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31. August 2018 | Daniel Spoerris "Puppenkästchen" bei Geiger

Vom Ballett-Tänzer zum Grossmeister der Objektkunst

Konstanz (gro) Eigentlich heisst er ja Daniel Isaac Feinstein. So jedenfalls lautete der Name von Daniel Spoerri, als er 1941 mit 11 Jahren von seiner aus der Schweiz stammenden Mutter zusammen mit seinen 5 Geschwistern aus Galati (Rumänien) nach Zürich und damit in Sicherheit gebracht wurde. Sein Vater, ein aus Norwegen stammender, zum christlichen Glauben konvertierter Missionar jüdischer Abstammung, war von rumänischen Faschisten erschlagen worden.

Vergnügt und unternehmungslustig

Auf unserem Foto, das 78 Jahre später entstand, sieht man Daniel Spoerri als vergnügten, unternehmungslustigen Mann. Das Bild (Wiki Commons) entstand am jüngst vergangenen Ostermontag während eines Streifzugs des Künstlers durch seinen in den 90-Jahren des vergangenen Jahrhunderts angelegten „Giardino“ (Garten) in der Toscana, etwa 75 Kilometer südlich von Siena. Die allermeisten Skulpuren, mit denen das allgemein zugängliche Areal namens „Il Giardino“ ausgestattet ist, stammen von Daniel Spoerri selber. Derzeit wird in der Galerie Geiger am Konstanzer Fischmarkt eine Ausstellung mit Spoerris „Puppenkästchen“ aufgebaut. Die Vernissage ist am kommenden Sonntag um 11.30 Uhr.

Zum Hintergrund einer kulturpolitischen Sensation

Bei der Ausstellung der Serie „Puppenkästchen“ handelt es sich, man mag es kaum glauben, um die siebte Einzelausstellung Daniel Spoerris am Konstanzer Fischmarkt. Was einer veritablen kulturpolitischen Sensation gleichkommt, lässt sich erklären: Der Schlüssel dazu ist Stephan Geiger, der Sohn von Galerie-Gründer Roland Geiger. Geiger junior studierte Kunstgeschichte und promovierte über die Kunst der Assemblage. Das Schaffen von Daniel Spoerri nimmt darin – logischerweise – einen Schwerpunkt ein. Schliesslich gehört Spoerri zu den einschlägigen Kunstpionieren des 20. Jahrhunderts. Er gilt als einer der Wegbereiter der so genannten Objektkunst; er war einer der Geburtshelfer der Multiples, Mitglied der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen „Zero“-Bewegung und hat als Protagonist der „Eat-Art“ und als Erfinder der „Fallen-Bilder“ Kunstgeschichte geschrieben.

Vom Rektor adoptiert

Daniel Spoerri wird kommenden März 89 Jahre alt. Bis zum 100. Geburtstag sind es dann gerade noch 11 Jahre. Ein Kinderspiel. Dass er heisst wie er heisst, kommt nicht von Ungefähr. Die Mutter des geborenen Feinsteins war eine geborene Spoerri. Und ihr Bruder Theophil war damals, 1941, als es mit Daniel von der Moldau an die Limmat ging, Rektor der Universität Zürich. Er adoptierte den halb rumänischstämmigen Daniel und legte den Grundstein für die Karriere eines Jahrhundertkünstlers.

Kontakt mit Picasso und Tinguely

Typisch auch, dass der Schweizer Daniel Spoerri nicht einfach Künstler wurde, sondern zunächst eine kaufmännische Lehre absolvierte und sich als Buchhändler, Obstverkäufer und Fotograph betätigte, bevor er sich entschloss, in Zürich und später in Paris klassischen Tanz zu studieren und sich als Regisseur von Kurzfilmen zu engagieren. Es gab Kontakte mit Pablo Picasso und Jean Tinguely und 1960 zog Spoerri nach Paris, wo er sich in die damalige Kunstszene integrierte und zusammen mit Pierre Restany, Yves Klein und Tinguely die Gruppe „nouveau realisme“ gründete. Später betätigte sich Spoerri zudem als Wirt, nachdem er in Düsseldorf das Restaurant „Sieben Sinne“ ins Leben gerufen hatte.

Ein Umzug nach Konstanz ist unwahrscheinlich

Aber das war beileibe nicht alles. Unter anderem lehrte Spoerri als Professor für „Dreidimensionale Gestaltung“ an den Kölner Werkschulen, gründete das „Musee Sentimental“ und unterrichtete zum Beispiel an der Akademie der Bildenden Künste in München. Daneben veröffentlichte er mehrere Kochbücher, in denen es zwar auch ums Essen, vor allem aber um die „Kunst der Zubereitung“ geht. Spoerri, der auch als Regisseur und Dramaturg reussierte, zieht immer wieder um. Zuletzt geschah das in Richtung Wien. Dort, in der Nähe der alten Habsburger Kaiserresidenz, hält er seit neuestem ein uraltes Wirtshaus besetzt und die Reste eines Klosters. Auch Konstanz kennt Spoerri inzwischen ganz gut. Dass er eines Tages hierher zieht, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.




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