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11. Oktober 2011 | Stefan von Holtzbrinck enttäuscht bei Südkurier-Party

Von wegen Lust auf Heimat?! - Keine Ahnung!

Konstanz (gro) Kein Bekenntnis zur Region: Konzernchef Stefan von Holtzbrinck hat seine Zuarbeiter bei der Südkurier-Party im Konstanzer Konzil enttäuscht. Sein Grusswort anlässlich der Übergabe des Lokaljournalistenpreises war von den Zeitungsmachern, die sich am Montagvormittag aus dem ganzen Verbreitungsgebiet der Heimatzeitung im historischen Kaufhaus eingefunden hatten, mit Spannung erwartet worden. Schliesslich hatte die Zeitung ausgerechnet mit dem Konzept „Lust auf Heimat“ als angeblich bestes Regionalblatt Deutschlands siegreich abgeschnitten, während gleichzeitig Gerüchte weiter wucherten, der Stuttgarter Medienkonzern, der sich den Südkurier vor 21 Jahren einverleibt hatte, wolle das 1945 gegründete Blatt weiterverkaufen. Konzernchef Holtzbrinck gratulierte zwar zum Adenauerpreis, vermied aber jede konkrete Aussage zur Zukunft der Heimatzeitung. Insider gehen davon aus, dass der Südkurier demnächst an die Augsburger Allgemeine Zeitung verkauft wird.

Die Würzburger Mainpost ist schon verkauft

Das Augsburger Zeitungshaus, das mit der Allgäuer Zeitung (Schwerpunkt Kempten) eine tägliche Auflage von etwa 325.000 Exemplaren auf die Beine stellt, gilt als eines der kapitalkräftigsten Unternehmen seiner Branche. Eines seiner Regionalblätter hat Stefan von Holtzbrinck schon an die Augsburger veräussert: die Würzburger Mainpost. Auch dort war, wie in Konstanz, dem Verkauf eine Abkehr von tariflichen Verpflichtungen vorangegangen.

Der schöne Abend, der in der Mittagszeit beginnt

Vor diesem Hintergrund dürfte es im Nachhinein als nicht allzu verwunderlich empfunden werden, dass der Konstanzer Oberbürgermeister von Professor Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten der Konrad-Adenauer-Stiftung, versehentlich zunächst als „Horst Jung“ (statt als Horst Frank) begrüsst wurde. Ein weiterer Festredner überraschte die Partygemeinde mit dem Bekenntnis, er sei bei der Anreise in „Willingen“ umgestiegen (wobei er sicher Villingen meinte), und Südkurier-Chefredakteur Stefan Lutz war so aufgeregt, dass er 36 Minuten nach 12 Uhr mittags von einem „wunderschönen Abend“ sprach.

Eine wunderschöne Geigerin

Sei’s drum, Nervosität ist normal bei einem derart gross angelegten Festakt in einem derart ehrwürdigen Haus wie dem ehemaligen Konstanzer Kaufhaus, in dem vor 600 Jahren zum ersten und vermutlich auch letzten Mal auf deutschem Boden ein Papst gewählt worden ist. Andererseits verwundert es schon, dass die versammelten Medienmanager diesen Genius loci so unbedarft an sich vorbeiziehen liessen. Von wegen „Lust auf Heimat“! Zur programmatischen Unlust passte, dass eine zwar hochtalentierte und wunderschöne, aber Karlsruher-ghanaischer Provenienz entstammende Geigerin namens Annabell Owusu-Ansah aufspielte.

Wo bleibt die Band vom Südkurier-Nerd?

Mit „Lust auf Heimat“, mit Geigenspiel samt Brit-Pop, war da längst nicht mehr zu punkten. Die zuvor ganz nett aufspielende Combo, so hiess es, sei aus dem „Raum Frankfurt“ herbei geholt worden. Schon komisch: Mit Schwestergaby, angeführt von Südkurier-Nerd Klaus Wilsrecht-Zahn, verfügt das Konstanzer Medienhaus über eine eigene, supergute Coverband, ganz verärgert zu schweigen davon, dass es im heimatlichen Konstanz über 40 teilweise hervorragende Formationen aller Art gibt, von Jürgen Waidele bis hin zu internationalen Grössen wie Bernd Konrad, der mehrfach in der Carnegie Hall in New York gefeiert wurde, ganz zu schweigen von seinen regelmässigen Tourneen mit eigenen Orchestern durch Südostasien, durch Afrika, Nord- und Südamerika.

