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13. November 2018 | Italiener spenden für Flüchtlingskinder

Bürgermeister der ärmsten Gemeinde Italiens macht’s vor

Konstanz/Lodi/Samassi (gro) Alle Flüchtlingskinder können in Lodi weiter an der verbilligten Schulspeisung teilnehmen und auch die subventionierten Schulbusse in Anspruch nehmen. Dafür stehen jetzt Spendengelder in Höhe von mindestens 80.000 Euro zur Verfügung. Beides, die Teilnehme an der Schulspeisung und die Benutzung von Schulbussen, war den Kindern untersagt worden, wenn sie nicht die Mittellosigkeit ihrer Familie in den Herkunftsländern (meist Syrien, Afghanistan und/oder Irak) nachweisen konnten – mit Dokumenten, die nur sehr schwer oder meist überhaupt nicht besorgt werden können. Eingeschaltet ins Geschehen hat sich mittlerweile auch Enrico Pusceddu, Bürgermeister von Samassi, der ärmsten Gemeinde Italiens.

In Italien und in Konstanz kam es zu einem „Shitstorm“

Sowohl in Italien als auch in Konstanz kam es nach Bekanntwerden des Dekrets aus dem Rathaus von Lodi zu einem regelrechten „Shitstorm“. Schliesslich ist Sara Casanova, das Stadtoberhaupt von Lodi, Mitglied der rechtskonservativen und als fremdenfeindlich gebrandmarkten Lega Nord. Mit ihr kam man, wie Claus-Dieter Hirt, der Mann, der sich im Auftrag von Verwaltung und Gemeinderat um die partnerschaftlichen Beziehungen der Stadt Konstanz kümmert, allerdings „stets gut zurecht“. Signora Casanova, sagt Hirt, sei „eine Frau, die voll hinter der Idee eines vereinten Europas steht“. Im Übrigen „muss man immer mit einander reden“.

Empörung und Gegenempörung

Sowohl in Fontainebleau als auch in Konstanz hatte man betroffen und empört reagiert angesichts des diskriminierenden Dekrets aus dem Rathaus von Lodi. Fréderic Valletoux und Uli Burchardt, die beiden Stadtoberhäupter, beschwerten sich bei Sara Casanova mit einem offenen Brief, der nicht nur ans Rathaus von Lodi ging, sondern auch an Zeitungen verschickt wurde. Das wiederum brachte Sara Casanova in Rage. So dürfe man nicht miteinander umgehen, zumindest hätte man erst einmal mit ihr reden sollen. Es seien rechtlich verankerte Gründe, die das umstrittene Dekret nötig gemacht hätten.

Flüchtlingsstrom seit zwei Jahrzehnten

Tatsache ist, dass kein anderes europäisches Land seit bald zwei Jahrzehnten einen ständigen, Flüchtlingszustrom aushalten muss, auch wenn sich der Schwerpunkt in jüngster Zeit Richtung Spanien verlagert hat. Kein Wunder: Mit seinen über 7000 Kilometern Küste und seiner tiefen Langgestrecktheit ist Italien die ideale Brücke nach Mitteleuropa, zum Land der Hoffnung für Flüchtlinge, die nicht nur aus Afrika, sondern auch aus dem Mittleren und Fernen Osten kommen. Kein Wunder auch, dass viele Italiener genug davon haben, dass ausgerechnet sie, die mit ihrem darbenden Süden selber zu wenig haben, Hunderttausende, die noch ärmer sind, durchfüttern sollen. Diese ablehnende Haltung macht sich die Lega Nord zu eigen und im politischen K(r)ampf zu nutze.

Moralische Belehrungen sind überflüssig

Moralische Belehrungen sind trotzdem überflüssig. Schon deswegen, weil sich das „andere Italien“ zu wehren weiss. Natürlich gab es in Lodi sofort eine Initiative, die sich der vom Schulessen ausgesperrten Kinder annahm. Es gab und gibt Demonstrationen gegen die „unmenschliche Verordnung“ aus dem Rathaus. Und es gibt eine landesweit organsierte Spendenaktion für die betroffenen Flüchtlinge. Knapp 90.000 Euro sollen bis jetzt zusammen gekommen sein. Dadurch wird mehr erreicht als etwa durch die Drohung, die Städtepartnerschaft ruhen zu lassen oder gar einzufrieren.

Sara Casanova nach Sardinien eingeladen

Einer, der den direkten Kontakt zur Bürgermeisterin von Lodi gesucht hat, ist der eingangs erwähnte Enrico Pusceddu. Er ist Bürgermeister von Samassi, einem Städtchen im Süden Sardiniens. Samassi ist zwar statistisch die ärmste Kommune Italiens. Man sei in anderer Hinsicht reich, sagt Pusceddu. Er und seine Gemeinde, sagt Pusceddu weiter, seien jedenfalls bereit, fürs Essen der ausgesperrten Kinder aufzukommen. Voraussetzung sei allerdings, dass man den Mensa-Betrieb in Lodi so organisiere, wie das in Samassi geschehe: Zusammen mit Eltern, Kindern und Nachbarn. Viele helfen mit; Gemüse, Obst und Kräuter werden in einem schuleigenen Garten angebaut. Vergangenes Jahr hat die Schulmensa von Samassi den landesweiten Wettbewerb „als beste Grüne Mensa“ gewonnen. Pusceddu hat Sara Casanova eingeladen. Die Frau aus dem „reichen, wohlhabenden Lodi“ soll sich, wie Cristina Nadotti in der Römer “Repubblica” berichtet, in Samassi informieren, wie Schulspeisung funktioniert ohne dass auch nur ein einziges Kind ausgesperrt werden muss.




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Ein Kommentar

  1. 1. Oberst Stockwerk

    Er macht es wirklich vor. Die Bahnhofsklatscher bezahlen die Versorgung sogenannter Flüchtlinge aus eigener Tasche. Das ist der Unterschied. Hier lassen sich die Wohltäter ihre Wohltätigkeit immer von der Allgemeinheit bezahlen.

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