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10. Januar 2006 | Georg Lind holt Leoluca Orlando nach Konstanz

Der Mann, der Palermo veränderte

Konstanz (gro) Leoluca Orlando, der Mann, der Palermo ein neues Gesicht gegeben hat, ist am Donnerstag, 12.Januar, im Stefanshaus einen Abend lang zu Gast in Konstanz. Mit seiner Zivilcourage, die zeitweise selbstmörderische Züge hatte, gelang es Orlando als Bürgermeister der sizilianischen Metropole, den Einfluss der scheinbar allmächtigen Cosa Nostra entscheidend zurückzudrängen. So konnte sich die Bürgerschaft, die Jugend vor allem, die eigene Stadt zurückerobern. Nach Konstanz geholt wird Orlando von Uni-Professor Georg Lind („Moral ist lehrbar“). Orlando spricht um 20 Uhr im Saal des Stefanshauses.

Passt in die Landschaft

Der Auftritt des Sizilianers passt exakt in die hochschulpolitische Landschaft. Denn am Donnerstag wird an der Universität eine dreitägige Tagung deutschsprachiger Moralforscher eröffnet. Besonders gefördert wird die Veranstaltung von der Sparkasse Bodensee, unterstützt von der Buchhandlung Homburger & Hepp, von Konstanzer Richter- und Staatsanwaltsverein, von der Universitätsgesellschaft und vom Hotel Barbarossa.

Couragierte Politiker haben für Georg Lind, der sich „Moral- und Demokratie-Psychologie in Bildung und Weiterbildung“ als Arbeitsbereich ausgesucht hat, das Potential idealer Begegnungen. Ende Mai 2005 hatte Lind für ein Treffen mit Antanas Mockus gesorgt, einem ähnlich mutigen und kreativen Politiker von akademischen Graden, der eine Zeitlang Bürgermeister von Bogotá war und dieses Jahr für das Präsidentenamt in Kolumbien kandidieren wird.

Einst jüngster Rechtsprofessor Italiens

Zurück zu Leoluca Orlando, der Europa-weit bekannt wurde wegen seines Engagements gegen die organisierte Kriminalität und gegen Korruption. Heute gehört Orlando, 58, zu den meistdekorierten Persönlichkeiten unserer Zeit. Seine berufliche Laufbahn hatte er nach seinem Jurastudium, das er unter anderem in Heidelberg absolvierte, als jüngster Rechtsprofessor Italiens an der Universität Palermo begonnen. Er wurde Berater der OSZE in Paris und ein enger Mitarbeiter von Piersanti Matatarella, dem damaligen Ministerpräsidenten der Region Sizilien, der 1980 von der Cosa Nostra in Palermo ermordet wurde.

Es war eine politische Revolution

Im selben Jahr wird Orlando als Mitglied der Democrazia Cristiana ins Stadtparlament von Palermo gewählt, das ihn 1985 zum Bürgermeister macht. Es war damals eine landesweit beachtete, politische Revolution, als Orlando eine Koalition schmiedete, die auch die Linken mit einbezog. Doch es gelang Orlando, in der 800.000 Einwohner zählenden Stadt eine Politik in Gang zu setzen, die die angestammte und scheinbar zementierte Vetternwirtschaft mit all ihren gegenseitigen Abhängigkeiten beendete und den Bürgern den „Frühling von Palermo“ bescherte.

Jede Nacht an einem anderen Ort

Seit Orlando damals die vermeintlich unantastbaren mafiösen Geschäftsverbindungen der Cosa Nostra mit der Stadtverwaltung entscheidend einschränkte und teilweise ganz kappte, steht er auf der Abschussliste der Verbrecherorganisation. Es gab Zeiten, da übernachtete Orlando jede Nacht an einem anderen Ort, mit Vorliebe in Kasernen der Carabinieri, der uniformierten italienischen Bundespolizei. Die ganz heiße Zeit, die mit der Ermordung der beiden populären Palermitanischen Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992 ihren grausamen Höhepunkt fand, ist mittlerweile überstanden. Doch auf Polizeischutz und bodyguards kann Orlando bis heute nicht verzichten.

Als es nach einer Änderung der Wahlgesetze 1993 in Italien zur Volkswahl der Stadtoberhäupter kommt, wird Leoluca Orlando mit überwältigenden 75 Prozent der Stimmen in seinem Amt als Stadtoberhaupt bestätigt. Da hat er sich bereits von der Democrazia Cristiana losgesagt und die Anti-Mafia-Bewegung La Rete (das Netz) ins Leben gerufen.

Palermo ist nicht wiederzuerkennen

Nun setzt er radikale Reformen in Gang, die das Leben in Palermo stellenweise regelrecht umkrempeln. Heute ist die Altstadt von Palermo, in deren dunkle Gassen sich bis dahin am Abend und in der Nacht kaum jemand traute, eine Ansammlung von Treffpunkten für jung und alt, mit Hunderten von neuen Lokalen und einem pulsierenden Leben. Kirchen und Paläste, die Jahrzehnte lang wegen Baufälligkeit geschlossen waren, wurden wieder zugänglich gemacht, restauriert und ins öffentliche Leben einbezogen.

Orlandos Amtszeit als Bürgermeister (einen „Ober“bürgermeister kennt man in Italien nicht), endete im Jahre 2000. Da war Orlando bereits ins Europaparlament gewählt und Mitglied verschiedener EU-Kommissionen. 2001 zog er mit einem triumphalen Ergebnis als Oppositionsführer in den Normannenpalast ein, das von Berlusconi-Anhängern (noch) dominierte Sizilianische Regionalparlament.

Engagiert und kreativ

Leoluca Orlando kommt, wie man hört, direkt aus Palermo nach Konstanz. Am Tag darauf wird er in Zürich erwartet,bevor er zurück fliegt nach Palermo. Er ist ein gefragter Mann, auch als Präsident des s Istituto per il Rinascimento Siciliano (Institut für die Sizilianische Wiedergeburt). Für die Kreativität des Sizilianers, der politisch engagierte, aber auch erbauliche Bücher schreibt, spricht unter anderem der italienische Fernsehfilmpreis, der ihm 1994 „als bestem Schauspieler im besten Film des Jahres“ zuerkannt wurde (in Gorni contati, „Gezählte Tage“).

Blick auf die Auszeichnungen

Für seine Verdienste um eine humanere und gerechtere Gesellschaft wurde Orlando unter anderem von König Juan Carlos in Madrid mit dem Gran Croce al Merito Civile ausgezeichnet, in Weimar mit der Goethe-Medaille, vom Europäischen Parlament mit dem Europäischen Bürgerpreis und in Mexico City mit dem Preis Legion de Libertad. Das kolumbianische Palermo machte Orlando zum Ehrenbürgermeister auf Lebenszeit, die Solkan-Saba-Universität in Tiflis zum Ehrenprofessor, und in St. Petersburg erhielt er den Puschkin-Preis dafür, dass er aus Palermo ein internationales Zentrum für Bühnenkunst gemacht hat.



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