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4. November 2004 | Sehnsucht nach Gerechtigkeit - Hat die Justiz im Falle Berndt versagt?

Vom Millionär zum Sozialhilfeempfänger

Konstanz (gro) Tiefschlaf kann gefährlich sein. Diese Erfahrung machte der Konstanzer Zahntechnikermeister Dietrich Berndt. Bis vor zehn Jahren war er ein wohlhabender Mann. Dann machte er eine Kur - und war ruiniert. Akten und Gutachten beweisen es: Während er im künstlichen Tiefschlaf lag, wurde seine Firma, ein gut gehendes Zahnlabor in der Konstanzer Rheingutstraße, in den Konkurs manövriert und geplündert. Wenig später musste er mit ansehen, wie man seine beiden Eigentumswohnungen veräußerte. Dietrich Berndt wurde aus seinem Penthouse geräumt, und wenn ihn das Sozialamt nicht in die Pension Gretel eingewiesen hätte, wäre der Mann, der kurz zuvor noch Millionär gewesen war, nicht nur mittellos, sondern auch noch obdachlos geworden. Alles begann 1994. Seit damals wehrt sich Dietrich Berndt gegen das Unrecht. Vergeblich. Hat die Justiz versagt? Noch sind nicht alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft. Doch die Hoffung auf ein “Happy End” wird immer kleiner.

Dietrich Berndt wäre vor zehn Jahren obdachlos geworden, hätte ihn das Sozialamt nicht in die Pension Gretel eingewiesen, den Mann, der kurz zuvor noch als Millionär in einem Penthouse gewohnt hatte. Das grundlegende Drama spielte sich 1994 und 1995 ab. Seit damals wehrt sich Dietrich Berndt gegen das Unrecht, das ihm widerfuhr. Er bemühte Gerichte und den Staatsanwalt und verschliss ein Dutzend Anwälte.

Die schier unglaubliche Geschichte hatte ihren Auftakt im Frühjahr 1994. Dietrich Bernd litt massiv unter privatem und beruflichem Stress. Seine Frau wollte sich von ihm trennen und er war alkoholkrank geworden. Eine Entgiftungskur in einer norddeutschen Spezialklinik sollte ihm wieder auf die Beine helfen. Bevor er von seinem Bruder abgeholt wurde, unterschrieb er, schwer krank, ein Papier. Darauf stand, dass er aus gesundheitlichen Gründen um den Verlust seiner Geschäftsfähigkeit fürchte und zu seinem eigenen Schutz vorübergehend unter die Vormundschaft eines Betreuers gestellt werden wolle.

Am 13. Mai 1994 trat Dietrich Berndt seine Entgiftungskur an. Noch während er in der Spezialklinik im künstlichen Koma lag, am 30. Mai 1994, erwirkten seine Frau und der stellvertretende Laborleiter vor dem Amtgericht Konstanz die Entmündigung Berndts. Einige Tage später, am 6. Juni, wurde von dem stellvertretenden Laborleiter eine eigene Firma ins Handelsregister eingetragen. Sie betrieb ihr Geschäft in den angestammten Räumlichkeiten. Für die Firma Berndts wurde am 8. Juli 1994 wegen angeblicher Zahlungsunfähigkeit Konkurs angemeldet. Dietrich Berndt war zwar gesund und voller Tatkraft bereits Anfang Juli aus der Kur zurück nach Konstanz gekommen. Doch er war inzwischen durch die Entmündigung lahm gelegt.

Berndt waren die Hände gebunden; er kam weder an eines seiner Konten noch hatte er irgendeine Möglichkeit, gegen den Konkurs anzugehen. Und sein anwaltlicher Betreuer dachte ganz offensichtlich gar nicht daran, die Vernichtung des Berndt’schen Unternehmens zu stoppen. Der Konkurs wurde am 1. August eröffnet. Der betreuende Anwalt hat laut Berndt mitgeholfen, das Zahnlabor mit seiner Einrichtung, dessen Wert von sachverständigen Stellen auf 1,34 Millionen Mark geschätzt wurde, für gerade mal 42.000 Mark (knapp 21.000 Euro) an Berndts ehemaligen Stellvertreter zu verkaufen. Dass der Konkursverwalter dieses Spiel mitmachte, war bereits Gegenstand eines juristischen Verfahrens. Es wurde jedoch eingestellt, weil es nach Ansicht des Staatsanwalts “sehr schwierig sei, dem Konkursverwalter eine böse Absicht nachzuweisen”, wie Berndt erklärt.


