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21. September 2010 | Wenn gleich dreimal fristlos gekündigt wird

Wahnwitziges aus der Volkshochschule

Konstanz/Singen (gro) Dem Verwaltungsleiter der Volkshochschule (vhs) Konstanz-Singen ist fristlos gekündigt worden, und das sogar drei Mal. Ebenso seiner Frau, die wie er seit zwei Jahrzehnten für die vielgerühmte Bildungseinrichtung tätig ist. Die inzwischen vor dem Arbeitsgericht gelandete Angelegenheit offenbart groteske, ja teilweise geradezu wahnwitzige Züge. Dabei zeigt sich unter anderem, dass die vhs anscheinend ausgesprochen kurios organisiert ist. Landrat Frank Hämmerle (CDU) dürfte Probleme bekommen: Er ist der alleroberste Chef des Bildungsunternehmens.

Ein Scheck, den es in Wirklichkeit nicht gibt

Es war Ende Juli und es war genau zwei Tage vor dem lange geplanten Urlaubsantritt, als Reiner Schmid, 53, ins Landratsamt zitiert wurde. Der Verwaltungsleiter der vhs Konstanz–Singen wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass auch seine Frau, Gabi Schmid, vorzureiten hatte, und er kannte weder den Grund für seinen Marschbefehl noch den für seine Frau. Umso mehr, so erzählt man sich in der vhs, sei Schmid davon überrascht worden, dass er da mit einer ganzen Reihe von Vorwürfen konfrontiert worden sei, die er gefälligst innerhalb von zwei Tagen kommentieren möge.

Reiner Schmid wurde, wie dornroeschen.nu in Erfahrung bringen konnte, unter anderem vorgeworfen, er habe 20 Taschenrechner, die er fürs Abendgymnasium beschafft hatte, nicht in der Anlagebuchhaltung vermerken lassen. Auch wurde dem verblüfften Verwaltungsleiter vorgehalten, er habe für geringfügig Beschäftigte die in Vereinen durchaus übliche Ehrenamtspauschale angewendet.

Gabi Schmid werde unter anderem vorgeworfen, Statistiken geschönt zu haben. Ausserdem habe sie einen Scheck der Firma Siemens in Höhe von 5200 Euro entwendet und das Geld unterschlagen. Tatsächlich hat es den Scheck nie gegeben.

Die angebliche Informationsunterschlagung

Die Sache mit dem Scheck und den Statistiken kam erst einige Tage später aufs Tapet. In dem ersten Gespräch kurz vor Urlaubsbeginn war Gabi Schmid im Landrastamt vorgeworfen worden, sie habe der Geschäftsleitung die Information unterschlagen, dass die Kripo in der vhs gewesen sei, um gegen eine Dozentin zu ermitteln; die wohl arbeitssuchend gemeldete Dozentin, so die Kripo, habe ihr vhs-Honorar beim Jobcenter nicht angemeldet. Der Konstanzer Hauptamtsleiter Helmut Lehner sei jedoch sehr wohl über den Vorgang informiert gewesen: Lehner selber habe Gabi Schmid den Kripobeamten zugeführt und vorgestellt. Trotz der Unhaltbarkeit des Vorwurfs (Informations-Unterschlagung) war das Vertrauensverhältnis zur Direktorin und zum Vereinsvorsitzenden Hämmerle aber so nachhaltig gestört, dass sie, Gabi Schmid, sofort ihren Schlüssel für die vhs habe abgeben müssen. Ausserdem sei Gabi Schmid mit einem sofortigen Hausverbot belegt worden.

Die Spende wurde überwiesen

Die Siemens AG hat die erwähnten 5200 Euro durchaus bezahlt, allerdings auf dem Wege zweier Überweisungen an die vhs in Höhe von 2200 und 3000 Euro. Mit dem Geld wurden Alphabetisierungskurse unterstützt. Anlässlich der Übergabe der Spende wurde für die Presse das überdimensionale Abbild eines Barschecks vorgezeigt. Einen echten Scheck als Zahlungsmittel habe es dagegen nie gegeben, heisst es in eingeweihten Kreisen der vhs. Doch die Buchhaltung habe das anscheinend „nicht geschnallt“.

