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24. August 2016 | Flüchtlingsroute: Beim Fahrpreis irrt Frank Hämmerle

Mit dem FlixBus für 49 Euro von Neapel bis nach Konstanz

Konstanz/Neapel (gro) „300 bis 600“ Flüchtlinge treffen pro Monat im Kreis Konstanz ein, vermutet Frank Hämmerle. Dies ist zum Wochenbeginn dem Zürcher „Tagesanzeiger“ zu entnehmen gewesen, dessen Berlin-Korrespondent den Konstanzer Landrat befragt hat. Da es sich bei den Flüchtlingen meist um „unbegleitete Minderjährige“ handle, komme das besonders teuer, zitiert Dominique Eigenmann, so heisst der Berliner TA-Korrespondent, den Chef der Landkreisverwaltung weiter. Die Flüchtlinge, mutmasst Hämmerle, bekämen von Schleusern in Italien „für Hunderte oder gar Tausende“ von Dollars „offenbar eine Fahrkarte direkt nach Konstanz in die Hand gedrückt“. Doch das ist Blödsinn. Eine Fahrt mit dem Fernbus der Firma FlixBus von Neapel über Mailand und Zürich bis nach Konstanz gibt es ab 49 Euro.

Ãœber 100.000 Verbindungen in Europa

Das neu entstandene Fernbusnetz, eine Folge des europäischen Zusammenwachsens, bietet inzwischen etwa 100.000 Verbindungen an: Von London bis Krakau, von Paris bis Bratislava und Budapest oder von London über Hamburg bis Palermo und Neapel oder nach Genua. Das Fernbusnetz befindet sich in der Aufbauphase und ist, vor allem wegen der Konkurrenz der Billigflieger, ausgesprochen preiswert. Das günstigste Billett Konstanz – Mailand (verlängerbar unter anderem nach Venedig, Bologna, Bozen, Rom oder Neapel) gibt es ab 22 Euro. Täglich werden unter anderem drei Direktverbindungen (hin und zurück) zwischen Mailand (vom dortigen Busbahnhof Lumpugnano) und Konstanz (Döbele) angeboten.

Die Flüchtlinge wissen Bescheid

Im Gegensatz zu Einheimischen wissen Zuwanderer bestens Bescheid über das neu entstandene Fernbusnetz. So sind etwa Deutsche oder Schweizer als Fahrgäste in den Fernbussen ab Konstanz in Richtung Süden (oder in der umgekehrten Richtung) eher selten. Dafür lernt man Iraker, Israelis, Ägypter oder Reisende aus Afghanistan kennen. Die Busverbindungen werden über Smartphones kommuniziert, bis hinein in den Mittleren Osten und nach Afrika, auch die Preise und alternative Beförderungsmittel des öffentlichen Verkehrs.

Schweizer Busfahrer sind zu kostspielig

Die Chauffeure der Fernbusse sind häufig aus türkischen Kreisen, sind oft Bosnier, Serben oder Kroaten, durchweg tüchtige, aber nicht allzu gut bezahlte Leute. Während die Firma FlixBus, ein Berliner Start-Up-Unternehmen, mit zahlreichen Busunternehmen Europas zusammenarbeitet, ist darunter nicht ein einziger Schweizer Busbetrieb. Kein Wunder: In der Schweiz bezieht ein Busschauffeur monatlich rund 4.500 Franken, etwa das Doppelte dessen, was FlixBus einem deutschen Fahrzeugführer zahlt (oder zahlen kann).

Hämmerle: „Vor allem aus Schwarzafrika“

Laut „Tagesanzeiger“ sieht Frank Hämmerle vor allem einen anhaltenden Zuzug aus Schwarzafrika, der sich von Italien aus über die Schweiz in Richtung Hochrhein und gegen den Kreis Konstanz bewegt. Das wäre kein Wunder, denn die Afrikaner, die sich aus den südlicher gelegenen Gefilden ihres Kontinents nach Norden, etwa bis Libyen, durchgeschlagen haben, versuchen verzweifelt, die Festung Europa zu erklimmen. Schliesslich droht Libyen zu verfallen, und weder in Ägypten, noch in Tunesien oder in Marokko und schon gar nicht in Algerien haben Flüchtlinge irgend eine Perspektive für ihr Leben.

Michael Räber: „Verstoss gegen die Menschenrechte“

Das Abkommen mit der Türkei wegen des Flüchtlingszustroms wird auf Dauer nicht funktionieren; es sei ohnehin ein schändlches Abkommen, berichte gestern der Schweizer Flüchtlingshelfer Michael Räber in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Räber, ein Schweizer IT-Unternehmer, der vor einem Jahr eigentlich mit seiner frisch angetrauten Frau Flitterwochen in der Ägäis machen wollte, geriet auf Lesbos in eine Rettungsaktion und hilft seither, „Menschen aus dem Wasser zu ziehen“. Was in der Ägäis durch den brutalen Einsatz türkischer Patrouillenschiffe und weiter nördlich an der mazedonischen Grenze geschehe, verstosse gegen die Menschenrechte und habe regelmässig Todesfälle zur Folge. Das werde von der Europäischen Union (EU) geduldet und „so gewollt“, weil damit der Flüchtlingszustrom über die Balkanroute unterbunden werde, sagte Räder.

„Der Deal mit der Türkei wird keinen Bestand haben“

Flüchtlingshelfer Räber glaubt nicht daran, dass das Abkommen der EU mit der Türkei Bestand haben wird. In der relativ dünn besiedelten Türkei mit ihren 78 Millionen Einwohnern gebe es etwa 5,5 Millionen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten (vor allem aus dem Irak, Syrien und Afghanistan). Europa habe etwa 2,2 Millionen Flüchtende aufgenommen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl müsse die EU etwa sieben Mal so viele Schutzsuchende aufnehmen, um mit der Türkei gleichzuziehen.

„Die Flüchtlinge werden neue Wege finden“

Vorerst spiele die Türkei wegen des Geldzuflusses aus Brüssel mit. Auf Dauer aber sei das Abkommen schon wegen der massiven, anhaltenden Menschenrechtsverletzungen nicht aufrecht zu halten, heisst es aus Helferkreisen. Die Flüchtlinge würden neue Wege finden. Michael Räber, der sich unter anderem um Hunderte von Kindern und um Jugendliche kümmert, wird vorerst weiter in Griechenland bleiben. Ihm bleibe einfach nichts anderes übrig, sagte der Schweizer, der inzwischen ein Netzwerk von Unterstützern aufgebaut hat.

Woanders sind die Reisestrecken sehr viel grösser

Wer sich aus dem Norden Afrikas nach Europa aufmacht, hat gar nicht so sehr viel Kilometer zurück zu legen. Ist das Meer erst einmal überwunden, kann die „Festung Europa“ in Angriff genommen werden, wenn man den Balkan umgeht. Von Apulien, wohin man regelmässig Flüchtlinge verfrachtet, die vor Sizilien oder in der südlichen Adria aufgegriffen werden, sind es etwa 1.200 Kilometer bis an den Bodensee, von Palermo, der Hautstadt Siziliens, rund 2.100 Kilometer. Da sieht es überm Grossen Teich ganz anders aus. In den USA fahren zwar auch Fernbusse, die berühmten Greyhound-Busse. Doch von Tijuana an der kalifornisch-mexikanischen Grenze quer durch den Kontinent nach New York sind es stattliche 4.500 Kilometer, von Moskau nach Wladiwostok gar über 9.000 Kilometer. Da liegen das Mittelmeer, der Nahe Osten und der Maghreb doch eher nebenan - und auch die Flüchtlinge.




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