
08.08.2005 | Im Stadtgarten: Rosemarie Arend ist sauer

Die Macht über die Poller
Konstanz (gro) Wer gedacht hat, mit automatisch versenkbaren Pollern breche in Konstanz die städtische Moderne an, wird sich noch wundern. Eine erste Installation der neuen Errungenschaft, vollzogen am Bahnübergang vor dem Stadtgarten, hat das Kontrollbedürfnis der Kommunalverwaltung noch vor der eigentlichen Inbetriebnahme der beweglichen Rundlinge deutlich erhöht. Endlich kann wenigstens dort ein unbefugtes Vordringen von Fahrzeugen nicht nur verboten, sondern auch tatsächlich verhindert werden, und zwar auf Knopfdruck. Inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, dass man im Rathaus das Auf und Ab der Poller als hoheitlichen Akt versteht.

Diese Erkenntnis erschließt durch die Lektüre eines Schreibens an Rosemarie Arend (oben links). Die Stadtgarten-Wirtin wird darin aufgefordert, den Betrieb ihres Pavillons "so zu organisieren, dass Ihre Lieferanten vor 10 Uhr morgens" anliefern können. Denn auch für den Pavillon und die Zufahrt dorthin gelte die Vorschrift, dass Fußgängerzonen nur von 6 bis 10 Uhr für den Lieferverkehr frei gegeben werden. Nur während der betreffenden vier Stunden bleiben die Poller versenkt. Und jetzt ist die Rosi sauer, und wie!
In 15 Jahren keine Beschwerde
Seit 15 Jahren bewirtschaftet Rosemarie Arend unweit des Gondelhafens den stadteigenen Pavillon mit Kiosk. Nie gab es Beschwerden wegen der Anlieferung. Wenn sich jemand beschwerte, war es meistens Rosi selber, wenn sie sich über wild parkende Autos ärgerte, die sich auf den Konzilsvorplatz oder auf den Weg zum Pavillon geschmuggelt hatten. Den Pavillon öffnet sie, je nach Wetterlage, zwischen 10 und 11.30 Uhr. Je nach Kundenfrequenz bleibt er zugänglich bis zum späteren Abend oder frühen Morgen.
Die behördlich erlaubten Zeiten für die Anlieferung sind für den Betrieb des Stadtgartenpavillons aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen, weil er frühestens um 10 Uhr geöffnet wird, zum anderen, weil die insgesamt 18 Lieferanten, die zum Teil große Gebiete versorgen, unmöglich alle bis 10 Uhr Konstanz erreichen können. Rosi hat dies dem Bürgeramt berichtet. Doch dort sieht man, wie ihr mitgeteilt wird, keine so schwer wiegenden Gründe, dass eine Ausnahmegenehmigung möglich wäre. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass sich Rosi Arend im Pachtvertrag mit der Stadt damit einverstanden erklärt hat, dass sich die Anlieferung des Pavillons zwischen 8 und 10 Uhr abzuspielen hat.
"Umfassende Informationen" erforderlich
Trotzdem wird die Stadtgartenwirtin darauf aufmerksam gemacht, dass für "einzelne Lieferanten" bei "besonders gewichtigen Gründen" eine Sondergenehmigung beantragt werden kann. Diese Gründe sind "darzulegen", und zwar in Form von "umfassenden Informationen über die Lieferzeit und die technischen Daten (PKW-LKW; Tonnage; Diesel mit oder ohne Partikelfilter etc.) und das Kennzeichen des Fahrzeugs". In "unabweisbaren Sonderfällen" seien darüber hinaus "telefonische Einzelgenehmigungen" zu erhalten. "In dringenden Fällen" könne "auch die Zufahrt über die Hafenstraße genehmigt werden, da diese nicht baulich gesperrt ist".
Im Übrigen wird auf die "Ladebucht" vor den neuen Pfosten verwiesen. Ein "normales Lieferfahrzeug" könne dort zum Be- und Entladen anhalten. Rosi: "Soweit kommt's noch, dass ich jemanden anstellen muss, der mir die Sachen zum Pavillon oder von dort zum Lieferwagen schleppt!"
Was bürgernah wäre
Die Stadtverwaltung ist gewiss nicht zu beneiden in ihrem Bemühen, die Fußgängerzonen der Altstadt vor dem motorisierten Fahrzeugverkehr zu schützen. Die automatisch versenkbaren Poller machen das einfacher. Wobei sich die Befürchtung geradezu aufdrängt, dass die Verwaltung an den neuen Pollern weniger schätzt, dass sie so leicht zu versenken sind. Viel wichtiger ist es den Hütern der Ordnung anscheinend, dass sie so bequem ausgefahren werden können.
Man könnte sich alles auch ganz anders vorstellen. Durchaus naheliegend wäre es, die Macht über die neuen praktischen Poller an die Bürger abzugeben, und zwar an die Geschäftsleute, die innerhalb der Fußgängerzonen auf den Lieferverkehr angewiesen sind. Die Lieferanten wissen längst, dass spätestens bis 10 Uhr angeliefert werden muss, wenn es irgendwie zu machen ist. Ausnahmen wird es immer geben, aber der bürokratische Aufwand für Sondergenehmigungen sollte sehr klein gehalten und einvernehmlich abgewickelt werden. Das wäre bürgernah.
Die wirklichen Brennpunkte
Die wirklich problematischen Brennpunkte in Sachen Lieferverkehr sind in der Neugasse/Ecke Bruderturmgasse (wo Karstadt den ganzen Tag über versorgt werden muss) und in der Münzgasse (Woolworth) zu besichtigen. Dagegen ist zum Beispiel die Anlieferung für den Stadtgartenpavillon weniger als ein (Verzeihung!) Mückenschiss.
Weitere automatisch versenkbare Poller werden demnächst eingebaut in die Zufahrtsstraßen rund um den Münsterplatz. Vielleicht ist Konrad Schatz, der ehemalige "heilige Bimbam" dafür zu gewinnen, dort das Kommando über die versenkbaren Poller zu übernehmen, eventuell im Wechsel mit einem Vertreter des Bischöflichen Bildungswerks oder mit Anselm Venedey, dem Wirt der Bar Wessenberg.
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