16.06.2005 | Rauchfrei speisen kommt an

Sperrzone im "Barbarossa"

Konstanz (gro) Die große altdeutsche Gaststube des "Barbarossa" ist zur Sperrzone für Raucher erklärt worden. Bärbel und Jürgen Wiedemann haben sich dazu nach reiflicher Überlegung entschlossen. Die Reaktion der Gäste gibt den Wirtsleuten vom Obermarkt recht: Selbst eingefleischte Raucherinnen akzeptieren die Neuerung, die nicht nur in Konstanz bald etliche Nachahmer finden dürfte. Für die notorischen Liebhaber des Tabackgenusses stehen weiterhin die geräumigen Nebenzimmer des Restaurants zur Verfügung.

Eine Schweizerin, für die eine gute Zigarette zum unverzichtbaren Nachtisch im Anschluss an ein gutes Essen gehört, kollidierte als eine der Ersten mit der neuen Sperrzonenverordnung am Obermarkt. Erbost verkündete sie, "dieses Lokal nie mehr" betreten zu wollen. Doch diese Reaktion war, wie Wiedemann erklärte, "die absolute Ausnahme".

Und in der Tat nehmen es selbst nikotinverwöhnte Stammgäste gelassen. So zum Beispiel Gisela Holzherr, die mit der Neuregelung "überhaupt kein Problem hat". Speist sie mit Freunden vorne im großen Gastraum, raucht sie "eben nicht, sondern höchstens mal zwischendurch ein Zigarettchen im Foyer". Gelüstet sie's nach mehr, nimmt sie Platz in der Raucherzone.

Eine Frage der Toleranz

Zwar stört sie ein bisschen der Gedanke, dass Zeitgenossen, die noch nie geraucht haben, nun triumphieren könnten, obwohl "sie überhaupt keine Ahnung haben", wie sehr es einen Raucher plagen kann, auf die gewohnte Nikotinzufuhr verzichten zu müssen. Doch Gisela Holzherr ist ein Mensch, der Toleranz ernst nimmt: "Im Zweifel bin ich es, der Rücksicht nimmt." So kommt es auch, dass sie die missionarische Militanz eines "bekehrten" Rauchers "durchaus verstehen" kann: "So einer weiß wenigstens aus eigener Erfahrung, welche Plage das Rauchen sein kann".

Ihr zur Seite stand im "Barbarossa" Inge Schreier - zwar eine bekennende "bekehrte" Nichtraucherin, die aber "den Teufel tun würde, anderen vorzuschreiben, ob sie rauchen sollen oder nicht." Trotzdem akzeptiert sie eine rauchfreie Zone. Damit werde ja die Entscheidungsfreiheit hergestellt, sagt Inge Schreier. Im Allgemeinen habe der Nichtraucher in Restaurants kaum die Möglichkeit, sich ein rauchfreies Areal auszusuchen.

Druck von zwei Seiten

Jürgen Wiedemann sagt, er habe sich zur Sperrzonenentscheidung "regelrecht gezwungen" gesehen. Er sei von "zwei Seiten unter Druck geraten". Zum einen sei er im Restaurant von Gäste wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, dass es an der Zeit sei, eine rauchfreie Zone einzurichten. Zum anderen gebe es dazu die dringende Empfehlung des Hotel- und Gaststättenverbands. Denn nur die freiwillige Selbstverpflichtung der Gastronomie könne ein Rauchverbotsgesetz verhindern, das in vielen Nachbarländern und auch in den USA längst gelte.

"Im Grunde widerstrebt es mir zutiefst, meinen Gästen vorzuschreiben, was sie tun und lassen sollen", sagt Wiedemann, der einst selber geraucht hat. Aber angesichts der Tatsache, dass man es "sowieso niemals allen recht machen" könne, sei die Sperrzonenlösung "sicher in Ordnung". Dass man den Hauptsaal des Restaurants zur rauchfreien Zone erklärt habe, sagte Wiedemann weiter, liege einfach daran, dass vor allem da gespeist werde.

Zu Entschädigung der verdrängten Rauchergemeinde will sich Wiedemann "was einfallen lassen". Möglicherweise serviere man dort "zum Espresso eine Gratiszigarette", sagt der "Barbarossa"-Wirt, lacht - und ruft gleich mal in der Marketing-Abteilung von Marlboro an.

Blick nach Italien

Gut fünf Monate, nachdem in den meisten Lokalen in Italien der letzte Glimmstengel ausgedrückt wurde, sieht es so aus, als sei die Erinnerung an den dichten Qualm von einst fast vergessen. Seit dem 10. Januar dieses Jahres ist die letzte Stufe des strengen "Gesetzes gegen das Rauchen in öffentlich zugänglichen Räumen" in Kraft. Sei es aus Furcht vor den drastischen Strafen, aus Fügung ins Unvermeidliche oder aus Gesundheitsbewusstsein - die Italiener passten sich zuletzt geradezu schlagartig an.

Über mehr als zehn Jahre hinweg wurde die Zigarette in Italien schrittweise zurückgedrängt. Erst durfte nicht mehr in öffentlichen Gebäuden geraucht werden. Dann wurden die Züge zu rauchfreien Zonen. Den Schlusspunkt setzte schließlich das totale Rauchverbot in Lokalen, wenn diese nicht abgesonderte, mit automatischen Türen verschlossene und mit starken Abluftanlagen ausgestattete Extraräume für Raucher haben.

Vier Fünftel der Raucher einverstanden

In Umfragen befürworten vier Fünftel der Raucher das Verbot, das sie zwingt, ihrer Sucht zu Hause oder auf der Straße nachzugehen. Und es gibt kaum ein Gesetz in Italien, das so selten gebrochen wird. Bei Polizeikontrollen in 3.210 Lokalen wurden nur 171 Verstöße festgestellt, von denen auch noch 120 die Vorschriften über die Position des obligatorischen Rauchverbotschildes betrafen.

Übrig bleiben also nur 51 echte Untaten, die vor allem in Nachtclubs und Pubs begangen wurden. Speiselokale haben sogar wachsenden Zulauf. Die Gäste bleiben allerdings weniger lang, weil sie am Ende zu Kaffee und Zigarette oft woanders hingehen - und bestimmt nicht zum Ärger des Wirts den Platz für die nächsten Kunden freimachen.

Der Erfolg beflügelt Gesundheitsminister Girolamo Sirchia. Selber Arzt, freut er sich darüber, dass nun auch die ohnehin vergleichsweise wenigen Zigarettenautomaten von 7 bis 23 Uhr außer Betrieb bleiben müssen. Sirchia möchte jetzt sogar das Rauchen im Gefängnis verbieten.

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