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24./25.06.2005 | Ein Fall für Staatsrechtler?

Wenn der Lindauer Löwe grinst
Konstanz/Lindau (gro) Manchmal sieht es aus, als grinse der Bayrische Löwe an der Lindauer Hafeneinfahrt. Es wäre jedenfalls kein Wunder, wenn er sich hin und wieder amüsierte über die Konstanzer, die ihn vor zwei Jahren von der Bahn AG zwar erworben haben, ihren Rechtsanspruch aber bis heute nicht durchsetzen. Es gibt zwar den Kaufvertrag vom Mai 2003. Darin steht geschrieben, dass mit den Bodenseeschiffsbetrieben nicht nur die Flotte, sondern auch Immobilien erworben werden: die Hafenanlagen und sich anschließende Areale in mehr als einem Dutzend Städten und Gemeinden. Konstanz hat zwar längst für alles bezahlt. Doch Lindau hat ein nachträgliches Veto eingelegt. Die Bayern pochen auf ein Vorkaufsrecht. Sie wollen die Hafenimmobilien, und natürlich auch den Löwen, selber haben.

Bei den Konstanzer Stadtwerken ist man zwar anderer Meinung, doch gestritten wird nicht, im Gegenteil, beide Seiten haben wiederholt versichert, man führe Gespräche in aller Ruhe und in bestem Einverständnis. Die Tatsache, dass schon mehr als ein Jahr verhandelt wird, stimmt allerdings etwas skeptisch. Und inzwischen ist sogar die Frage aufgetaucht, ob der Kaufvertrag nicht zur Gänze ungültig sei.
Selbst in der Umgebung von Petra Seidl, der Oberbürgermeisterin von Lindau, soll schon darüber nachgedacht worden sein, ob die Bahn in diesem Falle überhaupt die korrekte Rechtsnachfolgerin des Königreichs Bayern ist. Womöglich sei das nicht die Bahn, sondern die Stadt Lindau oder der bayerische Regierungsbezirk Schwaben, zu dem Lindau gehört. Wenn das so sei, habe die Bahn etwas verkauft, was ihr von Rechts wegen gar nicht gehörte.
In Lindau wehrt man ab. Achim Frey, der Sprecher von Petra Seidl, hält das für abwegig. Die Bahn sei im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Dieser Eintrag sei entscheidend. Ebenso eindeutig sei die Rechtslage im Hinblick auf das Vorkaufsrecht der Stadt Lindau. Weil die gesamte Lindauer Insel Sanierungsgebiet sei, habe die Stadt dort automatisch ein allgemeines Vorkaufsrecht. Das sei "im Baugesetzbuch festgeschrieben".
Dass das nicht alle Juristen so sehen, beweist der Widerspruch, den die Stadtwerke Konstanz gegen die Inanspruchnahme des Vorkaufsrechts einlegen ließen. Sicher ist nur, dass es die Rechtsgelehrten von Bahn und Stadtwerken versäumt haben, die Frage vor dem Vertragsabschluss zu klären.
Unstrittig ist auch, dass Lindau den Stadtwerken den Kaufpreis zurückzahlen müsste, den sie an die Bahn gezahlt haben. Doch die Angelegenheit ist kompliziert, Lindau lebt vom Tourismus und deswegen ist es angewiesen auf die touristische Infrastruktur - und damit auf eine gute Zusammenarbeit mit den Schiffsbetrieben, die den Stadtwerken Konstanz gehören. Kein Wunder also, dass man das Widerspruchsverfahren ruhen lässt und sich außergerichtlich einigen will.
Es geht um ein beträchtliches Areal, um nicht weniger als 46.394 Quadratmeter. Das ist etwa das Dreifache der Grundfläche, auf der das neue und gewiss nicht kleine Konstanzer Shopping-Center namens Lago steht. Zu den fraglichen Lindauer Immobilien gehört ein großer Teil der Hafenpromenade, hinzu kommen das Café Graf samt Kiosk und die frühere Eilguthalle der Bahn. Filetstücke sind die 40.000 Quadratmeter an Wasserflächen mit Liegeplätzen. Denn aus den Mieteinnahmen daraus lässt sich einiges finanzieren, jedenfalls ein Großteil des Kaufpreises. Logischerweise sind daran beide Seiten besonders lebhaft interessiert.
Inzwischen zeichnet sich eine Kompromiss-Linie ab. Es wird Teile geben, die gehen an die Stadt Lindau, können aber von den Konstanzern genutzt werden. Andere Immobilen verbleiben im Eigentum der Stadtwerke Konstanz (genau genommen im Eigentum der Bodensee-Hafengesellschaft, in die die Schiffsbetriebe ihre Immobilien zur Verwaltung eingebracht haben), sollen aber von der Stadt Lindau genutzt werden dürfen. Dass dabei Interessen aufeinander stoßen, zeigt sich im Fall der ehemaligen Eilguthalle. Die Stadt Lindau, die mit bayerisch-staatlichen Zuschüssen beim Immobilienerwerb rechnen kann, würde die Hallenanlage gerne kaufen, doch die Konstanzer wollen sie nur vermieten.
Um den Bayrischen Löwen wird noch am wenigsten gefeilscht. Konrad Frommer, der Geschäftsführer der Stadtwerke Konstanz, bleibt dabei: Für den symbolischen Preis von 1 Euro kann ihn Lindau, kann ihn Bayern haben. Doch ganz so uneigennützig wie das klingt, dürfte das kaum sein. Sondern schon eher kaufmännisch gerissen. Die letzte Renovierung des 6 Meter hohen, von dem Bildhauer Johann von Halbig 1856 aus einem gewaltigen Marmorblock geschaffen, kostete rund 500.000 Euro. Das ist bereits knapp 25 Jahre her. Und die nächste Renovierung, verfügt vom Bayerischen Denkmalamt, kommt ganz bestimmt. Vielleicht schon bald: Das Jubiläum zum 150-jährigen Bestehen des Löwen wird 2006 gefeiert.
Auf alle Fälle sollte bis dahin klar sein, wem die 46.394 Quadratmeter Lindauer Grund und Boden und die 40.000 Quadratmeter Liegeplatzflächen gehören. Am einfachsten wär's noch, wenn Bayern die Schiffsbetriebe aufkaufen würde. Aber dann ginge die Streiterei in Konstanz los. Als Erstes wäre wohl aus der Münchener Staatskanzlei die Verfügung zu erwarten, die Konstanzer Imperia abzumontieren, und zwar sofort.
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