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30. Juni 2012 | „Südkurier“ sorgt für Information - und Verwirrung

Entscheidungshilfe zur Oberbürgermeisterwahl

Konstanz (gro) Sympathisch sind sie eigentlich alle, die drei Frauen und die zehn Männer, die sich um die Nachfolge von Oberbürgermeister Horst Frank bewerben. Mit der Vertrauenswürdigkeit hapert es bei dem einen oder anderen Bewerber, etwa gegenüber dem Reichenauer Roman Urban, der gerne von Glück, Liebe und Wahrheit spricht und jeder Familie einen Hektar Land zukommen lassen will. Doch sogar diesem Sonderling darf man abnehmen, dass ihm das Wohl der Stadt Konstanz am Herzen liegt. Guter Wille alleine macht eine Kandidatin oder einen Kandidaten jedoch noch lange nicht zu einer Persönlichkeit, der man die politische Führung einer Kommune mit 80.000 Seelen und die Leitung einer Verwaltung mit rund 3000 Köpfen anvertrauen möchte. Entscheidend sollte bei der Wahl am morgigen Sonntag sein, ob ein Kandidat die Fähigkeiten besitzt, den Konzern namens „Stadt Konstanz“ erfolgreich zu leiten.

Naheliegende Bekenntnisse

Im „Südkurier“ wurde, wie das von einer so genannten Heimatzeitung erwartet werden darf, umfangreich über die Werdegänge der 13 Kandidatinnen und Kandidaten informiert, auch in etlichen Statements und Bekenntnissen der Bewerberinnen und Bewerber. So ziemlich alle Bewerber machen sich darin stark für bessere Verkehrsverhältnisse, für „bezahlbares Wohnen“, für eine Stärkung der Wirtschaft, für Transparenz, Bürgerbeteiligung, für Nachhaltigkeit, für die Pflege der Bildungseinrichtungen, für den Ausbau der Kindergärten und für gute Beziehungen mit den Schweizer Nachbarn. So weit, so naheliegend.

Nichtssagendes bierernst ausgebreitet

Für Irritationen sorgte der „Südkurier“ gelegentlich mit seltsam gewichteten Beiträgen, etwa mit einem bierernsten Artikel über den Auftritt eines Kandidaten als Tänzer im alternativen Kulturzentrum K 9 und über experimentelle Extrawahlgänge im Vorfeld, an denen sich lediglich ein paar hundert Leutchen beteiligten. Trotz ihres nichtssagenden Charakters wurden die Ergebnisse dieser „Wahlen“ ebenso bierernst und in grosser Aufmachung verbreitet. Kein Wunder, dass es gegenüber dornroeschen zu Nachfragen kam, ob da nicht eine unzulässige Wahlbeeinflussung vorliege.

Hilfestellung zur richtigen Entscheidung

Im Folgenden wird eine Hilfe zur Wahlentscheidung gegeben, die sich vor allem mit den Erfordernissen beschäftigt, denen sich eine künftige Oberbürgermeisterin oder ein Oberbürgermeister gegenüber sieht.

Verwaltungserfahrung wäre fraglos sehr nützlich fürs neue Stadtoberhaupt. Schon deswegen, weil es dann die rund 3000 städtischen Mitarbeiter nicht so schwer hätten wie vor 16 Jahren mit Horst Frank, der sich erst einmal einarbeiten musste. Seine frühere Tätigkeit als Sozialanwalt, die ihn regelmässig mit kommunalen Institutionen in Berührung gebracht hatte, erleichterte zwar den Einstieg ins Geschäft. Tatsächlich aber entwickelte sich die neue Aufgabe für Horst Frank zu einem 70-Wochenstunden-Job. Das Familiäre musste hintanstehen. Umso mehr, als Frank, ein zur Perfektion neigender Arbeitsmensch, erst einmal mit all den vermuteten wie tatsächlichen Seilschaften, die jeden Konzern durchziehen, klar zu kommen hatte. Erfahrene Verwaltungsfachleute haben es da einfacher, weil sie - eben aus Erfahrung - sehr viel schneller erkennen können, wem sie trauen, beziehungsweise, auf wen sie fachlich und charakterlich setzen können.