Auch Vorwürfe gegen Helmut Lehner

Gabi Schmid, 47, habe „noch weitere, ähnlich haltlose Vorwürfe” zur Kenntnis nehmen müssen, so eine Mitarbeiterin der vhs. Und etwa zur gleichen Zeit sei Helmut Lehner, 64, der Leiter der Hauptstelle Konstanz, mit „ebenso unerwarteten Anschuldigungen“ konfrontiert worden. Lehner, der mit einer Abmahnung davon gekommen sein soll, so heisst es weiter, habe angeblich im Zusammenhang mit Computerkursen der vhs Lizenzvorschriften von Softwareanbietern missachtet. Tatsächlich hat sich die vhs im Interesse ihrer Kunden im Hinblick auf diese Thematik schon vor Jahren mit einer in Konstanz ansässigen Spezialfirma abgestimmt.

Eine wahrscheinlich ungültige Wahl

Den drei vom Rauswurf bedrohten Beschäftigten der vhs ist gemeinsam, dass sie zum Stamm des Weiterbildungsunternehmens gehören und dass ihnen der Urlaub gründlich verdorben wurde. Und in allen drei Fällen, so heisst es, gehe die Initiative zu ihrer Entfernung von Jana Mühlstädt-Garczarek aus. Die studierte Diplom-Kulturpädagogin, 37 Jahre alt und seit 2007 bei der vhs Singen-Konstanz tätig, avancierte im Juli 2010 nach mehreren Monaten der kommissarischen Leitung zur neuen Direktorin der vhs Konstanz-Singen, gewählt vom 4-köpfigen Vorstand der vhs, von Landrat Frank Hämmerle (CDU), dem Konstanzer Kulturdezernenten und Bürgermeister Claus Boldt (CDU), seinem Singener Kollegen Bernd Häusler und dem Stockacher Bürgermeister Reiner Stolz (FWG). Doch die Wahl, so hört man, sei womöglich ungültig gewesen, ebenso ungültig wie die ersten beiden Kündigungen von Reiner und Gabi Schmid.

Vier Männer bilden den Vorstand und kontrollieren sich selbst

Der Trägerverein der vhs Konstanz-Singen, so erfährt man weiter, besteht nur aus vier, wenn auch durchaus repräsentablen Persönlichkeiten, die soeben genannt wurden: aus dem Allensbacher Vereinsvorsitzenden Frank Hämmerle, dem Konstanzer Claus Boldt, dem Singener Bernd Häusler und dem Stockacher Bürgermeister Rainer Stolz. Sie sollen sich im Übrigen selbst kontrollieren; ein Aufsichtsgremium ist jedenfalls nicht vorgesehen. Die betreffende Satzung verlangt, dass der Vorstand mindestens alle drei Jahre neu gewählt wird. So jedenfalls soll es in der Satzung des Vereins stehen, die 2004 neu gefasst wurde. Bis dahin hatten sich, laut der alten Satzung, die Oberbürgermeister von Singen und Konstanz sowie der Landrat im dreijährigen Rhythmus automatisch als Vorsitzende abgelöst. Nach der aktuell geltenden Satzung hätte die Neu- oder Wiederwahl des Vereinsvorstandes spätestens 2007 erfolgen müssen. Das ist offenbar versäumt worden.

Nach zwei Formfehlern die dritte Kündigung

Die Wiederwahl des Vorstands ist wohl vergangenen Monat nachgeholt worden. Dies würde erklären, dass die fristlose Kündigung gegen Gabi und Reiner Schmid – nach zwei bereits voran gegangenen Formfehlern - vor kurzem ein drittes Mal ausgesprochen wurde. Noch immer aber, so hört man weiter, fehle es an einer ausreichenden Begründung der fristlosen Kündigung. Eine solche Kündigung aber wäre nötig, derart altgediente und bewährte Mitarbeiter loszuwerden, auch wenn sie der neuen Vereinsleitung noch so wenig in den Kram passen. Bild: TMW




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