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21. November 2015 | In der Spiegelhalle: Das Tagebuch der kleinen Inge

„Da möchte man Schauspielerin werden“

Konstanz (gro) Es gibt Menschen, die haben auch im hohen Alter eine solche Wucht, dass man sie sich nur schwer als Kinder vorstellen kann. Zu ihnen gehört Inge Egler, Jahrgang 1930, mit der man sich auch heute besser nicht anlegt. Und doch war natürlich auch sie einst ein junges Mädchen, aufgeweckt, aber auch schon nachdenklich. Und das lässt sich demnächst sogar nachlesen. Denn über ein Jahr lang hat die kleine Inge, damals 13 und 14 Jahre alt, Tagebuch geschrieben. Von Februar 1943 bis Ende März 1944. Daraus ist ein Buch geworden, das am Sonntagabend (Beginn 18 Uhr) in der Spiegelhalle des Stadttheaters vorgestellt wird.

Intendant Christoph Nix interviewt die Autorin, die nicht durfte

Zur Buchvorstellung in der Spiegelhalle (Hafenstrasse) gehört ein öffentliches Interview der inzwischen 85 Jahre alten Tagebuchautorin. Christoph Nix, der Intendant des Stadttheaters, wird es führen. Die Nähe zum Theater kommt nicht von ungefähr. Im Tagebuch nimmt das Stadttheater, das auch während des Krieges seinen Betrieb fortführte, einen wichtigen Platz ein. „Ich war heute im Theater“, notierte die junge Inge vor über 70 Jahren, „ist einfach fabelhaft, da kommt das Kino nicht ran, da möchte man Schauspielerin werden…“ Um dann in geradezu altkluger Resignation einzuschränken: „Übrigens schlage ich mir das aus dem Sinn, darf ja doch nicht.“

Ehemann Max Egler war 34 Jahre Theaterleiter

Auch wenn die Inge nicht Schauspielerin werden durfte, die Nähe zum Theater pflegt sie bis heute. Typisch im Übrigen, dass sie einen kunstsinnigen, ebenfalls theateraffinen Konstanzer zum Mann nahm, der das Stadttheater 34 Jahre als Verwaltungsdirektor leitete, fünf Intendanten überlebte und den Betrieb in teilweise sehr schwierigen Zeiten dank einer Mischung aus kaufmännischer Raffinesse und künstlerischer Leidenschaft vital zu halten verstand. Max Egler, der 2010 im Alter von 83 Jahren starb, hatte zudem, als er eigentlich schon im Ruhestand leben sollte, massgeblich mitgeholfen, die zahlungsunfähig gewordene Südwestdeutsche Philharmonie vor dem Untergang zu retten.

Aus der „Roten Inge“ wurde die „Freie Grüne Inge“

Inge Egler stand wie ihr Mann Jahrzehnte lang in den Diensten der Heimatstadt, allerdings bei der Spitalstiftung, und da in der Pflegeleitung des Klinikums. Mit der „Roten Inge“ hatte das Personal eine energische und nötigenfalls fest entschlossene Fürsprecherin, erst recht, als sie Mitglied des Gemeinderats wurde, obwohl sie dort zur „Freien Grünen Inge“ mutierte. 20 Jahre blieb Inge Egler dem Gemeinderat treu, zum Abschied gab’s 2009 den Ehrenring der Stadt.

Bilder vom Schwiegersohn, Geleitwort von Horst Frank

Das Buch, das am Sonntag in der Spiegelhalle das Licht der Öffentlichkeit erblickt, ist ein Gemeinschaftswerk. Da ist der Tagebuchtext des Teenagers aus längst vergangenen Konstanzer Kriegszeiten, eingerahmt von einem Geleitwort Horst Franks, des ersten Grünen Oberbürgermeisters Deutschlands und ergänzt durch einen historischen Überblick aus der Feder von Oliver Richter. Vollends zur bibliophilen Rarität wird das Buch durch 12 Holzschnitte von Jan Peter Thorbecke, den Schwiegersohn Inge Eglers, die Grafiken sachdienlich erläutert durch eine kunsthistorische Betrachtung von Brigitte Schoch-Joswig. Und organisiert hat das ganze, mehrfachkulturelle Event Christel Thorbecke, die Pappelbaum-starke Tochter der Tagebuchautorin.




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