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9. Juni 2011 | Arbeitskampf mit Hindernissen

Zeitungsstreik – und kaum jemand merkt etwas

Konstanz (gro) Warnstreik beim „Südkurier“ – aber nur Eingeweihte spüren davon etwas. Das liegt auch am DJV, dem Deutschen Journalistenverband. Der hatte am Dienstag dieser Woche zunächst fehlerhaft zum Warnstreik aufgerufen und sich dann Stunden später korrigieren müssen. Formal korrekt war dagegen der Aufruf der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Deutschen Journalistenunion (dju), einer Sparte der IG Druck, die 2001 in der IG ver.di aufging. Angesichts der unübersichtlichen Lage plädiert Rainer Wiesner, der Geschäftsführer des Konstanzer Medienunternehmens, mehr denn je für rein hausinterne Verhandlungen über neue Tarifverträge. Hintergrund der Auseinandersetzung, die die Zeitungsverlage bundesweit erfasst hat, ist die teilweise desolat gewordene Ertragslage der Printmedien, verursacht durch die anhaltende Unfähigkeit von Verlagsunternehmen und Gewerkschaften, auf die stürmische Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik angemessen zu reagieren.

Der aktuelle Warnstreik, in Gewerkschaftkreisen mit einem gewissen Pomp angekündigt, wird ausserhalb der eigentlichen Spielwiese kaum bemerkt und dürfte deswegen seinen Zweck weitgehend verfehlen. Der Streik soll noch bis zum Freitag dieser Woche, 24 Uhr, andauern, also auch noch die traditionell besonders ertragsträchtige Pfingstausgabe des „Südkurier“ treffen. Der Warnstreik läuft Sparten übergreifend, bezieht Redaktion, Anzeigenabteilung, Vertrieb und Technik (Druckerei) mit ein und bekommt dadurch prinzipiell einen hohen Wirkungsgrad.

Interne Engpässe ohne Aussenwirkung

Tatsächlich hat es das Management verstanden, die nicht organisierten und/oder nicht streikenden Mitarbeiter des Medienhauses so nachhaltig zu mobilisieren, dass sowohl das Hauptblatt als auch die Anzeigenblätter ohne erkennbare Einschränkung erscheinen können. Es treten zwar Engpässe auf und der Andruck muss zeitlich nach vorne gerückt werden. Diese innerbetrieblichen Auswirkungen und Erschwernisse sind bislang weder von der Leserschaft noch von Anzeigenkunden zu erkennen. Die Redaktionsleitung um Chefredakteur Stefan Lutz hält ohnehin geschlossen zur Geschäftsleitung - und gar nichts von arbeitskämpferischen Aktionen.


Unternehmenszahlen sollen endlich auf den Tisch

Mit dem Warnstreik soll Druck ausgeübt werden auf die Geschäftsleitung, sich endlich mit dem Betriebsrat und Gewerkschaftsvertretern an einen Tisch zu setzen, um einen Haustarifvertrag auszuhandeln. Dabei sollen, wie seit langem gefordert, auch die aktuellen Unternehmenszahlen bekannt gegeben werden. Ein Haustarif ist notwendig geworden, weil das Medienhaus zum 1. Januar 2011 den Unternehmerverband, in diesem Falle den Verband der Südwestdeutschen Zeitungsverleger, verlassen hat, um nicht mehr an die Vereinbarungen der Tarifpartner gebunden zu sein.

Nach der Fehlleistung droht eine Austrittswelle

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hatte in seinem Streikaufruf ein allgemeines Ziel genannt: Die Mitarbeiter sollten mit ihrem Warnstreik die anderswo „laufenden Tarifverhandlungen für die Redakteurinnen/Redakteure“ unterstützen. Diese Fehlleistung, die drei Stunden später fernschriftlich korrigiert wurde, hat bei etlichen im DJV organisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Frustration und Empörung ausgelöst. Es dürfte zu einer Austrittswelle kommen.

Verleger wollen bei Personalkosten kräftig sparen

Geschäftsführer Rainer Wiesner bekräftigte seine Absicht, eine interne Lösung anzustreben. Alle Mitarbeiter des Medienhauses, sagte Wiesner, könnten sich auf die Fürsorgepflicht der Geschäftsleitung verlassen, wenn es darum gehe, die nun nötig gewordenen, haustariflichen Regelungen zu schaffen. Die Zeitungsverleger bestehen allerdings nahezu bundesweit darauf, die Personalkosten kräftig zu senken. Den Beschäftigten der Branche werden erhebliche Einschnitte zugemutet, nicht nur bei Löhnen und Gehältern, sondern auch bei der Arbeitszeit, beim Urlaubsgeld und bei Sonderzahlungen für die Arbeit am Wochenende und in der Nacht sowie bei der Jahresleistung (Weihnachtsgeld).



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