06./07.08.2005 | Gehfreundlicher Rand für den Münsterplatz

Korrektur mit Platten aus Granit

Konstanz (gro) Das grobe Pflaster erhält einen gehfreundlichen Rand. Diese Korrektur für die Neugestaltung des Münsterplatz beschloss der Technische Ausschuss des Gemeinderats. Die Entscheidung fiel mit großer Mehrheit in einer nichtöffentlichen Sitzung. Das Gremium reagierte damit auf Proteste von Behindertenverbänden, die eine bessere Begehbarkeit des Münsterplatzes fordern. Die Einfassung aus Granitplatten wird entlang der Häuserfronten verlaufen. Es entstehen Mehrkosten von etwa 100.000 Euro.

Die Kritik der Behindertenorganisationen war im Stadtparlament wiederholt aufgegriffen worden, besonders nachhaltig von Peter Müller-Neff. In der Sitzung des Technischen Ausschusses am 7. Juli forderte der Stadtrat der Freien Grünen Liste Vorschläge für allfällige Korrekturen. Damit wartete nun das Baudezernat auf. Es hatte kurzfristig mehrere Varianten ausarbeiten lassen, darunter auch Lösungen, bei denen ein gehfreundliches Band mit Abzweigungen als Mittellinie über den Platz führen würde.

Immer an der Wand lang

Für das 2,50 Meter breite Plattenband entlang der Häuserfronten entschied man sich aus mehreren Gründen. Erstens fühlten sich dort Gehbehinderte sicherer, zweitens banne man die Gefahr, dass die glatten Strecken von Radfahrern okkupiert würden und drittens bringe die Anordnung entlang der Hausfronten auch einen ästhetischen Gewinn. Auch vor den Lokalen mit Freiluftbewirtung auf dem Platz soll der Plattenstreifen für den Fußgängerverkehr frei bleiben. Das habe sich auch auf der Marktstätte bewährt...

Müller-Neff sagte nach der Sitzung, er habe sich sehr lange überlegt, ob er in der Angelegenheit aktiv werden solle. Schließlich entstünden rund 100.000 Euro Mehrkosten. Auf der anderen Seite müssten die die Belange der Behinderten berücksichtigt werden, und es gelte auch, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass "unsere Gesellschaft zunehmend älter wird".

"Wir werden alle gebrechlicher"

Die durchschnittliche Lebenserwartung liege heute bei 87 (für Frauen) und 80 Jahren (für Männer). Angesichts dieser Entwicklung gebiete es die soziale Verantwortung, dafür zu sorgen, "dass alte Menschen nicht ausgegrenzt, sondern verstärkt ins Leben eingebunden werden", sagte Müller-Neff. Das gelte auch für die Ausgestaltung des Münsterplatzes. Schließlich würden "wir alle im Lauf der Zeit nicht nur älter, sondern auch gebrechlicher". Er halte deswegen die Mehrkosten für vertretbar, auch im Hinblick darauf, dass zum Beispiel für alle öffentlichen Gebäude ein barrierefreier Zugang gesetzlich vorgeschrieben ist.

Ein besonderer Schönheitsfehler ist, dass das neue Pflaster entlang der Häuserfronten von der Bar Wessenberg bis zur St.-Johann-Gasse bereits verlegt ist. Das muss nun wieder herausgerissen werden. Dadurch entsteht ein großer Teil der Mehrkosten. Sie sollen durch Einsparungen an anderer Stelle aufgefangen werden.

Münsterplatz als Sparbüchse

So entwickelt sich der Etat für die Ausgestaltung des Münsterplatzes als eine Art Sparbüchse, die nun nach und nach geplündert wird. Unlängst war ihr Geld für die Renovierung von Bubentoiletten entnommen worden. Die elektrisch versenkbaren Poller werden aber auf alle Fälle in die Zufahrten des Platzes eingebaut. Rechnerisch bewegen sich die Mittel für die nun verfügten Korrekturen im eher allgemeinen Rahmen: 100.000 Euro sind 5 Prozent des Gesamtetats von rund 2 Millionen Euro für die Neugestaltung des Münsterplatzes, die zur Hälfte vom Land Baden-Württemberg bezahlt wird.

Bürgermeister Volker Fouquet verteidigte die bisher verfolgte Form und Art der Bepflasterung. Sie entspreche nicht nur dem preisgekrönten Wettbewerbsergebnis, sondern auch vorgeschriebenen Normen, auch im Hinblick auf gehbehinderte Mitmenschen. Ein Musterstück des Pflasters sei vor Beginn der Arbeiten von Sachverständigen für gut befunden worden.

Überquerung bleibt grob

Das Band aus Granitplatten wird entlang der Häuserfronten vom Kulturzentrum im Halbrund bis zum Platz vor der Brückengasse (Buchhandlung Homburger & Hepp) verlaufen und weiter auf der Nordseite des Platzes entlang dem Gebäude des Bischöflichen Bildungswerks hinab in Richtung Theatergasse. Die einzelnen Straßenüberquerungen bleiben grob gepflastert, auch das breite Stück vor der Brückengasse erhält kein Granitplattenband.

(gro) In der Praxis wird das neue, grobe Pflaster des Münsterplatzes trotz der teilweise massiven Kritik bis jetzt ganz gut angenommen. Vor allem am Kulturzentrum, wo sich auf einem schmalen, neu angelegten Streifen derzeit die Passanten drängen, sieht man täglich auch Behinderte und auch Mütter mit kleinrädrigen Kinderwagen zwar etwas mühsam, aber heil und manchmal sogar ausgesprochen flott vorankommen.

Unstreitig ist aber auch, dass die nun beschlossene Einfassung aus Granitplatten eine wesentliche Verbesserung der Situation bringt, dazu eine ästhetische Aufwertung des gesamten Münsterplatzes. Schade, dass eine solche Lösung nicht schon früher präsentiert wurde.

Dass eine möglichst ungestörte Bepflasterung das Allerschönste ist, leuchtet nicht ein. Es ist schließlich nicht nötig, sich ausschließlich am Freiburger Münsterplatz zu orientieren, der tatsächlich großflächig grob und einheitlich gepflastert ist.

Wozu hat Konstanz eigentlich eine italienische Partnerstadt, möchte man da fragen. Die Piazza von Lodi gilt als einer der schönsten Plätze Norditaliens, angelegt vor über 800 Jahren, grob gepflastert - und durchsetzt mit breiten, gehfreundlichen Marmorbändern, von den breiten, mit großen Steinplatten belegten Gehwegen rings um den Platz ganz zu schweigen...

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