|

31.08.2005 | Kleinaktionär will Schweizer Flotte kaufen

Der Maschinist und der große Unbekannte
Konstanz/Romanshorn (fsf/gro) Flavio Cason will's packen und den Stadtwerken Konstanz im letzten Moment die Schweizer Oberseeflotte doch noch abjagen. Morgen, am 1. September, ist der entscheidende Tag. Auf 11 Uhr haben die Schweizerischen Bodensee-Schiffsbetriebe zur Vollversammlung ihrer Aktionäre geladen. Flavio Cason, Maschinist der Schweizer Flotte, hat zwar nur eine einzige der insgesamt 923 Aktien. Doch hinter ihm steht ein "großer Unbekannter". Und der will Cason mit einem Kredit helfen, das satzungsgemäße Vorkaufsrecht auszuüben. Die Hauptaktionärin, die SBB, die satte 97,4 Prozent der Aktien besitzt, will morgen erst einmal die Satzung ändern und das womöglich verhängnisvolle Vorkaufsrecht tilgen. Ob es dazu kommt, ist nicht sicher.

Flavio Cason hat jedenfalls angekündigt, er werde gegen eine solche Satzungsänderung gerichtlich vorgehen, und zwar bis in die letztmögliche Instanz. Wie man hört, gibt es einige Anwälte, die dem Maschinisten bereits ihre Unterstützung zugesichert haben. Insider geben zu verstehen, dass Cason durchaus Chancen habe, einen solchen Rechtsstreit zu gewinnen: Wenn die derzeit geltende Satzung ein Vorkaufsrecht von Aktionären vorsehe, sei es absurd, den entsprechenden Passus tilgen zu wollen, um einen anderweitigen Verkauf zu ermöglichen. Denn der Passus solle ja genau das verhindern helfen.
Beobachter fragen sich, warum die Stadtwerke Konstanz, die 2003 bereits die Schiffsbetriebe der Deutschen Bundesbahn übernahmen, nicht wenigstens versucht haben, sich im Vorfeld ein paar Aktien der Schweizer Flotte zu sichern. Dann hätten sie ebenfalls ein Vorkaufsrecht und es würde das bessere Angebot entscheiden. Denkbar ist auch, dass die Stadtwerke ihr Angebot erhöhen und dass der "große Unbekannte" angesichts des Kostenzuwachses die Lust verliert und Kleinaktionär Cason die Unterstützung nicht mehr geben mag.
Wie auch immer: Die kommenden Tage werden spannend, und der Ausgang des Krimis steht noch nicht fest. Denn Flavio Cason hat eine weitere Hürde genommen und zusammen mit dem Kaufmann Rolf Beerli ein Konzept für Übernahme und Sanierung der Flotte ausgearbeitet. Wie man hört, sollen drei der vier Fahrgastschiffe durch kleinere Einheiten ersetzt und die im Jahre 1932 erbaute "Thurgau" in ein nostalgisch-romantiches Salonschiff verwandelt werden.
Das Konzept soll ferner vorsehen, die allfälligen Verluste von Fahrgastschifffahrt und Fährbetrieb (zwischen Romanshorn und Friedrichshafen) durch Überschüsse aus den selbständig als Proficenter organisierten Bereichen Werftbetrieb, Hafenbetrieb und Gastronomie auszugleichen. Auch eine Reduzierung des Personals soll die Ertragslage verbessern.
Eingeweihte sind sich im Klaren darüber, dass es vor allem die mit den Schiffsbetrieben verbundenen Immobilien sind, die nicht nur die Stadtwerke Konstanz, sondern auch Schweizer Investoren zu reizen vermögen. Es heißt, dass mit den drei Hafenanlagen der Flotte insgesamt 74.000 Quadratmeter Grund und Boden verbunden sind (zum Vergleich: Das Konstanzer Lago erhebt sich auf 14.000 Quadratmetern). Hinzu kommen enorme Wasserflächen, die für Liegeplätze von Booten genutzt werden dürfen.
Wieviel die Stadtwerke den SBB für den Erwerb der Flotte bieten, ist bislang nicht in Erfahrung zu bringen. Der Preis dürfte sich an den 4,6 Millionen Franken orientieren, mit denen das Aktenkapital der Schweizer Schiffsbetriebe ausgewiesen ist.
Die Stadtwerke Konstanz, die sich mit der Hauptaktionärin, der SBB, bereits zum Jahresbeginn handelseinig waren, haben wiederholt versichert, sie würden nach einem Erwerb die Kantone St. Gallen und Thurgau sowie die Städte Kreuzlingen, Romanshorn und Rorschach an den Schiffsbetreiben beteiligen. Diesen Gedanken hat Flavio Cason aufgegriffen, allerdings kehrt er den Spieß um - und bietet nun den Stadtwerken Konstanz an, sich an "seiner" Flotte zu beteiligen.
Ganz allein ist Flavio Cason nicht mit seiner Aktie Nummer 888. Insgesamt 24 Mitarbeiter der Schweizerischen Schiffsbetriebe erhielten am 30. September 1988 je eine Aktie im Nennwert von je 5000 Franken. Das sind 2,6 Prozent des Aktienkapitals. 97,4 Prozent halten nach wie vor die SBB. Die 24 Mitarbeiter wurde im vergangenen Mai von ihrer Geschäftsleitung gebeten, auf ihr Vorkaufsrecht zu verzichten und dem Verkauf der Flotte an die Stadtwerke Konstanz zuzustimmen.
Über den "großen Unbekannten", der Flavio Cason und seinen Mitstreitern helfen soll, ist bislang wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Lediglich so viel: Es soll sich um einen einigermaßen vermögenden Oberthurgauer Kaufmann handeln, der auch politisch engagiert ist. Gegen Ende September, so heißt es, werde er sich outen.
Diese Seite drucken (PC)
|
|