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20. März 2006 | Wellness-Visionen mit Time-Sharing

Die Wahrheit über Spatzen, Tauben und Verliebte

Konstanz (gro) Der Hauptausschuss des Stadtparlaments hat sich vergangene Woche zwar mit überwältigender Mehrheit hinter den Radolfzeller Winfried Kountz gestellt. Von Wellness-Visionen angetrieben, bemüht sich die Spitze der Stadtverwaltung jedoch weiter, dem Gemeinderat einen Bremer Investor schmackhaft zu machen, der am Hörnle ganz groß einsteigen soll. Für die allermeisten Konstanzer Gemeinderäte ist Kountz, der das „Waldhaus Jakob“ gekauft hat, so etwas wie der nachgewiesenermaßen lebenskräftige Spatz in der Hand, während der Bremer Investor Holger Pentzke eine zwar attraktive, aber keineswegs sicher greifbare Taube auf dem Dach symbolisiert.

Einige Verfechter des Bremer Interessenten führten im Vorfeld des Entscheidungsprozesses ins Feld, er, Pentzke, habe sich gewissermaßen „verliebt“ in Konstanz , in die Stadt und den Bodensee. Betreffende Äußerungen sind zumindest Marketingexperten nicht fremd, und wer ein wenig nachforscht, dem laufen unweigerlich ganz ähnliche Äußerungen des Bremer Geschäftsmannes für andere Landstriche über den Weg.

Als im September 2004 im tschechischen Marienbad das 4-Sterne-Haus Pelnar eröffnet wurde, hieß es, einer der Mitinvestoren, der Bremer Unternehmer Pentzke, habe sich auch deswegen engagiert, weil er sich „in den Jugendstilkasten verliebt“ habe („Kleine Zeitung“ vom September 2004). Der Radolfzeller Kountz macht aus seiner Zuneigung gegenüber Konstanz ebenfalls keine Mördergrube. Andererseits ist jedoch nicht bekannt, dass er sich im Hinblick auf andere attraktive Weltgegenden ähnlich enthusiastisch geäußert hätte.

Beste Bewertung

Ein solideres Gewicht dürfte haben, dass der Radolfzeller Geschäftsmann, der fürs “Waldhaus Jakob” bereits 1,3 Millionen Euro überwiesen hat, ein bemerkenswertes, jederzeit überprüfbares Rating der Banken vorweisen kann: Mit der Bestnote 1 erreicht Kountz eine Bewertung, die sich weniger als 1 Prozent der deutschen Unternehmer ans Revers heften können. Umso mehr irritiert es, dass die Stadtverwaltung in ihrer jüngsten Vorlage ausdrücklich nur auf die „nachgewiesene Bonität“ des Bremer Interessenten hinweist – und damit völlig zu unrecht unterstellt, dass es mit der Bonität von Winfried Kountz womöglich weniger gut bestellt sei.

Ein bestellter Brief

Ähnlich manipulativ wirkt ein Brief an den Gemeinderat, der von vier Konstanzer Amtsleitern und Behördenchefs gemeinsam verfasst wurde. Das offensichtlich von der Stadtspitze angeforderte Schreiben schildert den „Trend“ und das „Marktsegment“ des Wellness-Tourismus in den höchsten Tönen. Europaweit würden zur Zeit die Claims abgesteckt, heißt es in dem Brief, der von Norbert Henneberger (Touristinformation), Friedhelm Schaal (Wirtschaftsförderung/Stadtmarketing), Georg Geiger (Bädergesellschaft) und Konrad Frommer (Stadtwerke) unterschrieben ist.

