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9. Januar 2017 | Leonardos Abendmahl im „Südkurier“ nachgestellt

Kopitzki ist Jesus, die Anderen aber sind nicht seine Jünger

Konstanz (gro) Die „Themen des Tages“ haben es ans Licht gebracht: Der Konstanzer Kulturjournalist Siegmund Kopitzki ist Jesus, die Anderen aber, obwohl durchweg Kolleginnen und Kollegen, sind nicht seine Jünger. Denn sie sind die Jünger des Smartphons. Verbreitet wurde die bizzarre Erkenntnis vom „Südkurier“, und zwar mit Hilfe einer Nachstellung des Abendmahls, grob (fahrlässig?) orientiert an Leonardo da Vincis berühmtem Wandgemälde im Refektorium des Mailänder Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie.

Geburtstagsständchen für die Smartphon-Ära

Eine Breitsseite reichte nicht aus. Das Bild, das den Lesern der Heimatzeitung zum Wochenende den Anblick von 13 hauseigenen Redaktionsmitgliedern bescherte, benötigte zwei Spalten der Seite 2 und alle fünf Spalten auf der daneben liegenden Seite 3. Vorsorglich heisst es im Text, mit dem der zehnte Geburtstag des Smartphons gefeiert wird, man wisse, dass man mit dem Foto provoziere, doch die Zuspitzung geschehe „bewusst“. Der „Südkurier“ befindet sich damit in bester Gesellschaft.

Meilenstein der Malerei

Leonardos Abendmahl, das Ende des 15. Jahrhunderts entstand, gilt als eines der wichtigsten malerischen Werke der Renaissance. Beachtung fand neben der perspektivischen Klarheit des 9 mal 4,20 Meter messenden Bildes vor allem die Lebendigkeit der abgebildeten Personen. Ausdruck und Gestik zeignn, so wollte es der Künstler, die Reaktionen der zwölf Apostel auf die Ankündigung Jesu, als er ihnen nach dem letzten gemeinsamen Essen (L’Ultima Cena) vor seiner Kreuzigung sagte: „Einer von euch wird mich noch heute Nacht verraten.“

Ein nachdenklicher Chefredakteur

Jeder “Südkurier”-Leser, der Leonardos Abendmahl kennt, wird ohne weiteres einräumen können, dass die aufgeregte Lebendigkeit des Originals im Medienhaus recht ordentlich nachempfunden worden ist. Ein gewisser Schwachpunkt ist allerdings die womöglich allzu nachlässige Rollenübernahme einzelner Akteure der Nachstellung. Zwar strahlt etwa Kopitzki jene Zuversicht und gütige Gelassenheit aus, die Leonardo auch seinem Erlöser hinein malte. Befremdlich dagegen, dass der „Südkurier“ Judas, den Verräter, von der eher zart wirkenden Anna-Maria Schneider darstellen lässt. Und Chefredakteur Stefan Lutz (5. von rechts, sitzend mit Brille), schaut – ausgerechnet als Jakob der Ältere - so nachdenklich, ja trauerumflort drein wie sonst keiner. Und Lutz blickt dabei noch nicht einmal auf sein eigenes Gerät, sondern aufs Smartphone-Display von Jesus, pardon, Kopitzki.

Jesus Christus war auch schon nackt, schwarz und weiblich

Als Ärgerniss mag man in kirchlich-konservativen Kreisen des „Südkurier“-Landes empfinden, dass sich in der Nachstellung des Abendmahls im Heimatblatt nicht weniger als sechs weibliche Personen um den Erlöser tummeln, obwohl alle zwölf Apostel doch wohl männlichen Geschlechts waren. Doch damit befindet sich der „Südkurier“, wie eingangs erwähnt, in bester Gesellschaft. Vielfach musste das Abendmahl in Kunst und Werbung für Aktionen herhalten. Unvergessen auch, wie sich der damalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliano, ein Mann mit sizilianischen Wurzeln, 2001 darüber aufregte, dass die Künstlerin Renée Cox ausgerechnet Jesus Christus als weiblich, schwarz und nackt darstellte.




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