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11. August 2018 | Zur Enttarnung des Fasnachtssängers Willi Hermann

Folgenreiches Unbehagen des philharmonischen Hornisten

Konstanz (gro) Es wird nun also nix mit dem geplanten Fasnachtskonzert der Südwestdeutschen Philharmonie zum 111. Geburtstag von Willi Hermann am 23. November. Und auch nichts mit Extra-Narrenkonzerten der Niedlerbürgler an den Tagen darauf. Denn der gefeierte Volks- und Fasnachtssänger Willi Hermann ist, wie sich herausstellte, ein überzeugter Nationalsozialist gewesen, einer vom Schlag der „alten Kämpfer“, der sich früh und engagiert als Funktionär der NSDAP betätigte und später auch in Kriegsverbrechen verwickelt wurde. Herausgefunden hat das Professor Jürgen Klöckler, der Leiter des Konstanzer Stadtarchivs. Auf einer ganzen Seite hat der Historiker einen ersten Beitrag zu seiner Forschungsarbeit, die in Archive in Freiburg, Karlsruhe, Berlin und Paris führte, in der Freitag-Ausgabe des „Südkuriers“ niedergelegt. Am Anfang allerdings stand das Unbehagen eines der fünf Hornisten der Südwestdeutschen Philharmonie.

Die Musiker hätten gern früher mehr gewusst

Als vor einigen Monaten bekannt wurde, dass wieder einmal ein fasnächtliches Sonderkonzert anstehen würde, das neben den (über)reichlichen Proben des Normalbetriebs zusätzliche Arbeit versprach, regte sich unter den 60 Profi-Musikern der übliche, leise Unmut. Zumindest hätte man gern Näheres gewusst über jenen offensichtlich famosen Willi Hermann, dessen Fasnachtshymnen sogar vom SWR übernommen worden waren. Von Seiten der Orchesterleitung kam dazu jedoch wenig bis nichts, auch nicht von den „Freunden der Philharmonie“ mit ihrem nahezu allwissenden Wolfgang Müller-Fehrenbach. Es gab offensichtlich „nichts zu kommunizieren“. Der erwähnte Hornist, moralisch unterstützt von einer Violinistin, fand sich nicht ab damit, sondern recherchierte auf eigene Faust.

Die übliche Lücke zwischen 1930 und 1946

Naheliegend war, dass der Musiker zunächst beim Stadtarchiv nachfragte. Als er da erfuhr, dass jener Willi Hermann erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Konstanz ansässig geworden war „und eigentlich aus Stockach“ stammte, erkundigte er sich auch überm See. Was den Hornisten überraschte, war die Tatsache, dass sowohl im Stadtarchiv von Konstanz als auch in jenem der ehemaligen Oberamtsstadt Stockach in Sachen Willi Hermann (oder Wilhelm Hermann) eine „auffällige Lücke klaffte“, und zwar für die Zeit von den 30-er Jahren bis zu den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Hermann war Vizepräsident der Niederbürgler

Eine zusätzliche Nachfrage bei Berthold Schlegel, dem früheren Konstanzer Stadtsprecher, sorgte immerhin für eine Erklärung: Auf das Phänomen einer solchen Lücke stosse man sehr häufig, sagte Schlegel. Schliesslich sei die Mehrzahl des deutschen Volkes seinerzeit auch am Bodensee vom Nationalsozialismus begeistert gewesen, wollte aber nach dem Krieg meist nichts mehr davon wissen. Wer den nötigen Einfluss hatte, sagte Schlegel weiter, liess aus den Archiven verschwinden, was ihn mit dem „Tausendjährigen Reich” in Verbindung brachte. Willi Hermann, der 1977 im Alter von 70 Jahren das Zeitliche segnete, sei, jedenfalls während seiner Konstanzer Zeit, ein „eher unpolitischer Mensch“ gewesen. Hermanns Leidenschaft, sagte Schlegel, habe ganz der volkstümlichen Musik und der Konstanzer Fasnacht gegolten. Hermann brachte es immerhin zum Vizepräsidenten der Grossen Niederbürgler Narrengesellschaft.

Wolfgang Mettlers vergebliche Investition

Gelackmeiert fühlen dürfte sich jetzt vor allem Dirigent Wolfgang Mettler, der bereits sehr viel Arbeit in das ebenso ehrgeizige wie durchaus erfolgversprechende Projekt investiert hat. Angesichts des negativen Hypes besteht nun nicht die geringste Aussicht, das geplante Fasnachtskonzert auf irgend eine Weise doch noch aufzuführen. Kritische Stimmen verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass es sich früher oder später rächt, wenn das künstlerische Personal nicht kommunikativ, ja zuvorkommend, eingebunden wird in die Politik eines künstlerischen Betriebs.

Mit weiteren Ãœberraschungen darf gerechnet werden

Der neugierige Hornist hatte schon vor einigen Monaten Hinweise aufgeschnappt, dass Jürgen Klöckler “Interessantem” auf der Spur sei. Andere Konstanzer Historiker hatten mehr oder weniger genervt abgewinkt - mit einer Ausnahme: Professor Lothar Burchardt, der Vater des Konstanzer Oberbürgermeisters, wollte dem Phänomen Willi Hermann, wie man hört, ebenfalls nachspüren. Mit der einen oder anderen Ãœberraschung in Sachen Konstanzer Fasnacht darf also durchaus noch gerechnet werden.




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