Immerhin wurden im Verlauf dieser staatsanwaltlichen Ermittlungen etliche Vorhaltungen Dietrich Berndts amtlich bestätigt. Ein vom Landgericht bestellter Gutachter arbeitete heraus, dass das in den Konkurs manövrierte Unternehmen Berndts keineswegs überschuldet war. Und die Zahlungsunfähigkeit hätte wohl unschwer verhindert werden können. Um beim Konkurs zu bleiben: Er zog sich fast acht Jahre hin, bis zum 18. Februar 2002. Am Ende wurden alle erstrangigen Forderungen, dazu jene der Sparkasse, zu 100 Prozent befriedigt. An Verfahrenskosten kamen weit über 50.000 Mark zusammen, und der Konkursverwalter strich über 100.000 Mark ein, während nachrangige Gläubiger immerhin mit 60 Prozent bedient wurden. Das sind Zahlen und Werte, die nahelegen, dass der Konkurs überflüssig war, umso mehr, wenn berücksichtigt wird, dass die Laboreinrichtung für einen Bruchteil ihres Wertes verschleudert wurde.

Für Dietrich Berndt blieb bis heute kein Pfennig. Und Geld, viel Geld wäre nach Ansicht von Rechtsexperten von Anfang an nötig gewesen, sich erfolgreich gegen die verhängnisvolle Entwicklung zu stemmen. Doch weil die Umstände und Abläufe des Geschehens so überzeugend die skandalöse Ungerechtigkeit erkennen lassen, findet sich immer wieder ein Anwalt, der sich der Angelegenheit annimmt. Jedes Mal muss dann Prozesskostenhilfe beantragt werden, die dann womöglich erst in der zweiten oder der dritten Instanz durchgesetzt werden kann. Und weil sich in dieser Angelegenheit Zivilrecht, Strafrecht, Fragen des Konkursrechts und des Handelsrechts vermengen, wachsen die Aktenberge, während die Zuversicht, zu einem halbwegs gerechten Abschluss zu kommen, weiter abnimmt. Die verbliebene Hoffung Berndts ruht jetzt auf Frank Gantert, der den Fall noch einmal aufgerollt hat, und zwar mit Hilfe einer Schadensersatzklage gegen die GmbH, mit der Berndts ehemaliger Stellvertreter die ursprüngliche Firma gewissermaßen aufgesaugt hat. Der entsprechende Antrag auf Prozesskostenhilfe liegt, wie man hört, seit Anfang März beim Oberlandesgericht.

Dietrich Berndt kam 1969 nach Konstanz, wo er ein Unternehmen aufbaute, das unter seiner Regie zuletzt zwölf Arbeitsplätze bot. Im Herbst 1994 wollte er eigentlich das 25-jährige Bestehen seiner Firma feiern. Statt dessen landete er in einer Pension, eingewiesen vom Sozialamt. Aus der Pension ist Berndt mittlerweile raus. Er musste ausziehen, weil er sich weigerte, die geforderte Miete zu zahlen. Denn seit zwei Jahren ist der inzwischen 67 Jahre alt gewordene Zahntechnikermeister Rentner. “Bei Bezügen von wenig mehr als 500 Euro im Monat schaut man sehr genau aufs Geld”, sagt der Mann, der niemals aufgibt..

Bange ist ihm schon. Aber Bange machen gilt nicht. Das hat Dietrich Berndt auch bewiesen, als ihn juristische Gegner, die seine Mittellosigkeit amtlich bestätigt haben wollten, zum Offenbarungseid drängten. 36 Mal wurde ihm deswegen Haft angedroht, dreimal landete er tatsächlich in einer Zelle. Doch weich geworden ist Berndt nicht. Nach zwei Tagen ließ man ihn jedes Mal wieder nach Hause.

Die Unternehmungslust sieht man Dietrich Berndt immer noch an. Er ist stets korrekt gekleidet, die Hosen haben tadellose Bügelfalten, der Gang ist stolz und aufrecht. In juristischen Fragen ist dieser zwar finanziell ruinierte, im Übrigen aber unbesiegte Mann inzwischen außerordentlich bewandert. Im vergangenen September machte er sein 12. Goldenes Sportabzeichen.

Die Hoffnung auf ein gutes Ende hat Dietrich Berndt noch immer nicht aufgegeben. Doch sie schwindet langsam doch dahin. Umso größer ist die Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Immerhin, zuletzt erhielt er Nachricht, dass sich der Bundesgerichtshof seiner Sache annehmen will.



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2 Kommentare

  1. 1. ___

    Menschlich ist er unhaltbar.

    Eigene Erfahrung.

  2. 2. immo2828

    Wenn ich sowas lese was hier los ist in diesem Land dann frage ich mich wie man da noch Lust bekommen soll sich selbständig zu machen. Dieser Mann hat sein Leben lang geschuftet und wird durch windige Gesetzesfallen ausgesaugt. Ich selber kenne einen ähnlichen Fall. Es ist einfach nur noch unglaublich was hier so abgeht.

    Der Verfasser

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