Was für ein Jammer

Notty’s Yug Serenaders sind in der neuesten Ausgabe des Lexikons der Weltmusik (London) vermerkt als das herausragende Beispiel für genuine Musik vom Bodensee. Mit Be Ignacio und ihrem Orchester ist in Konstanz eine der gefragtesten Bossa-Nova-Bands Deutschlangs zu Hause, es gibt in dieser Stadt international beachtete Salsa- und Samba-Formationen, 12 Fanfarenzüge und den mehrfach preisgekrönten Spielmannszug der Blätzlebuebe, der mit 2000 Hästrägern grössten Fasnachstzunft im deutschen Südwesten, ferner Clownkapellen und fantastische Guggenmusiken. Doch statt aus diesem Angebot zu schöpfen und eine Party zu veranstalten, die in der Tat Lust auf Heimat machen würde, wurde das Festlein im Konzil, so empfand das die Mehrheit der Teilnehmer, mit Arroganz auf Sparflamme gedünstelt. Was für ein Jammer! Und die lokale Kulturseite, auch das ein Jammer, ist inzwischen auf drei (oder zwei?) Erscheinungstage pro Woche reduziert. “Lust auf Hiemat?”, fragen sich die Konstanzer. Das möge ja sein, aber beim Südkurier doch eher nicht.




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3 Kommentare

  1. 1. Kultur

    @gro
    Danke, das passt!

  2. 2. Kultur

    Heimatverständnis.

    Was inzwischen Online-Kommentatoren auffällt:

    Es gibt keine Kommentarmöglichkeit zum Jouralistenpreis unter SK-online. Angst vor Kritik?

  3. 3. Bauigel

    Parole Heimat.

    Ach, liebe Heimat! Immer wenn’s Umbrüche an der Kampffront gibt, muss die Heimat herhalten und sich dabei auch noch für diese selbst opfern. Im gemeinten journalistischen schwarz-leeren Heimat-Kampfraum ist kein sicherer Halt mehr zu fassen, da greift man klugerweise wieder auf die Heimat zurück. Immer wenn etwas untergeht taucht Ruck-Zuck “Die Heimat” auf.

    Ach, vertraute Heimat, so heimatlich-himmlisch und auch noch teuer-süß. Das soll diesen kätzchenhaft-lieblichen und knuddeligen Jöh-Effekt auslösen, denn mit der heimatlichen Heimat kann sich fast jeder heimatlicher Jedermann so heimatlich wohlvertraut und auch noch heimatlich korrekt fühlen. Der heimatliche Redakteur, der regenbogenfarbene Bürger- und der plakatierte Kochmeister sowie der Herr Zeitungsmachermeister himself. Heimat in allen Gassen und an allen Horizonten.

    Es ist schon ironisch. Der Aufstieg und Errettung eines gewissen Verlages ist wohl auch einigen damalig “heimatorientierten Schmonzetten” zu verdanken und das hiesige heimatlich-investierte Zeitungsende, keine Zeitungsente, erfolgt auch auf einer abebbenden heimatlichen Woge. Heimat von der Wiege bis zur Barre, Heimat pur. Da sage keiner der Kritiker, der Herr Zeitungsmachermeister und die Heimatzeitung hätten keinen wahren Heimatbezug.

    Vor lauter Heimat wird vergessen, dass Heimat ursprünglich den Schlaf- und Wohnplatz der jeweiligen individuellen Person meinte. Also ist es ein flexibles Ding mit einem sehr flexiblen Inhalt. Ob man uns mit dem zuckergussartigen Heimat-Gefühl in den somnambulen heimatlichen Schlaf wiegen möchte. Fast sollte, eigentlich muss man dies als heimatlicher Zeitungsleser glauben.

    Da sei die Frage erlaubt, ob die Heimat einfach nur eine gähnende Leere füllen soll?

    Da bleibt nur noch eine letzte heimatliche Antwort: Gute Nacht, Heimat (-Zeitung)!

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