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26. Juli 2011 | Bericht im neuen „Spiegel“ stimmt nicht ganz

Von wegen Fluch des starken Schweizer Frankens

Konstanz (gro) Urlaubsstimmung allüberall, auch bei Europas grösstem Nachrichtenmagazin: „Der Spiegel“ widmet Konstanz, inklusive einem Luftbild mit dem Blick über die Altstadt, über Seerhein und Untersee, in seiner neuesten Ausgabe eine komplette Seite (ohne Anzeige!). Wer eine freundliche Beschreibung der grössten (und schönsten) Stadt am Bodensee erwartet, wird allerdings enttäuscht. Der Report auf Seite 76 handelt von einer angeblichen Plage: von den vielen Schweizern, die dank des starken Schweizer Frankens zum Shoppen in wachsenden Scharen über die Grenze kommen und den Konstanzern so langsam auf die Nerven gingen. „Spiegel“-Reporterin Michaela Schiessl, die Autorin des Artikels, dürfte das zu einseitig sehen, besonders gross ist der Unmut über den Schweizer Zustrom keineswegs in Konstanz.

Fürs Angenehme nur 19 Zeilen

Die „Spiegel“-Reporterin vergisst zwar nicht, die Vorteile für den Konstanzer Einzelhandel zu erwähnen. Rein quantitativ wird auf etwa 130 Zeilen kritisiert, das Positive wird mit 19 Zeilen abgehandelt. Verärgerte Schweizer Kaufleute, denen die Kunden davonrennen, kommen zu Wort, vor allem aber Kritikaster der deutschen Seite. „Jeden Samstag überfallen die Schweizer unsere Stadt“, zitiert Otto-Brenner-Preisträgerin Schiessl einen jammernden Konstanzer, und angeblich kommen die „überlasteten“ (?) Zollbeamten kaum mehr dazu, auf Schwarzgeldtranporteure zu achten, weil sie ach so viele Ausfuhrbescheinigungen der fremdgegangenen Schweizer abstempeln müssen.

Die grünen Zettel sind ein Segen

Tatsächlich können die Grenzbeamten froh sein über die Ausfuhrbescheinigungen, mit denen sich die Schweizer die deutsche Mehrwertsteuer zurückholen können. Denn seit die Schweiz dem Schengen-Abkommen beigetreten ist (am 18. Dezember 2008), wirken sie an den Grenzübergängen zunehmend unterbeschäftigt und häufig irgendwie überflüssig. Da stempelt sich‘s hoheitlich ganz gut auf grosse grüne Zettel. In den meisten Konstanzer Geschäften sind die Verkäuferinnen und Verkäufer, wo die Ausfuhrbescheinigungen ausgestellt werden, übrigens derart routiniert und fix im Umgang mit den grünen Zetteln, dass sich wartende Konstanzer kaum mehr aufzuregen brauchen. Im Lieblingsgeschäft der Schweizer Kundschaft, dem Aldi im Lago, sind übrigens die grünen Zettel verschwunden. Wer bei diesem Discounter einkauft, holt sich die Mehrwertsteuer mit einer Art Scheckkarte direkt auf sein Schweizer Konto.

60 Prozent der Kreuzlinger Ausländer sind Konstanzer

„Die“ Schweizer und „die“ Konstanzer gibt es in der Doppelstadt Konstanz-Kreuzlingen sowieso schon lange nicht mehr. Kreuzlingen hat einen Ausländeranteil von nahezu 50 Prozent. Etwa 60 Prozent davon sind zugezogene Konstanzer, Tendenz steigend. Dazu passt eine andere Tendenz: In Kreuzlingen sind in den vergangenen Jahren über 1200 Wohnungen gebaut worden, im viermal so grossen Konstanz mit seinen 80.000 Einwohnern nicht einmal halb so viele. Viele Konstanzer haben sich neu gebaute Schweizer Wohnungen gekauft. Es geht auch anders herum.

Konstanz in extrem hoher Auflage

Sei’s drum, Michaela Schiessl hat trotzdem recht. Auch wenn sich der Unmut über shoppende Schweizer in engen Grenzen hält – gemault wird natürlich schon. Aber die Strassen der City, auch das ist wahr, verstopfen sich die Konstanzer hauptsächlich selber. Zählungen haben zweifelsfrei ergeben, dass der innerstädtische Verkehr zu gut 70 Prozent hausgemacht, konstanzerisch, ist. Aber wer gibt nicht gerne dem Nachbarn, dem „Anderen“, die Schuld, wenn ihm etwas einfach nicht passt! Im Ãœbrigen macht sich der Artikel im neuen „Spiegel“ auch deswegen gut, weil es ganz einfach eine Freude ist zu wissen, dass diese Seite 76 fast 1 Million Mal gedruckt worden ist und dass sie von bis zu 6 Millionen Lesern angeschaut werden dürfte – auch wegen des Luftbilds, auf dem der Blick aus der Höhe über den Konstanzer Trichter, die Altstadt, den Seerhein und den Untersee fällt, im Hintergrund die Reichenau, das Weltkulturerbe im Bodensee …




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Ein Kommentar

  1. 1. Abdullah

    Naja, da ist man als Konschdanzer schon nicht glücklich, wenn nicht 100% positiv im Spiegel berichtet wird. Aber die Situation beim Einkauf - so gut sie für den Einzelhandel auch sein mag - ist alles andere als angenehm. Die liebe Verwandschaft besucht Konstanz an Wochenenden aus diesem Grunde schon lange nicht mehr. Dass die sog. “Schweizer” doch oftmals Möchtegernekonstanzer sind, welche die Wohnraum- und Steuersituation ausnutzen, steht auf einem anderen Blatt.
    Ãœbrigens: Das “routiniertem Ausfüllen der Bescheinigungen” habe ich in Konstanz noch nie mitbekommen. Wer soll das je und wo beobachtet haben? Im Aldi? Richtig. Die machen das - völlig zurecht - nämlich nicht mehr. Aber auch ohne die Einkaufspendler aus der Steueroase: Das Verkehrschaos bleibt Hausgemacht. Und wird nochmals richtig ausgekostet werden, wenn die Verkehrsverhindernde Zone vor dem Bahnhof kommt….. Schade Konstanz.

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