Dornröschen » Blog Archive » Bodensee-Flotten nicht angewiesen auf die Bodanwerft
Leserkommentare
 
Sponsoren
7. Januar 2011 | „Pleite in Kressbronn war abzusehen“

Bodensee-Flotten nicht angewiesen auf die Bodanwerft

Konstanz/Kressbronn (gro) Zwei Autofähren der Bodenseeschiffs-Betriebe (BSB) werden zur Zeit neu herausgeputzt, das eine Fährschiff im österreichischen Fussach, das andere in der Werft der Schweizer Oberseeflotte in Romanshorn. Passagierschiffe der BSB, seit 2003 eine Tochtergesellschaft der Stadtwerke Konstanz, liegen zur Revision in der hauseigenen Werft in Friedrichshafen. Das Beispiel zeigt: Man arbeitet gut zusammen rund um den grossen See im Herzen Europas. Die Hauptverantwortlichen der drei grossen Reedereien am Bodensee, zusammengeschlossen im internationalen Verband der Vereinigten Schifffahrtsunternehmen für Bodensee und Rhein (VSU), haben die sich seit Jahren abzeichnende und nun akut gewordene Pleite der Kressbronner Bodanwerft frühzeitig erkannt. Ein Kooperationsvertrag zwischen den deutschen, schweizerischen und österreichischen Schifffahrtsunternehmen ist längst ausgearbeitet und soll demnächst unterschrieben werden.

„Wir kooperieren seit Jahren über alle Grenzen hinweg”

„Seit vielen Jahren“, sagt Konrad Frommer, „kooperieren wir über alle Grenzen hinweg bestens mit Fahrplänen und anderen komplexen Lösungen.“ Da sei eine Zusammenarbeit im Hinblick auf Werften selbstverständlich, sagt der Chef der Stadtwerke Konstanz weiter. Ihnen sind die BSB als Tochtergesellschaft zugeordnet. Frommer findet die Entwicklung in Kressbronn zwar „sehr bedauerlich“, macht aber auch auf die „kreative Stärke“ des internationalen Reedereiverbunds und ihrer führenden Mitarbeiter rund um den Bodensee aufmerksam. Sowohl mit den Führungsleuten der Romanshorner Oberseeflotte als auch mit den Managern der österreichischen Flotte um den früheren Chef Walter Klaus und Neueigentümer Werner Netzer gebe es ständigen Kontakt und gutes Einvernehmen.


Konstanzer haben ein besonderes Gewicht

Den Konstanzern kommt im Verbund der VSU auf natürliche Weise besonderes Gewicht zu. Die BSB sind mit ihren ganzjährig rund um die Uhr verkehrenden Fähren zwischen Konstanz-Staad und Meersburg, mit den Fähren zwischen Friedrichshafen und Romanshorn, die mit Schweizer Partnern betrieben werden, ferner mit der Katamaran-Städteverbindung Konstanz-Friedrichshafen und mit den Saison-Kursschiffen zwischen Konstanz, Radolfzell, Überlingen, Mainau, Meersburg, Friedrichshafen und Lindau die mit Abstand grösste Flottenorganisation auf dem Bodensee und auf dem Rhein.

Frommer: „Niemand strebt nach Dominanz“

Trotz des klaren quantitativen Ãœbergewichts, sagt Konrad Frommer, strebe auf Konstanzer Seite „kein Mensch“ nach Dominanz. „Das allgemeine Einvernehmen“, sagt Frommer weiter, sei „durch die sachlich angeratenen Ziele eines funktionierenden Flottenverbunds bestimmt“. Eine gemeinsam betriebene, grosse Werft in Kressbronn sei zunächst wesentlicher Bestandteil eines grenzübergreifenden Konzepts gewesen, nicht zuletzt deswegen, weil man das BSB-eigene Werftgelände in Friedrichshafen “wunschgemäss und gerne” der dortigen Kommune überlassen würde. Das Konzept einer gemeinsamen Grosswerft in Kressbronn sei dann aber an der Haltung Robert Dittmanns, des jüngsten Geschäftsführers der Bodanwerft, gescheitert. Dittmann wird von Mitarbeitern und Geschäftspartnern als „hochintelligent, aber schwierig“ eingeschätzt.

