem Klinikumsbesuch, wobei der Professoren-Titel inkl. Ausbilder-Eignung später bekannt wurden. Richtig ehrfurchtsvoll wurde man erst durch Medienberichte, die über die zentrale Bedeutung der Abteilung und die Wahrnehmung von ehem. Führungsaufgaben im Krankenhaus der Vor-Controlling-Zeit berichtet haben. Die Organisation einer grossen Ärztetagung passte dann nahtlos ins Bild.

    Ein Bekannter aus der IT-Branche in der CH wurde auch gekündigt (ca. 40% der Belegschaft), wobei die Firma aber schon seit zig Jahren infolge der Produkt-Nachfrage grosse Krisen (auch Personal-Änderungen und Inhaberwechsel) durchzustehen hatten; er hat eine Stelle zu dt. Konditionen in Aussicht. Zur Zeit macht die Firma einen Betriebsausflug: jemand hat eine Rudertour angedacht, der Arbeitgeber zahlt, er durfte Lebensmittel für den Grill einkaufen. Man achtet darauf, mit wem man zusammen grillt.
    Der Noch-Arbeitgeber hat die Zentrale in den USA oder Kanada, scheint sich aber in CH-Gepflogenheiten auszukennen.

  2. 2. Kultur

    Mit dem Konstanzer Arrangement des Herrn BM Claus Boldt bekommt die Presse schon über mehreren Jahren ihre Zeilen voll.

    Auf eine gute Recherche der Presse und folgt ein Kopfschütteln der passiven Bürger zwischen den Wahlen.

    Wie lange machen Sie noch Herr Boldt? Vielleicht sollte auch bald bei Ihnen wegen zunehmenden falschen Personalentscheidungen und Verfahrensfragen eine Entlassung anstehen. In einem steuerzahlenden Wirtschaftsunternehmen wären Sie schon längst gefeuert.

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