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5. Oktober 2016 | Zum frühen Tod von Toni Rössler

Er hat sein „Qlt“ nur um einige Monate überlebt

Konstanz (gro) Toni Rössler hat sich ganz still verabschiedet, so still, dass es kaum jemand bemerkte. Vielleicht, weil sein Lebenswerk schon einige Monate zuvor das Zeitliche gesegnet hatte. Sein Lebenswerk, das war das „Qlt“ (sprich: „Kult“), das als „s’Kulturblättle“ legendär geworden ist. 37 Jahre lang hatte das bis zum Schluss viel gelesene Veranstaltungsmagazin durchgehalten - bis am 30. Januar dieses Jahres eine amtliche Bekanntmachung davon informierte, das publizistische Unternehmen sei zahlungsunfähig. Ausgerechnet am 30. Januar! Es war der Tag, an dem Toni Rösler seinen 64. Geburtstag hatte. Nur knapp acht Monate später, gegen Ende des gerade vergangenen Septembers, ist Toni Rösler gestorben. Er wurde, wie man hört, im engsten Familienkreis beerdigt, in Kreuzlingen, der Stadt, die ihm zuletzt zur Heimat wurde.

Begegnung mit einer Seelenverwandten

Rössler, der an der Goetheuniversität in Frankfurt studiert hatte und rechtzeitig mit dem Umfeld moderner Aufklärer wie Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse Bekanntschaft schloss, hätte eigentlich Kunsterzieher und Mathematiklehrer werden sollen. Das Schicksal wollte es jedoch, dass er am Bodensee einer Seelenverwandten namens Beate Nash begegnete – und 1979 das Magazin aus der Taufe hob, das als „s’Kulturblättle“ in die Mediengeschichte eingegangen ist. Die Anfangsauflage lag bei etwa 5000 Exemplaren, am Ende waren es 25.000. Doch es half nichts, mit einem neuen Redaktionssystem überhob sich Rössler im vergangenen Jahr, auch weil die erhofften Erträge ausblieben.

Ein überaus kreativer Kleinverleger

Toni Rössler war ein kreativer Kopf. Mit seinem manchmal wilden Bartgesicht und seinem anscheinend kaum zu bändigenden Haarschopf dokumentierte das der Verleger, der sich Jahrzehnte lang neben dem grossen „Südkurier“ und anderen massgeblichen Printmedien zu behaupten wusste, auch äusserlich. Mehrfach erfand er seine Publikation ganz neu. Wobei ihm auch ein gewisser Harald Borges assistierte, der als „der Setzer“ mehr oder weniger sehnsüchtig anmutenden Kleinanzeigen jene ironischen Kommentare anfügte, die „s’Kulturblättle“ vollends zum „Qlt“ (sprich: Kult) machten.

Schock mitten in einer Wiedergeburtsphase

Das beliebte Organ mit seiner 14-täglichen Erscheinungsweise und seinem zuverlässigen Veranstaltungskalender für den westlichen Bodensee und den Thurgau, angereichert mit Reportagen über interessante Typen und Projekte der Region, schien zuletzt von Auszehrung befallen zu sein. Die Annoncen blieben aus. Die Konkurrenz aus dem Internet wurde immer mächtiger, während der Chef des Unternehmens gesundheitlich angeschlagen war. Ein Herzinfarkt zwang Rössler vergangenes Jahr wochenlang ins Krankenbett, und das mitten in einer erneuten Wiedergeburtsphase seines publizistischen Werkes. Es war am Ende wohl alles zu viel. Toni Rössler hat aber fraglos tiefe Spuren hinterlassen. Er hat Mediengeschichte geschrieben am Bodensee, im Hegau und im Thurgau.




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