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Konstanz/Stuttgart (gro) Christian Lorenz, seit 2003 Intendant der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz, wird Intendant der Internationalen Bachakademie Stuttgart. Es ist eine höchst ehrenvolle Berufung. Am Titel und am Kern der beruflichen Aufgabe ändert sich zwar nichts. Trotzdem steht Lorenz, 46, vor einem gewaltigen Karrieresprung. Die von Helmuth Rilling vor 26 Jahren gegründete Bachakademie mit der Gächinger Kantorei, dem Bach-Collegium und dem „Stuttgart Festival Chor und Orchester“ gehört zu den weltweit bedeutendsten musikalischen Unternehmungen.
Ein gewichtiges Erbe ist anzutreten
Der Konstanzer Intendant wird Nachfolger von Andreas Keller, der seit über 35 Jahren mit dem Bachspezialisten Rilling zusammenarbeitet und seit Anfang der achtziger Jahre die organisatorische Leitung der Internationalen Bachakademie innehat. Keller, der am 15. Dezember 63 Jahre alt wird, war zunächst Geschäftsführer, später dann Intendant. Helmuth Rilling bezeichnet Keller, der vor drei Jahren mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde, als einen Mann mit „genialer organisatorischer Begabung und visionärem Denken“. Der Sohn des Bachforschers Hermann Keller, der lange Jahre auch die Musikhochschule Stuttgart leitete, ist studierter Musikwissenschaftler und Cellist. Er spielte als Orchestermusiker, unter anderem gründete und leitete er einst die Studentenphilharmonie Tübingen, wuchs also über die Musik in seine Führungsaufgabe als Intendant hinein.
Lorenz konnte mehrfach punkten
Lorenz dürfte als Bewerber um die Nachfolge Kellers entscheidend gepunktet haben, weil er einen ähnlichen Berufsweg hinter sich hat wie der 2008 ausscheidende Intendant. Vor seinem Dienstantritt in Konstanz war Lorenz Direktor des Schleswig-Holstein-Festivals und künstlerischer Leiter des Universitäts-Orchesters Lüneburg. Auch neben seiner Tätigkeit als Intendant der Philharmonie Konstanz arbeitet er als Dirigent immer wieder mit namhaften Orchestern.
Die weltweite Bedeutung hin oder her: Auch die Internationale Bachakademie plagen wegen der zurückgestutzten Staatszuschüsse finanzielle Sorgen. Auch in dieser Hinsicht konnte Lorenz als Bewerber Pluspunkte sammeln, unter anderem mit dem Hinweis auf sein Zusatzstudium in Sachen Marketing und Kulturmanagement und auf seine Konstanzer Aktion „1000 Freunde für die Philharmonie“, ferner mit einem hervorragenden Einspielergebnis und Aktivitäten wie den eduArt-Konzerten, der Kammermusikreihe oder den Symphonic Pops: Neuerungen, die vor allem die Jugend an die Arbeit des Konstanzer Symphonieorchesters heranführen.
Auch Teufel, Oettinger und Manfred Rommel
Die Internationale Bachakademie Stuttgart ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts. Im Zentrum der Arbeit steht das Werk Johann Sebastian Bachs. Das Konzertrepertoire reicht aber von der alten Musik über Werke der Wiener Klassik und Romantik bis zur Musik der Gegenwart. Letztere bildet einen Schwerpunkt, der sich durch zahlreiche Kompositionsaufträge und Uraufführungen manifestiert. Die Bachforschung steht im Mittelpunkt der theoretischen Arbeit.
Eingebettet ist die Akademie in ein stabiles Netzwerk. Im Kuratorium sitzen herausragende Wirtschaftsführer wie Tilman Todenhöfer, geschäftsführender Gesellschafter der Bosch Industrietreuhand KG, und Rolf E. Breuer, ehemaliger Sprecher der Deutschen Bank AG. Hinzu kommen Politiker wie Erwin Teufel, Günther Oettinger, Peter Frankenberg, Manfred Rommel (alle CDU) oder Herbert Moser (SPD), Geschäftsführer der milliardenschweren Landesstiftung Baden-Württemberg.
Dieses Jahr noch nach Toronto und Miami
Die Internationale Bachakademie veranstaltet Konzerte im In- und Ausland, Workshops für junge Musikerinnen und Musiker in aller Welt (die sogenannten Bachakademien), Meisterkurse, musikwissenschaftliche Seminare und Symposien. Noch vor den Stuttgarter Bachwochen (heute „Europäisches Musikfest Stuttgart“) gründete Helmuth Rilling 1970 das „Oregon Bach Festival“, das dieses Jahr zum 37. Mal veranstaltet wird. Bachworkshops unter der Ägide der Internationalen Bachakademie gibt es unter anderem in den USA, Kanada, in Venezuela und Argentinien. Regelmäßig sind die Ensembles der Akademie nicht nur in Europa, sondern auch in Übersee unterwegs. Dieses Jahr stehen unter anderem noch Turin, Mailand, Toronto, Hanover in New Hampshire/USA und Miami auf dem Tourneeprogramm.
Auch für Rilling wird der Nachfolger gesucht
Lorenz wird sein Amt im klassizistischen Prachtbau der Akademie am Johann-Sebastian-Platz 1 zum 1. März 2008 antreten. Beim diesjährigen Musikfest der Akademie, das in 12 Tagen, am 26. August, beginnt, wird Andreas Keller in Stuttgart seinen Nachfolger aus Konstanz offiziell vorstellen. Christian Lorenz rückt damit auf in die erste Riege der deutschen Kulturmanager. Mit der Berufung des Konstanzer Intendanten wird bei der Internationalen Bachakademie ein Generationswechsel eingeleitet. Nach Keller hat Helmuth Rilling sein Dienstende angekündigt. Der 74-jährige Künstler möchte sein Amt als Dirigent zum Juli 2010 ausklingen lassen. Zusammen mit Lorenz will er bis dahin seinen Nachfolger gefunden haben.
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