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16. April 2014 | Altmeister Eyermann zur aktuellen Wohnungspoltik

Kritik an einer „absolut unsachlichen Debatte“

Konstanz (gro) In einem offenen Brief zur aktuellen Wohnungspolitik weist Walter Eyermann die vorherrschende Argumentation zum anhaltenden Wohnungsmangel zurück: Sie gehe an der Sache vorbei und sei deshalb „absolut unsachlich“, sagte Eyermann dazu gestern. So lange Konstanz seine Anziehungskraft behalte, werde es wegen zuzugswillger Neubürger auch einen Mangel an Wohnungen geben. Schlagworte wie „bezahlbare Mieten“ hält der ehemalige Stadtrat für blosses „Wahlkampfgeklingel“. Das „Handlungsprogramm“, das sich Gemeinderat und Stadtverwaltung verordneten, ist für Eyermann ohne Substanz. Es berge vielmehr die Gefahr, dass „vernünftige Lösungen“ vereitelt, Lebensqualität vernichtet und künftigen Generationen die Chance genommen wird, kreative Lösungen des Wohnungsbaus verwirklichen zu können.

Autor einer umfangreichen historischen Dokumentation

Der ehemalige Stadtrat und Autor einer umfangreichen historischen Dokumentation zum Schicksal der deutschen Hauseigentümerschaft während der Weimarer Republik und während der Herrschaft der Nationalsozialisten sass 16 Jahre im Konstanzer Stadtparlament, und zwar für die rechtsgerichtete Bürgergemeinschaft Konstanz (BGK). Der wohnungspolitische Profi ist Ehrenmitglied des H+G-Landesverbands. Die zahlreichen gerichtlichen Gutachten des mittlerweile 88-jährigen Rechtsbeistands in Mietsachen waren nicht nur bei Richtern, sondern auch bei Mietern und Vermietern (gleichermassen) geschätzt. Als Geschäftsführer des Konstanzer Haus- und Grundeigentümerverbands (H+G-Verbands) baute Eyermann diese Interessenvertretung in den siebziger Jahren zu einem umspannenden Gebilde aus, das - ähnlich wie der Mieterbund – neben Konstanz die Region Westlicher Bodensee bis hinauf nach Stockach umfasst.

Der Brief an Gemeinderat und Medien im Wortlaut

Der kritische Brief Eyermanns zur aktuellen, kommunalpolitischen Debatte über Wohnungsmangel und Mietpreise ging nicht nur an die Mitglieder des Stadtparlaments, sondern auch an die Medien, darunter den „Südkurier“. Wir dokumentieren den Brief Eyermanns im folgenden im Wortlaut.

Eyermann schreibt:

Sehr geehrte Volksvertreter,

als „Rezept gegen die Wohnungsnot“ planen Gemeinderat und Stadtverwaltung ein “Handlungsprogramm“, das bis zum Jahre 2030 den Neubau von 5.070 Wohnungen vorsieht. Dabei soll in die Eigentumsrechte privater Haus- und Grundbesitzer eingegriffen werden – mit Zwang und Strafandrohungen – bis hin zur Enteignung! Wem keine vernünftigen Lösungen einfallen, der greift erfahrungsgemäß immer zu diesem Mittel!

Nehmen wir einmal an, Gemeinderat und Verwaltung könnten und würden dieses Handlungsprogramm in ihrer unerforschlichen Weisheit tatsächlich umsetzen: Wären die Konstanzer Wohnungsprobleme dann im Jahre 2030 gelöst?

Solange Konstanz „anziehend“ bleibt, werden Jahr für Jahr „Neubürger“ für eine fortwährende Wohnungsnachfrage sorgen. Mit jedem Grundstück, das wir bebauen, nähern wir uns der Grenze der möglichen Bebaubarkeit und vernichten, je näher wir dieser Grenze kommen, Schritt für Schritt die Lebensqualität unserer Stadt. Diese Tatsache führt doch zu der Frage: Wollen Sie wirklich zugunsten herandrängender „Neubürger“ die Gemarkung bis zur Grenze des Möglichen überbauen – und dabei unsere Lebensqualität vernichten?

Ich halte dazu jede Wette: Wenn unsere Wohn- und Lebensqualität bis dahin nicht heruntergewirtschaftet ist, wird es in Konstanz 2030 – und darüber hinaus – immer noch Wohnungssuchende und einen Wohnungsengpass geben – auch dann, wenn nach dem „Handlungsprogramm“ gebaut werden sollte!

Die ebenfalls im Wahlkampf erhobene Forderung nach „bezahlbaren“ Mieten ist doch solange nur Volksverdummung, als nicht gesagt wird, was ein bezahlbarer Mietzins ist und durch welche Maßnahmen dieser Mietzins erreichbar ist. Wahrscheinlich geht es dabei nur um die hinlänglich bekannte Neidpolitik, welche Hausbesitzer unter die Kostendeckung drücken möchte. Nur: Wer wird dann sein Geld im Wohnungsbau investieren? Ich bin auf nachvollziehbare Erklärungen der „Wahlkämpfer“ zum bezahlbaren“ Mietzins gespannt! Wie soll z. B. auf dem Döbele „bezahlbarer“ Wohnraum entstehen?

Bleibt als drittes Problem das Versprechen, „Politik“ vor allem im Interesse unserer Jugend zu machen. Dazu gehört doch, dieser Jugend eigene Entscheidungsmöglichkeiten offen zu halten. Wollen Sie wirklich um heutiger Wahlkampfparolen willen unserer Jugend die Möglichkeit nehmen, später einmal mit noch unbebauten Flächen auf wirklich interessante neue (Ansiedlungs-)Möglichkeiten reagieren zu können?

Bei allem Verständnis für Wahlkampfgeklingel – bevor Sie damit die Konstanzer Lebensqualität beeinträchtigen und langfristig vernichten: Erzählen Sie dem staunenden Wahlvolk doch ganz
einfach, was Sie und Ihre Fraktion in der ablaufenden Legislaturperiode für die Stadt Konstanz geleistet haben.
In diesem Falle werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Stimmenzahl kommen, die Sie sich verdient haben. In diesem Sinne mit freundlichen Grüßen

Walter Eyermann,
Altstadtrat




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