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9. März 2017 | Beschlagnahmte „Südkurier“-Unterlagen

Staatsanwalt:„Die Ermittlungen können Monate dauern“

Konstanz (gro) Die Fahnder der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (FKS) müssen bei Razzien im „Südkurier“ und in mindestens drei seiner Tochterfirmen in den letzten Januartagen eine ansehnliche Menge an Unterlagen beschlagnahmt haben. Denn „die Ermittlungen“, so heisst es bei der Mannheimer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, „können noch Monate dauern“. Die sichergestellten Dokumente würden zur Zeit im Hauptzollamt Singen ausgewertet. Es geht, wie berichtet, vor allem um getürkte Arbeitsverträge, mit denen sich der „Südkurier“ um Sozialabgaben drücken wollte. Die gute Nachricht besteht aus einem Lob der Staatsanwaltschaft: Die Verantwortlichen des Medienhauses „Südkurier“ verhielten sich gegenüber den ermittelnden Beamten „durchweg kooperativ“.

Beschwerden im Job-Center

Singen ist die Operationsbasis für die Fahnder der SKS, die in Konstanz und bei der “Südkurier”-Tochter “psg” in Spaichingen (Kreis Tuttlingen) tätig wurden. Auslöser waren vermutlich unter anderem Beschwerden von so genannten Mini-Jobbern und Hartz-IV-Empfängern, die gegenüber Mitarbeitern des Kreissozialamts in Job-Centern geäussert wurden. Anscheinend wurden Mini-Jobber, die regelmässig Prospekte und Zeitungen in Briefkästen stecken und dabei nicht mehr als 450 Euro im Monat verdienen (dürfen), regelmässig durch die verschiedenen Tochterfirmen „hindurchgewechselt“, und zwar immer dann, wenn eine bestimmte Zahl von Arbeitstagen erreicht worden war. Dadurch umging der Arbeit gebende „Südkurier“ die Zahlung von Sozialabgaben.

„Seit vielen Jahren unbeanstandet“

Die fraglichen Tochterfirmen des „Südkurier“-Medienhauses sind rechtlich selbständige Unternehmen. Deshalb wähnte man sich im Heimatblatt-Verlag offenbar auf der sicheren Seite, als man dem Fussvolk der Verteiler-Schar die getürkten Arbeitsverträge offerierte – umso mehr, wie es beim „Südkurier“ heisst, als die Rentenversicherung die Arbeitsverträge „seit vielen Jahren“ unbeanstandet liess. Tatsächlich aber, so sieht man es bei den Finanzbehörden, wurden die Mini-Jobber, die ja ihre Arbeit trotz der vertraglich vereinbarten Firmenwechslerei nahtlos weiter ausführten, durch unzulässige Tricks um einen künftigen Rentenanteil gebracht.

Am Ende ist ein Stück der Rente unterschlagen

Ein Rechenbeispiel zeigt, dass ein fleissiger Schüler und späterer Student, der über 20 Jahre hinweg als Mini-Jobber Zeitungen und Prospekte in Briefkästen stopft, seinen Rentenanteil um knapp 100 Euro pro Monat erhöht, wenn sein Arbeitgeber die gesetzlich gebotenen Rentenbeiträge abführt. Angenommen, der frühere Mini-Jobber geht mit 65 Jahren in Rente und segnet das Zeitliche mit 90 Jahren, hat er seine Rentenbezüge in 25 Jahren um insgesamt 30.000 Euro erhöht. Anders gesagt: Läuft die Verteilerei nach „Südkurier“-Art, werden dem späteren Rentner womöglich 30.000 Euro vorenthalten.

„Südkurier“ als Einzelfall

Laut Staatsanwaltschaft wird wegen getürkter Arbeitsverträge für Austräger und Prospektverteiler ausschliesslich gegen den „Südkurier“ ermittelt. Von keinem anderen Zeitungsunternehmen Baden-Württembergs lägen solche oder ähnliche Verdachtsmomente vor. Auch laufe die Überprüfung beim „Südkurier“ nur wegen der genannten Arbeitsverträge und nicht, wie auch vermutet wurde, wegen Scheinselbständigkeit unter den Anzeigenakquisiteuren.

„Fexibilität“ zu Lasten der Mini-Jober

Das Verhalten des Konstanzer Medienhauses wirkt etwas rätselhaft. Denn so viel günstiger ist es für den Arbeitgeber gar nicht, wenn er bei Mini-Jobbern die Sozialabgabe spart. Denn quasi im Gegenzug ist dann ein höherer Steuersatz zu entrichten. Allerdings können die zeitlich nur scheinbar verkürzt Beschäftigten „flexibler“ eingesetzt und gekündigt werden; auch in Sachen Urlaub und in Krankheitsfällen sieht sich der Arbeitgeber besser gestellt.

“Da kann einiges zusammenkommen”

Der „Südkurier“ wirbt für seinen grossflächigen Verteilservice mit 3500 und stellenweise sogar mit 5000 fleissigen Austrägern. Man arbeite überdies im In-und Ausland mit „100 Partnergesellschaften“ zusammen. Auch die Briefkästen der Schweiz könnten mit den Partnern von „Arriva“, „Direktkurier“ und/oder „psg“ komplett abgedeckt werden. Bei solchen Dimensionen, so heisst es, „kann im Laufe der Jahre schon einiges zusammenkommen“. Kein Wunder, dass nun die Kunde die Runde macht, was der „Südkurier“ nachzuzahlen habe, gehe „in die Millionen“.




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