Ein Faible für Schifffahrt und internationale Immobilien wäre auch nicht schlecht für das künftige Konstanzer Stadtoberhaupt. Schliesslich gehört die grösste Flotte auf dem Bodensee der Stadt Konstanz; in der dazu gehörenden Hafengesellschaft mbH sind nicht weniger als etwa 240.000 Quadratmeter rund um den halben Bodensee herum vereinigt, durchweg Grundstücke in allerbester Lage. Konstanz ist über ihre Stadtwerke GmbH ferner massgeblich (zu 50 Prozent) beteiligt an der in Friedrichshafen angesiedelten Katamaran-Reederei, ausserdem an der Fährverbindung zwischen Friedrichshafen und dem schweizerischen Romanshorn. Eine verkehrspolitische Schlüsselstellung hält Konstanz mit der 24-Stunden-Fährverbindung zwischen Konstanz-Staad und Meersburg.

Erfahrung mit Musik, Theater und bildender Kunst erwarten sehr viele Konstanzerinnen und Konstanzer von ihrem Stadtoberhaupt. Die grösste Stadt am Bodensee ist zwar ein so genanntes kulturelles Oberzentrum und wird deshalb auch vom Land und vom Schweizer Nachbarkanton mit finanziellen Mitteln bedacht. Andererseits erfordern notorische Sparmassnahmen der öffentlichen Hand den ständigen Einsatz führender Kommunalpolitiker, um den kulturellen Standortvorteil der Stadt zu verteidigen. Hinzu kommt die innere Konkurrenz der so genannten Hochkultur (mit Stadttheater und Südwestdeutscher Philharmonie) und einer sehr lebendigen freien Kulturszene, unter anderem mit dem Universitäts-Theater und dem Uni-Chor und dem Uni-Sinfonie-Orchester, mit Tanztheaterprojekten, etwa 40 Pop-Musik-Bands, einem jährlichen Kammer-Oper-Projekt im Rathaushof, Solisten-Konzerten, mit 12 Fanfarenzügen, mit über drei dutzend Fasnachtgesellschaften und - zünften, mit Jazz-Projekten, dem Jungen Kammerorchester, mit Schulorchestern und rund 50 Chören.

Tourismus, Seenähe und Badekultur sollten einem Bewerber um den Job eines Konstanzer Stadtoberhaupts sehr nahe liegen. Fast 10 Prozent des gesamtwirtschaftlichen Aufkommens schöpft Konstanz aus den Dienstleistungen rund um den Tourismus. Mit der Insel Mainau hat die Stadt den umsatzstärksten Tourismusbetrieb der Bodenseeregion. Die Bodensee-Therme, das Rheinstrandbad, das Schwaketenbad, das Freibad Hörnle und die Strandbäder in Litzelstetten, Wallhausen und Dingelsdorf verschaffen der Stadt Konstanz das attraktivste Angebot an bewirtschafteten Bädern. Hinzu kommen etliche Kilometer Strandstreifen am Nordufer des Konstanzer Trichters, ferner zwischen Hörnle und Staad sowie die Strecken entlang des Seerheins und an Klein Venedig. Zusammen bescheren sie dem Stadtgebiet im Sommer eine geradezu südamerikanisch anmutende Badelandschaft.