20 vierstöckige Luxushäuser sind geplant

Noch im vergangenen Frühsommer sah es so aus, als könnten Deutsche, Schweizer und Österreicher auf dem Werftgelände in Kressbronn gemeinsam eine Produktionshalle erstellen. Knapp die Hälfte des 16-Millionen-Projekts wäre von den Konstanzer BSB beizusteuern gewesen. Doch man kam nicht klar. Was vor allem daran gelegen sein dürfte, dass Dittman parallel dazu - und ohne dies offen zu kommunizieren - einen Teilverkauf des unmittelbar am See gelegenen Werftgeländes verfolgte. In einer nicht öffentlichen Sitzung wurde dem Kressbronner Gemeinderat Ende Juli ein Plan unterbreitet, der dem 8000-Einwohner-Ort auf dem gut 40.000 Quadratmeter grossen Grundstück neben der geplanten Schiffsbauhalle eine „Marina“ mit nicht weniger als 20 vierstöckigen, „hochwertigen“ und mit Penthouses gekrönte Häuser bescheren sollte, dazu Arztpraxen sowie ein Hotel und ein Shopping-Center.

60 Vollarbeitsplätze sind betroffen

Im Frühjahr 2011 soll die vor 91 Jahren gegründete Bodan-Werft in Kressbronn schliessen. Betroffen davon wären unter anderem 60 Vollarbeitsplätze. Die Gewerkschaft verhandelt über Abfindungen und Entschädigungen. In diesem Zusammenhang werden haarsträubende Differenzen bekannt. Laut einigen Gesellschaftern des verschuldeten Werft-Unternehmens habe Dittmann von „1000 Euro pro Quadratmeter” fantasiert, die von allfälligen Investoren des Wohnbau- und Marina-Projekts bezahlt würden. Gegenüber Mitgesellschaftern und Vertretern der Arbeitnehmer hiess es später, wegen der hohen Sanierungskosten des kontaminierten Untergrunds seien „bestenfalls 400 Euro pro Quadratmeter“ zu erzielen. Bei 16 Millionen Euro Schulden blieben im einen Fall gerade einmal 4 Millionen übrig für Abfindungen der teilweise seit Jahrzehnten treuen Arbeitskräfte, im anderen Fall 10 Millionen: im Einzelfall durchschnittlich 10.000 statt immerhin 30.000 Euro.

Belegschaft: „Auftragslage ist nach wie vor gut“

Die Belegschaft der Bodanwerft Kressbronn hält den Betrieb dank einer guten Auftragslage für “absolut lebensfähig”. Aus Kreisen der Gesellschafter hört man das Gegenteil: Seit Jahren produziere das Unternehmen im Schiffsbau nur noch Verluste. Seit Juni 2010 habe die Geschäftsführung „panikartig“ mehrere Gesellschafterversammlungen einberufen, „weil die Banken nicht mehr mitmachen“.

Die Auftraggeber haben mitgeholfen

Die Reedereien am See sehen aufgrund des systematischen Qualitätsabbaus im Personalbestand der letzten Jahre die Wettbewerbsfähigkeit der Bodanwerft in Gefahr und kritisieren das mangelhafte Managmentverhalten gegenüber Kunden. Als fragwürdig bezeichnet wird beispielsweise auch die bereits vor Jahren getroffene Entscheidung, das zum Betrieb gehörende Gelände anderweitig zu verwerten, während man parallel dazu damit begann, Personal und damit Ingenieurerfahrung abzubauen. Bis vor kurzem sei es der Bodanwerft gelungen, grossartige Schiffsbauten anzufertigen, hört man in Reedereikreisen. Doch zuletzt, etwa beim Bau der hochmodernen Autofähre Lodi, sei das Produktionsziel nur zu erreichen gewesen, weil sich erfahrene Kräfte der Auftraggeber helfend eingeschaltet hätten. Bilder: Frieder Schindele

Weitere Informationen zu dem Thema finden Sie auf der mit uns befreundeten Seite: see-online



 Kommentieren    Trackback    Drucken

Noch keine Kommentare

Neuen Kommentar schreiben ...