20.07.2005 | Gefährliches Rot

Wenn Lenks Schwan die Leda jagt

Konstanz/Horb (gro/fsf) Einmal mehr hat sich der Bildhauer Peter Lenk mit der Mythologie auseinander gesetzt. Diesmal, wenn nicht alles täuscht, mit der germanischen: In der Altstadt von Horb wird seit vergangenen Monat die schöne Leda (links) vom wilden Schwan gejagt, und zwar vor der Fassade des "Schwanen". Das hat für einigen Aufruhr gesorgt in dem beschaulichen Städtchen am Neckar. Doch auch in Konstanz haben Leda und der Schwan ihre Fans: Eine stark verkleinerte Ausgabe der jüngsten Lenk-Schöpfungen wurde unlängst Werner Schwarzwälder überreicht, um ihm den Abschied aus dem Amt des Chefredakteurs beim "Südkurier" etwas zu erleichtern.

Seine erotische Spannung bezieht das doppelte Kunstwerk nach Ansicht von Fachleuten weniger aus der wohlgestalteten, fliehenden Leda, als vielmehr aus der hoch aufgerichteten Männlichkeit des geradezu furchteinflößend sich entblößenden Schwans.

Zu Stein geronnene Jagdszene

Vor dem "Schwanen" in Horb, in dem der aus Italien stammende Gastronom Roberto Materazzi ein Café-Restaurant betreibt, recken nun immer wieder Passanten, und unter ihnen vor allem Touristen, die Hälse, um die zu Stein geronnene Jagdszene aus der Werkstatt des Bodmaner Bildhauers zu beobachten. Jüngst waren es Juristen aus Karlsruhe, die die Fassade studierten.

Über die Lenkschen Kunstfiguren sahen die Rechtsgelehrten, wie man hört, geradezu geflissentlich hinweg - weiterer Hinweis darauf, dass sich Verwaltungsjuristen höchst ungern ins Künstlerische einmischen. Ihnen sticht auch in Horb nicht das Kreative ins Auge, sondern ein näher liegender Umstand, in diesem Falle das tiefe Rot des Hauses. Dessen grelle Farbigkeit, so befanden die Karlsruher, beeinträchtige benachbarte denkmalgeschätzte Bauwerke wie das Haus zum Hohen Giebel oder das Stubensche Schlösschen - und müsse deshalb abgeblasst werden.

Da könnte es sich als Glücksfall erweisen, dass just ein ebensolches Rot das Konstanzer Kulturzentrum am Münster bekleidet und dass da nach einer anhaltenden Diskussion die Farbe für gut befunden wurde. Obwohl (oder gerade weil) das "Rote Haus" unmittelbar mit dem benachbarten, weitgehend blassgrauen Münster korrespondiert.

Wie einst auch Zeus

Mayk Herzog, 44, dem verantwortlichen Architekten des Horber Sanierungsprojekts, bleibt es nun vorbehalten, gegen das Farben-Urteil des Karlsruher Verwaltungsgerichts mit dem Hinweis auf die Konstanzer Farbenspiele am Münsterplatz Einspruch zu erheben. Ob Herzog diesen Schritt wagt, ist jedoch höchst ungewiss. Denn Herzog hatte Schlimmeres erwartet. Der erklärte Lenk-Fan musste nach anhaltenden Protesten selbsternannter einheimischer Moralisten zunächst fürchten, dass Leda und der erigierte Schwan unter Bann geraten würden.

Peter Lenk allerdings hatte das "nie befürchtet". Der Künstler, der unter anderem die Konstanzer Hafenschöne Imperia schuf, erinnert daran, dass sich "einst auch Zeus in einen Schwan verwandelte", nachdem er sich in eine Königstochter verliebte hatte. Unter anderem zeugte er daraufhin immerhin die schöne Helena. Und zumindest die griechische Mythologie, vermutet Lenk, sei auch deutschen Juristen nicht ganz fremd.

Diese Seite drucken (PC)