Umwelttechnik, Energiewirtschaft, Abfallbeseitigung, Verkehr und Technische Betriebe gehören ebenfalls zum Aufgabengebiet eines Konstanzer Stadtoberhaupts. Auch wenn diese Geschäftsbereiche von Fachleuten betreut werden – mindestens eine gute Ahnung sollte der Oberbürgermeister davon haben. Mit 20 Prozent sind zum Bespiel die Stadtwerke unter anderem an der GVO-Gashandelsgesellschaft (mit Sitz in Ravenburg) beteiligt, an Energieagenturen, an der SüdwestStrom Windpark GmbH und an regionalen Verkehrsunternehmen. Die Stadtwerke handeln mit Strom und Gas, unterhalten eine grosse Fotovoltaik-Anlage und ein umfangreiches Busnetz, kooperieren mit den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und liefern Gas bis nach Steckborn (Schweiz). Im Gegenzug wird Kreuzlinger Abwasser in der Konstanzer Kläranlage gereinigt. Ausserdem ist Konstanz direkt mit dem Schweizer Stromnetz verbunden, das im Falle eines Ausfalls auf Deutscher Seite den gesamten Energiebedarf der Stadt zu decken hat.

Die Spitalstiftung ist eine weitere Spezialität der Stadt Konstanz. Ihr Ursprung reicht zurück ins 12. Jahrhundert, zu ihr gehören Wälder und Weinberge, die sich zum Teil auf der anderen Seeseite (östlich von Meersburg) befinden und eine florierende Kellerei, gastronomische Betriebe, Hotels, Altenheime und Pflegeeinrichtungen sowie das Klinikum Konstanz mit dem Vincentiuskrankenhaus (der orthopädischen Klinik) und dem assoziierten Krankenhaus Stockach. Mit anderen Worten: Auch vom Wein, von der Forstwirtschaft, vom Gesundheitswesen und von der Gastronomie sollte ein Konstanzer Oberbürgermeister etwas verstehen.

Ein hohes Mass an Internationalität sollte ebenfalls zu den Eigenschaften eines Konstanzer Stadtoberhaupts zählen. Die Anfänge einer politisch/klerikalen Verbindung mit der oberitalienischen Stadt Lodi gehen zurück bis ins 12. Jahrhundert: Auf dem Konstanzer Obermarkt wurde 1183 der Friede („Konstanzer Friede“) zwischen dem lombardischen Städtebund und Kaiser Barbarossa geschlossen. Oberbürgermeister Horst Frank ist Ehrenbürger der Stadt Lodi.

Die südbömische Stadt Tabor, ebenfalls mit Konstanz verschwistert, steht symbolisch für die Wiedergutmachung an dem Unrecht, das dem Reformator Jan Hus in Konstanz widerfuhr, als er im heutigen Stadtteil Paradies vor 600 Jahren öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Die nahe Shanghai gelegene Gartenstadt Souzhou ist die Konstanzer Partnerstadt in der Volksrepublik China, an die in der Konzilstasse ein original chinesisches Buswartehaus erinnert. Mit Fontainebleau bei Paris verbindet die Konstanzer eine Städtefreundschaft, die als eine der ersten nach dem Zweiten Weltkrieg die Aussöhnung mit Frankreich Wirklichkeit werden liess.

Tradition und Moderne gehören zu Konstanz. So sehr die Zeugen aus dem Mittelalter hervortreten, so nachhaltig gelang in den vergangenen 50 Jahren der Sprung ins High-Tech-Zeitalter. Die einst bedeutende Computer-Industrie ist zwar abgewandert. Doch mit der weiter wachsenden Universität und der ebenfalls expandierenden Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) hält Konstanz Anschluss an den globalen Fortschritt, nicht zuletzt durch die Ansiedlung von Unternehmen, die von gut ausgebildetem Personal profitieren können.



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Ein Kommentar

  1. 1. al

    Zur bildenden Kunst im ‘kulturellen Oberzentrum’ ist Ihnen kein Beispiel eingefallen? Das geht vermutlich vielen so. Dann sollte sich das zukünftige Stadtoberhaupt vielleicht besonders auch darum kümmern, hier die Grundlagen zu verbessern …

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