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10. Oktober 2011 | Heute Südkurier-Party im Konzil

Der Preis ist heiss

Konstanz (gro) Der Heimatzeitung wird heute im Rahmen eines grossen Familienfestes im Konzil der Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung übergeben. Mit dieser Party, die um 11 Uhr beginnt und auf irritierend magere 120 Minuten beschränkt ist, geht eine beispiellose Werbeveranstaltung zu Ende, die sich während der vergangenen 6 Monate in fast drei Dutzend Artikeln und Internet-Videos niedergeschlagen hat, und das nur im Südkurier. Der Preis ist heiss: Chefredakteur Stefan Lutz, 39, hat diese Prämierung, die den Südkurier als „beste Regionalzeitung Deutschlands“ ausweist, gewissermassen mitgebracht von der Waterkant. Als er dort in der Online-Abteilung des Hamburger Abendblatts tätig war, erlebte er im Prachtsaal des Rathauses der Freien Hansestadt schon einmal eine solche Preisübergabe. Damals, 2008, ging das Adelsprädikat der Adenauerstiftung ans Springer-Blatt. In der Jury, die darüber entschieden hatte, hatte auch Erwin Lutz gesessen, der Vater von Stefan Lutz. Erwin Lutz war bis 2004 Chefredakteur der Hannoverschen Neuen Presse.


Einer von über 618 Wettbewerbspreisen

Beim Deutschen Presseverband (dpv) Hamburg sind für den deutschsprachigen Raum insgesamt 618 Medien-Wettbewerbe (vom Air-France-Förderpreis bis zum Zukunftspreis Altersvorsorge) aufgelistet. Angesehenster Wettbewerb ist der Wächterpreis der deutschen Tagespresse. Da werden vor allem investigative Einzelleistungen prämiert. Der erste Preis ist mit 12.000 Euro, der zweite mit 8000, der dritte Preis mit 6000 Euro dotiert. Letzterer liegt immer noch 1000 Euro über dem ersten Preis der Adenauerstiftung. Und die 5000 Euro, die mit der Preisverleihung für den Südkurier verbunden sind, müssen sich rund 100 Redakteure teilen. Denn der Preis gilt, wie Stefan Lutz nicht müde wird zu betonen, sämtlichen Zeitungsmachern des Südkurier. Genau genommen auch den Sekretärinnen und Sekretären sowie den Producerinnen und Producern, von den Freien Mitarbeitern ganz zu schweigen. Kurzum, die 5000 Euro Preisgeld haben eher symbolischen Charakter.


Die Public Relation bringt’s

Als beste Lokal- oder Regionalzeitung Deutschlands ausgezeichnet zu werden, und sei es auch von der Parteistiftung der CDU, schenkt einer Zeitung in erster Linie Gelegenheit zur Eigenwerbung. Und Stefan Lutz, das bescheinigen mehr oder weniger neidlos fast alle befragten Redakteure, hat es verstanden, die Gelegenheit zum Eigenlob weidlich zu nutzen. Dass es ausgerechnet dank dem Norddeutschen Stefan Lutz am Bodensee innerhalb von wenigen Monaten zu einer Wiedergeburt von beispielhaftem Regional- und Lokaljournalismus gekommen sein soll, nimmt unter Zeitungsliebhabern eh niemand ernst.

Schwarzwälder, Wacker und Satinsky

Neugestaltung und reorganisatorische Massnahmen, wie sie jetzt von der Adenauerstiftung als beispielhaft herausgekehrt würden, so heisst es weiter, seien ohnehin von Stefan Lutz‘ Vorgängern, von Werner Schwarzwälder, Dieter Wacker und Thomas Satinsky vorbereitet und durchgesetzt worden. Hinzu kommt, dass die neue Farbigkeit der Heimatzeitung manchen Lesern inzwischen viel zu bunt geworden ist. Eine Zeitung sollte eine Zeitung sein, hört man immer öfter, nichts anderes. Der Südkurier habe sich gefährlich weit davon entfernt. Das Produkt tendiere zu einer Blattsammlung für Gemeinschaftskunde mit mehr oder weniger persönlichen Statements, Fachbeiträgen und Hinweisen auf Veranstaltungen. Der Südkurier drohe seine Seele zu verlieren und es werde immer schwerer, Redaktionelles von bezahlten Beiträgen und Anzeigen zu unterscheiden.

Peter Friedrich wurde nicht gefragt

Die Eigenwerbung anlässlich des Lokaljournalistenpreises wird ergänzt durch eine ausgewachsene Bildergalerie, in der sich selbst Baden-Württembergs Grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Glückwunsch herbei lässt. Zu den gratulierenden 18 Prominenzen gehören ferner die Geigerin Anne-Sophie Mutter und der Brüsseler EnBW-Lobbyist Andreas Renner (einstmals Singen). SPD-Minister Peter Friedrich, ein Konstanzer, fehlt als Gratulant. Er wurde wohl vorsichtshalber gar nicht erst angesprochen. Schliesslich hatte er die rigide Tarifpolitik des Medienhauses kritisiert.

Harte Linie in Sachen Personalpolitik

Ob heute im Konzil echte Partystimmung aufkommt, ist noch fraglich. Denn Geschäftsleitung und Chefredaktion verfolgen nach wie vor eine harte Linie: Der Tarifabschluss zwischen Zeitungsverlegerverband und Journalistengewerkschaften, der Ende des Sommers nach einem Monate langen Arbeitskampf zustande kam, interessiert die Unternehmensspitze wenig. Schliesslich ist das Medienhaus Südkurier Ende des vergangenen Jahres aus seinem eigenen Verband ausgetreten.

Nicht mehr an Tarifabschlüsse gebunden

Das Unternehmen Südkurier ist seit seinem Verbandsaustritt nicht mehr an Tarifabschlüsse gebunden und lehnt auch einen Haustarif ab. Längst sind trotz aller Warnungen des Betriebsrats in Einzelverhandlungen auch zahlreiche Arbeitsverträge im Bereich der Redaktion neu gefasst worden. Im Wesentlichen laufen diese Verträge darauf hinaus, die Gehälter zu belassen und sogar eine leichte Erhöhung in Aussicht zu stellen, die bisher geltende, tarifliche Arbeitszeit aber um etwa 10 Prozent zu erhöhen. Dies wiederum dürfte sich auf den Stellenplan niederschlagen: Eine weitere Leistungsverdichtung stünde damit ins Haus.

Auf alle Fälle ein Familienfest

Einer zünftigen Party dürfte trotz aller Kritik letztendlich kaum etwas im Wege stehen. Familiär wird’s heute auf alle Fälle im altehrwürdigen Konstanzer Konzil. Man kennt sich schliesslich. Nicht nur innerhalb der angestammten Südkurier-Familie, sondern auch sonst. Dieter Golombek, 70, nach wie vor Sprecher der Jury und Graue Eminenz in Sachen Adenauer-Lokaljournalistenpreis, hat vor drei Jahren zusammen mit Erwin Lutz Konzepte prämierter Redaktionen in einem Buch zusammengefasst und zusammen mit Stefan von Holzbrinck einem geneigten Publikum nahegebracht. Fehlt nur noch Christian Wulff, unser Bundespräsident und 37. Ehrensenator der Hannoverschen Narrengesellschaft Lindener Narren, auch Erwin Lutz ist Ehrensenator dieser Gesellschaft, schon seit 2002.



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