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1. August 2016 | Kulturtips für die grossen Ferien

Von Mauerblümchen, Insektenbabys und Scheiterhaufen

Konstanz (gro) Rechtzeitig zu den grossen Ferien hat die Konstanzer Museumslandschaft auf ihr Kulturangebot aufmerksam gemacht. Es reicht von künstlerischen „Mauerblümchen“ aus der Sammlung der Wessenberggalerie über „Insektenbabys“ des Naturmuseums am Sea Life Center bis hin zum zeitgeschichtlich ins Gegenwärtige hineinragende „Tägermoos“ und bis zu den Scheiterhaufen, auf den vor den Toren von Konstanz vor 600 Jahren angebliche Ketzer bei lebendigem Leibe verbrannt worden sind.

Was im Verborgenden blüht

“Aufstand der Mauerblümchen. Verborgenes aus der Sammlung”, heisst die Ausstellung der Wessenberggalerie am Münsterplatz, die noch bis zum 4. September zu besichtigen ist. Zu Unrecht werden viele Kostbarkeiten der Sammlung des Hause kaum beachtet. Doch seit ihrer Wiedereröffnung im Jahre 1998, so heisst es in einer Mitteilung der Konstanzr Museumsleitung, werde im Haus Wessenberg ein Schwerpunkt der Ausstellungstätigkeit „auf die Arbeit mit dem eigenen, reichen Sammlungsbestand“ gelegt. Dieser Bestand werde nach und nach gezeigt und wissenschaftlich erschlossen, Dazu gehörten sprichwörtliche „Mauerblümchen”, die nun „ mit Vehemenz ans Licht treten“. Darunter sind Werke von Künstlern wie Max Beckmann, Wilhelm Gerstel oder Ingeborg Lüscher.

Der Skandal um die Pappelallee ist nur das neueste Kapitel

“Das Tägermoos. Ein deutsches Stück Schweiz” lautet die sorgsam aufbereitetete, zeitgeschichtliche Ausstellung zu einem Stück Deutschland in der Schweiz, die weitum, vor allem im deutschen Südwesten und in der Schweiz, grosse Beachtung findet. Hintergrund des staatrechtlichen Kuriosums ist die Tatsache, dass die deutsche Stadt Konstanz seit fünf Jahrhunderten über ein kleines Stück Schweiz mitbestimmt. Es handelt sich um das westlich der alten Stadtmauern und jenseits der Landesgrenze gelegene „Tägermoos“, ein 150 Hektar großes Grünland mit Gemüsefeldern, Gewächshäusern, einem Badeplatz am Rhein und Kleingärten. Der Skandal um die teilweise Abholzung der Pappelalle am Seerhein ist nur eines von vielen Kapiteln der wechselvollen Geschichte.

Noch gilt ein altehrwürdiger Staatsvertrag

Die idyllische Schweizer Gemarkung namens Tägermoos gehört überwiegend der Stadt Konstanz. Nach einem Staatsvertrag von 1831 nimmt Konstanz dort die Rechte einer Schweizer Gemeinde wahr. Die Felder des Tägermoos´ werden bebaut von Gemüsegärtnern aus dem Konstanzer Stadtteil Paradies. Auch sie genießen Privilegien aus alter Zeit. Trotz vorübergehender Entfremdungstendenzen In zwei Weltkriegen und trotz aktueller Verkehrskonflikte ist ein „wundersames Stück deutschschweizerischer Nachbarschaftsgeschichte“ (so die Leitung des Rosgartenmusums) übrig geblieben, das nun in Bildern und Geschichten vorgestellt wird. Die Sonderausstellung im Rosgartenmuseum (die bis Jahresende dauert) ist bestückt mit Gemälden und Zeichnungen vom kargen Landleben um 1900 und mit Aufnahmen der Fotografin Hella Wolff-Seybold, die die Veränderungen der Gegenwart dokumentieren.

Kindheitsfotos von Insekten

Im Bodensee-Naturmuseum ist die Sonderausstellung „Metamorphosen” der preisgekrönten Wissenschaftsfotografen Nicole Ottawa und Oliver Meckes zu sehen. Zu besichtigen sind spektakuläre Großaufnahmen. Sie zeigen Portraits von Insekten vor und nach ihrer Umwandlung. Ähnlichkeiten zwischen Vorher und Nachher, heisst es in einer Information des Museums am Sea Life Center, werde man „vergebens suchen“. So komme der Seidenspinner Bombyx mori als Falter in einem eleganten Pelzmantel und mit hochempfindlichen Fühlern daher, doch die Seidenraupe, aus der er sich entwickelte, hatte eher einem krallenbewehrten Alien geähnelt.


Nach Hus auch der hochgebildete Hieronymus

Das Hus-Haus zeigt (bis Ende Oktober) in einer Sonderausstellung den Lebensweg des böhmischen Gelehrten Hieronymus von Prag. Hieronymus studierte an den Universitäten Prag und Oxford, war Lehrer und Magister an vier europäischen Universitäten und viel auf Reisen unterwegs. Als Mitstreiter des Reformkreises um Jan Hus in Böhmen wurde er am 30. Mai 1416 als rückfälliger Ketzer vom Konstanzer Konzil zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt, ein Schicksal, das zuvor schon den Reformer Jan Hus ereilt hatte. Die Sonderausstellung wurde zum 600. Gedenktag von Hieronymus´ Hinrichtung eingerichtet, und zwar in gemeinsamer Arbeit der Hus-Museum-Gesellschaft in Prag, des Hus-Hauses in Konstanz und des Hussitenmuseums in Tábor. Konzipiert und vorbereitet wurde die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Rosgartenmuseum, dem Stadtarchiv und der Konzilstadt Konstanz.




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