Dornröschen » Blog Archive » Aufbruch beim „Südkurier“: Man will sich neu erfinden
Leserkommentare
 
Sponsoren
20. Februar 2011 | Belegschaft lotet Ãœbernahme-Chancen aus

Aufbruch beim „Südkurier“: Man will sich neu erfinden

Konstanz (gro) Am Bodensee könnte demnächst Zeitungsgeschichte geschrieben werden. Denn der Südkurier ist dabei, sich neu zu erfinden: als journalistisches Druckerzeugnis, das künftig den eigenen Machern und der eigenen Kundschaft gehören soll, den Redakteuren ebenso wie den Druckern, den geschäftsführenden Kaufleuten ebenso wie den Sekretärinnen, heimischen Banken ebenso wie möglichst grossen Teilen der Leserschaft. Knapp 80 Millionen Euro, so schätzen Fachleute, wären aufzubringen für diese medienpolitische Revolution. Vorgespräche mit Banken hat es bereits gegeben. Dass sich der Südkurier neu erfinden will, wird von Beobachtern der Medienszene als eine besonders aussichtsreiche Reaktion auf die anhaltende Krise der gedruckten Medien angesehen.

Durchweg positive Reaktionen aus der Bürgerschaft

Erste Reaktionen aus der Bürgerschaft sind durchweg positiv. Für eine Ãœbernahme der Zeitung wären zunächst etwa 10 Millionen Euro aufzubringen. Die etwa 700 Köpfe zählende Belegschaft der “Südkurier”-Gruppe kann das nicht alleine stemmen. Deswegen wären Engagements aus der Bürgerschaft nötig. Um die oben erwähnten 80 Millionen zusammen zu bekommen, müssten auch die heimischen Banken mitmachen. Kurzum, nur mit einer breit getragenen, gemeinsamen Anstrengung wäre das - möglicherweise sogar grenzüberschreitende - Vorhaben zu meistern.

Ein Neukonzept zur rechten Zeit

Eine Tageszeitung, die von ihren Lesern und Machern, mehr als je zuvor, wertend und transparent mitbestimmt wäre – sie wäre ein weltweit beobachtetes Experiment. Für ein Medium, das sich selber “Heimatzeitung” nennt, käme es nach Ansicht professioneller Beobachter „gerade zur rechten Zeit“. Es böte auch Gelegenheit, das Prinzip der redaktionellen Unabhängigkeit auf regionaler und lokaler Ebene neu zu definieren. Auf der anderen Seite würde sich die Leserschaft wie nie zuvor mit “ihrer” Zeitung identifizieren können.

“Endlich vom Kopf auf die Füsse stellen”

Zur gegenwärtigen Situation bei vielen Regionalzeitungen passt der Kommentar eines Konstanzer Stadtrats. Mit den Zeitungen, sagte Jürgen Wiedemann (Neue Linie Konstanz) in diesen Tagen, sei es “ein bisschen wie mit den politischen Parteien”. Es sei nun schon bald zwei Jahrzehnte her, dass alle Parteien das zunehmende Desinteresse der Wählerschaft, ihrer Kundschaft, beklagen und stets von neuem ankündigten, künftig “alles anders zu machen”. Im Wesentlichen sei bisher aber alles so geblieben wie es immer war. Insofern sei es sicher richtig, wenn der Südkurier nun “vom Kopf auf die Füsse” gestellt würde.

Weltweit 16.500 Mitarbeiter

Der Südkurier gehört mit seinen angeschlossenen Betrieben seit 1992 zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck. Zuletzt wurde ein Jahresumsatz des international engagierten Unternehmens in Höhe von fast 2,4 Milliarden Euro bekannt gegeben. Weltweit beschäftigt Holtzbrinck etwa 16.500 Menschen. Zahlen zur Ertragslage der Südkurier-Gruppe werden nicht bekannt gegeben, was die Vorverhandlungen mit Banken und potentiellen Investoren erschwert. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Südkurier-Gruppe nach wie vor schwarze Zahlen schreibt.

Eine Folge der anhaltenden Unsicherheit

Seit einigen Jahren steigen immer wieder Gerüchte auf, die Stuttgarter Konzernmutter wolle den Südkurier ebenso abstossen wie ihre anderen Regionalzeitungen. Stefan von Holtzbrinck, 47, der im Mai 2001 die Konzernleitung übernahm, wird als treibende Kraft dieses Verkaufskurses angesehen. Für den Südkurier wurde bislang offenbar kein Käufer gefunden. Dies dürfte zumindest vorerst daran liegen, dass die bisher in Frage kommenden Interessenten, darunter auch der Schwäbische Verlag Leutkirch, von den Kartellbehörden in Schach gehalten werden. Die anhaltende Unsicherheit hat die Bemühungen um eine Übernahme des Unternehmens Südkurier durch die Beschäftigten ausgelöst. Birgit Orlowski, Infografikerin und Vorsitzende des Betriebsrats, soll es gewesen sein, die diesen Gedanken erstmals laut formulierte und während einer Betriebsversammlung gewissermassen in den Ring warf. Peter Ludäscher, Leiter der Wirtschaftsredaktion beim Südkurier, wurde von der Belegschaft zum Abgeordneten für erste Sondierungsgespräche mit Banken und allfälligen Investoren bestimmt.




 Kommentieren    Trackback    Drucken

Ein Kommentar

  1. 1. Zong

    Ich stemme mit, falls das Geschäftsmodell besser ist als bei taz und WOZ.

Neuen Kommentar schreiben ...