Es fehlt die Infrastruktur

Es gehe um die Chance, heißt es in dem bestellten Plädoyer ans Stadtparlament, „am Horn ein Hotel im Bereich ,Medical Wellness’ auf den Flächen (der) Tennisplätze und Teilen der Eselswiese in enger Verbindung mit der Bodensee-Therme sowie unter Einbezug des “Waldhauses Jakob” und gegebenenfalls der Villa Seeheim zu realisieren“. Konstanz, so lockt der Brief, könne sich durch das Engagement des Investors aus Bremen am Bodensee eine Marktführerschaft in diesem Marktsegment sichern. Auf die Tatsache, dass Konstanz über keinerlei Infrastruktur einer Bäderstadt verfügt, wird nicht eingegangen. Ebenso wenig auf die gegebene Situation der Bauleitplanung, die im fraglichen Gebiet keinerlei Wohnbebauung vorsieht.

Time-Sharing und Wohnrechtspunkte

Durchgesickert sind inzwischen Einzelheiten zu Finanzierungsüberlegungen des Bremer Investors, der ein großes Wellness-Hotel gerne durch den Erlös aus dem Verkauf und Vertrieb von Appartements in Wohnblöcken finanzieren würde. Die sogenannten Residenzen sollen – ähnlich dem Modell Hapimag AG – über Time-Sharing vermarktet werden: über ein System, bei dem sich mehrere Eigentümer ein Appartement teilen und es in gegenseitiger Absprache und unter Berücksichtigung so genannter „Wohnrechtspunkte“ nutzen.

Zahlungskräftige Partner in Sicht

Winfried Kountz hat sich dagegen bereit erklärt, ein Wellness-Hotel ohne eine Gegenfinanzierung durch „Residenzen“ zu verwirklichen. Im Ãœbrigen steht Kountz eventuellen Ausbauten und Weiterungen am Hörnle „aufgeschlossen” gegenüber. Er sei auch in der Lage, zahlungskräftige Partner für ein Engagement in Konstanz zu gewinnen.



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5 Kommentare

  1. 1. Alfred Nagel

    Sehr gut ! Bitte weiter am Ball bleiben - politisch via Gemeindeart, journalsitisch durch Information.

  2. 2. werner Häusler

    Bemerkenswert. Seit wann sind Geschäftsführer zugleich Amtsleiter - weder
    TIK, Stadtmarketing, Bädergesellschaft noch Stadtwerke sind Ämter, son-
    dern GmbHs. Ferner: weshalb scheute sich der Vorsitzende des Aufsichts-
    rates der TIK die Vorhaben unter den Touristikern mit und bei KonTour, dem
    bisherigen Fremden-Verkehrsverein, vorzutragen und mobilisiert aus der
    Anonymität heraus kraft souveräner Willkür ein Heckenschützen-Spek-takel?
    Besten Dank für die Aufhellung des Hintergrundes, dass die GmbHs jetzt
    zur Stimmungsmache vorgeschoben und mißbraucht werden. Warum keine öffentliche Diskussion ?

  3. 3. Bernd Rimele

    Lieber Erich Gropper, lieber Frieder Schindele,

    großes Kompliment für “Dornröschen”. Schaue fast täglich gerne hinein, auch wenn die Lektüre nicht immer nur vergnüglich ist. Auch in Hannover bin ich jetzt über das Geschehen in meiner Heimatstadt Konstanz stets gut informiert. Weiter so!

  4. 4. Ekkehard Greis

    So langsam kapiere ich, was in der Verwaltung unter Wirtschaftsförderung verstanden wird… Lese Dornröschen regelmäßig und finde die Alternative bzw. Ergänzung zur Tageszeitung und anderen Blättern hervorragend.

  5. 5. Klaus Müller

    Liebes Dornröschen,

    auch ich möchte mich als nach Radolfzell verschlagenem Konstanzer dem Kompliment der teils stacheligen und deswegen auch sehr guten Hintergrundinformationen anschliessen.

    Das Stadtmarketing scheint mir aus meiner Kenntnis eh weit über seiner eigentlichen Tätigkeit und als Eventagentur zu agieren, was uns als privat finanzierten Agenturen natürlich Teile des “Konstanzer-Marktes” unzugänglich macht.

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