|

09./10.07.2005 | Eine Konstanzerin und der Terror in London

"Jeder beäugt jetzt jeden"
London/Konstanz (gro) Es wird viel hin und her telefoniert zwischen London und Konstanz in diesen Tagen. Vor allem junge Menschen vom Bodensee haben die unentwegt boomende Metropole an der Themse London in den vergangenen zehn Jahren zu ihrer Wahlheimat gemacht. Zu ihnen gehört Gwendolyn Bächle (rechts), die vor sieben Jahren nach London zog. Sie erlebte die Anschlagsserie aus der Nähe. Doch sie kann sogar schon wieder lachen. "Bange machen gilt nicht", sagt Gwendo, "das lernt man hier in London ganz schnell". Neu sei allerdings, dass nun in U-Bahn und Bus "jeder jeden prüfend beäugt".

Gwendolyn war am Donnerstagmorgen gerade dabei, mit ihrem Mann Benny das Haus in Kenington zu verlassen, als das Handy klingelte. Es waren Bekannte, die davor warnten, die U-Bahn zu benutzen. Es habe wahrscheinlich einen Anschlag gegeben. "Das war noch, bevor es in den Nachrichten kam". Sie sei dann mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, über die Waterloo Bridge hinüber nach Covent Garden und hinein in die Tottenham Court Road, wo sie, neben ihrem Studium an der Goldsmith University, als Manager in einem Restaurant arbeitet.
Wo der Bus zerrissen wurde
Dabei kam sie unmittelbar an der Stelle vorbei, wo Minuten zuvor eine Bombe einen Doppeldeckerbus zerrissen hatte. "Es war furchtbar", berichtet die Konstanzerin, "es herrschte das Chaos." Sehr schnell hätten es aber herbei eilende Helfer in den Griff bekommen. Die Verletzten seien in kürzester Zeit in einem in der Nähe liegenden Krankenhaus untergekommen. Gwendolyn: "Wenn man's nicht besser gewusst hätte, hätte man annehmen können, dass es sich um eine gut organisierte übung handelte!" Was sie außerdem mit Staunen feststellte, war, wie viele junge Leute sich über Internet über das Geschehen informierten. Es sei "schier unglaublich gewesen, wie schnell fast jeder bestens informiert war."
Hotels und Pubs überfüllt
Die drei Anschläge auf U-Bahn Strecken und den Bus, alle im Zentrum Londons, legten die Stadt teilweise lahm. "Es war ungeheuer, welche Massen von Fußgängern plötzlich durch die Stadt zogen", berichtet Gwendolyn. Auch wenn unzählige Autofahrer Pendler privat nach Hause gefahren hätten - Zehntausende hätten einfach keine Chance gehabt, zurück zu ihren Familien zu kommen. Deshalb seien sämtliche Hotels innerhalb von Stunden ausgebucht gewesen, und "die Pubs waren überfüllt mit denen, die nirgendwo untergekommen sind".
Am Freitag alles fast normal
Schon am Freitag sei das Leben in London wieder weitgehend normal verlaufen. Ungewöhnlich sei aber der prüfende Blick, mit dem jeder jeden anschaue. Das Misstrauen, das sich jetzt zwangsläufig ausbreite, gehöre zu den üblen Folgen der heimtückischen Anschläge. Auf der anderen Seite, sei ein "allgemeines, starkes Gefühl der Solidarität" spürbar. Gwendolyn, die gerne an Konstanz und an ihre Schulzeit bei den Dominikanerinnen im Kloster Zoffingen zurückdenkt, hat London schätzen gelernt. Für sie und ihren aus Singapur stammenden Mann ist "London ganz klar die Nummer 1." Daran werde sich nichts ändern.
Diese Seite drucken (PC)
|
|