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19. März 2007 | Heute Beerdigung auf dem Hauptfriedhof

Walter Zepf – ein Querdenker, der seiner Zeit voraus war

Konstanz (gro) Manchmal ist ihm die Lösung eines Problems mitten in der Nacht, gewissermassen halb im Traum eingefallen. Dann stand Walter Zepf auf, setzte sich in seinen Mercedes, brauste in die Byk-Gulden-Straße und probierte aus, was ihm durch den Kopf gegangen war. Fast immer ging es um komplizierte schmierungstechnische Angelegenheiten. So schwierig diese Probleme auch waren – Zepf löste sie fast alle und ist dadurch weltweit erfolgreich geworden. Ende dieses Monats hätte er seinen 82. Geburtstag feiern können. So lange es sein Gesundheitszustand zuließ, hatte er gearbeitet, fast bis zuletzt. Doch nun hat er sich endgültig verabschiedet. Walter Zepf wird am heutigen Montag um 10.45 Uhr auf dem Hauptfriedhof beerdigt. Mit ihm verliert Konstanz nicht nur einen begnadeten Tüftler und Erfinder, sondern auch einen leidenschaftlichen Querdenker. Einige Stationen aus seinem Leben sollen deutlich machen, was damit gemeint ist.

Chemiekonzerne bissen sich die Zähne aus

Produkte aus dem Hause Zepf sind weltweit verbreitet. Dabei sind es keine Massenprodukte, sondern ausgesprochene Spezialitäten. So hat Walter Zepf vor 20 Jahren zum Beispiel einen Stoff entwickelt, mit denen sich Wasserturbinen schadlos schmieren lassen. Bis dahin wurden in solchen Turbinen Schmierstoffe auf Mineralölbasis verwendet - mit der unangenehmen Folge, dass sich unterhalb des Wasseraustritts immer wieder Ölfilme auf Gewässern bildeten. Dank Walter Zepf wurde das abgestellt. In Labors großer Chemiekonzerne analysierte man die weiße, fettig anmutende (und übrigens schadlos essbare) Schmierungs-Paste aus Konstanz, um sie nachzubauen. Das ist bis heute nicht gelungen.

Hoflieferant für Daimer-Crysler

Einmaligkeit gilt auch für zahlreiche andere Produkte aus dem Labor von Zepf, der vor allem der Autoindustrie half, Produktionsprozesse entscheidend umweltverträglicher und gleichzeitig auch noch wesentlich kostengünstiger zu gestalten. Die Konstanzer Firma wurde dadurch auch zu einer Art Hoflieferant von Daimler-Benz und beliefert inzwischen auch den Daimler-Crysler-Konzern. Spezielle Öle aus dem Hause Zepf halten Getriebe von Rennwagen geschmeidig, und die Münchner Verkehrsbetriebe schwören seit Jahrzehnten auf ein Schmieröl aus dem Hause Zepf für den reibungslosen – und eben auch umweltfreundlichen – Betrieb der fast 1000 öffentlichen Rolltreppen im U-Bahn- und S-Bahn-Bereich.

Unter dem Schutz der US-Regierung

Ein spezielles Trennmittel aus Zepfs Labor erlaubt es, härtesten Stahl kalt zu schmieden, ein Verfahren, nach dem der größte US-amerikanische Hersteller Hinterachsen für Lastwagen ebenfalls besonders umweltfreundlich produzieren kann. Nicht zuletzt deswegen ließ die US-amerikanische Regierung den Zepf’schen Betrieb in der Byk-Gulden-Straße eine Zeitlang unter besonderen Sicherheitsschutz stellen. Auch die Kettenglieder der Leopard-Panzer werden dank Zepfs speziellem Trennmittel kalt geschmiedet. Der Konstanzer entwickelte unter anderem ein umweltunschädliches Hydrauliköl für große Karosseriepressen US-amerikanischer Autofabriken, und im norditalienischen Maranello erhält die Karosserie des Ferrari ihre endgültige Ausformung mit Hilfe eines ölähnlichen Trennmittels, das von Walter Zepf in der Konstanzer Byk-Gulden-Strasse entwickelt wurde.

Der prinzipiell andere Denkansatz

Immer wieder lehrte Walter Zepf mit seinen Erfindungen die großen Mineralölfirmen das Fürchten. Während jene danach trachten, ihr Öl zu vermarkten, also daraus möglichst viele Produkte, etwa auch Schmierstoffe, zu entwickeln, hatte Walter Zepf einen prinzipiell anderen Denkansatz: Wie vermindere ich Reibung möglichst umweltfreundlich, dazu Mensch, Tier und Natur schützend - und kostengünstig?! Etliche seiner Erfindungen hat Zepf, der aus Rietheim im Kreis Tuttlingen stammte und sich nach dem Krieg in Konstanz niederließ, patentieren lassen.

Zepf sprach an der Kreml-Mauer

Nicht nur in Sachen Schmierungstechnik schlug der Konstanzer neue Wege ein. Er war auch sonst ein Querdenker. Typisch dafür war etwa, dass er bereits Ende der fünfziger Jahre eine Rallye nach Moskau plante, wenig später tatsächlich zwei stürmische Autoreisen in die UdSSR anführte und damit als Erster nach dem Zweiten Weltkrieg eine Russland-Rallye realisierte. Am Grab des unbekannten Soldaten an der Kreml-Mauer hielt Zepf damals, zwei Jahrzehnte vor Verabschiedung der so genannten Ostverträge, eine Rede, in der er die Aussöhnung Russlands und Deutschlands beschwor - Aktivitäten, die ihm seinerzeit nicht nur die persönliche Bekanntschaft von Semjon Konstantinowitsch Zarapkin, dem späteren Botschafter Russlands in Bonn, einbrachte, sondern vorübergehend auch die besondere Aufmerksamkeit des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND).

Mit zwei Tonnen Medikamenten nach Moskau

Nach dem Zerfall der UdSSR und nachdem schwierigste soziale Probleme in Russland bekannt geworden waren, wandte sich Zepf 1991 an deutsche Pharmaproduzenten, sammelte zwei Tonnen Medikamente ein, verfrachtete sie in Frankfurt eigenhändig in eine Aeroflotmaschine und flog mit nach Moskau, um die Verteilung der Hilfsgüter, zu denen auch Hunderte von Brillengestellen gehörten, zu überwachen. Später erwarb er in Alaska zwei große Waldstücke, die heute Dieter Zepf, sein ältester Sohn, bewirtschaftet. Der hat dort, gegenüber von Nordwestsibirien, eine Blockhaussiedlung für Feriengäste aufgebaut.

Bei Manuel Zepf in besten Händen

Bei Manuel Zepf, einem Diplomingenieur, dem zweitältesten Sohn Walter Zepfs, ist die angestammte Konstanzer Firma in besten Händen, und noch immer hält Hilde Zepf, die Frau des verstorbenen Seniorchefs, die kaufmännischen, weltweit gespannten Fäden in den Händen. Ein dritter Sohn, Mathias, hat sich als studierter Maschinenbauer in Australien eine Existenz aufgebaut. Sie alle, und ihre Angehörigen, treffen sich heute, um von einem ungewöhnlichen Mann Abschied zu nehmen, der von einem leidenschaftlichen inneren Unabhängigkeitswillen geprägt war und der der Welt eine Menge hinterlässt.

Politisch unabhängig und stets hilfsbereit

Einmal, in den achtziger Jahren, als es galt, einen neuen Stuttgarter Landtag zu wählen, finanzierte Zepf dem damaligen SPD-Kandidaten Erwin Reisacher eine Wahlkampfanzeige, weil er „den Sozi und sein Engagement “ schätzte. Seine Stimme gab Zepf damals den Grünen, doch seine Mitgliedschaft in der CDU kündigte er keineswegs auf. Das war Walter Zepf, wie er leibte und lebte. Politischen Parolen begegnete er mit großem Misstrauen. Wenn er echte Not entdeckte, konnte er eine grandiose Hilfsbereitschaft an den Tag legen; einmal organisierte er eine weltweite Suche nach geeigneten Knochenmarkspendern für Leukämiekranke und war auch bereit, sich beim Aufbau einer entsprechenden Datenbank zu engagieren.

Walter Zepf hat wohlvorbereitet Abschied genommen von dieser Welt, er war auch ein tiefgläubiger Christ. Das und eine fürsorgliche Pflege im Famileinkreis half ihm, sein Krebsleiden zu ertragen, das vor knapp zwei Jahren entdeckt wurde und das ihn nun bezwungen hat.



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