Konstanz/Welver (gro) Der Bildhauer Egbert Broerken, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten ueber 60 Städte Europas als Bronze-Reliefs verewigt und damit im wörtlichen Sinne begreifbar gemacht hat, ist bereit, eine Ausnahme zu machen und die ehemalige Bischofsstadt Konstanz ein zweites Mal filigran und maßstabsgetreu abzubilden. Das Relief im Maßstab 1:650, das vor der Nordseite des Münsters steht und sich seit 2010 anhaltender Beliebtheit erfreut, soll für 28.000 Euro einen Zwilling bekommen, der am Gondelehafen aufgestellt wuerde.

Die Stadt muss nur den Sockel finanzieren

Die Stadt müsste nur 6000 Euro für den Sockel aufbringen. Der Loewenanteil käme, wie fürs erste Relief, von Konstanzer Rotariern und von „KonTour“, dem Fremdenverkehrsverband der Stadt. Schon rein rechnerisch erscheint das Weihnachtsgeschenk in diesen bitteren Corona-Zeiten durchaus sinnvoll. Der Finanzausschuss des Gemeinderats befindet heute in seiner Sitzung (18 Uhr im Bodenseeforum) über die Annahme oder Ablehnung der beabsichtigten Schenkung.

Neuer Treffpunkt für Fremdenfuehrungen

Da sich das Interesse von Touristen aus nah und fern in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 100 Prozent gesteigert hat, ist auch eine Verdoppelung der bronzenen Darstellung vertretbar, umso mehr, als sich in den jüngst vergangenen Jahren der Gondelehafen als beliebter Treffpunkt füer die ebenfalls stark zugenommenen Stadtführungen etabliert hat.

Atelier in einem Renaissance-Schlößchen

Der Kuenstler aus dem westfaelischen Welver, wo der gelernte Schriftsetzer, der über seine spätere Lehrtätigkeit an der Fachhochschule für Design in Dortmund zur Bildhauerei fand, hat seine Werkstatt in einem ehemaligen Renaissance-Schloesschen, wohin inzwischen auch sein Sohn Felix gefunden hat. Dem mittlerweile 70 Jahre alten Egbert Broerken ist im Übrigen der Auftrag zu gönnen. Denn seine Kunst ist erstens von hervorragender kunsthandwerklicher Qualität, zweitens ist sie ungewöhnlich preiswert und drittens ist sie von tief empfundener Menschlichkeit geprägt.

Ein dreiviertel Jahr für ein Stadtrelief

Broerken investiert in ein Stadtrelief bis zu zehn Monate. So ein Projekt beginnt mit der fotografischen Dokumentation einer Stadt sowie mit dem Studium und der Einarbeitung von Archivmaterial. Besonders aufwendig ist die Herstellung des Reliefs, bei der mit Hilfe von schnitzfähigem Kunststoff, einer hitzebeständigen Paste, schmelzendem Wachs und fluessigem Messing die filigrane Endformation herbei gezaubert wird - inklusive der winzigen Punkte der Braille, der Blindenschrift.

Auch Blindenschrift dient der Orientierung

Die Notierungen der für „normale“ Betrachter kaum sichtbaren Pünktchen-Schrift, sie bezeichnen die wichtigsten Plätze, Kirchen, Parks, Boulevards und Paläste: Sie dienen der Orientierung jener tastenden Stadtspaziergänger, die nicht sehen, sich nun aber doch orientieren können und mit den Fingerkuppen auch die unterschiedlichen Höhen, Lücken und Ausformungen der Baulichkeiten tastend erfahren.

Stadtreliefs und herausragende Einzelbauwerke

Zusammen mit den Nachbildungen besonders besungener Objekte wie der Berliner Museumsinsel, des von Preussenkoenig Friedrich II. erbauten Rokkoko-Schlosses Sanssouci in Potsdam oder des Doms von Strassburg haben die Künstler aus Westfalen vor allem Deutschland mit filigranen, massstabsgetreuen Reliefs von historischen Städten regelrecht überzogen: Von Hamburg und Kiel bis nach Basel und Freiburg, vom Rheinland bis Kempten und von Schwerin und Berlin bis Konstanz: Mehr als 60 Staedte und etliche besondere architektonische Schönheiten sind als bronzene Reliefs zu erleben, auch einige in benachbarten Laendern.

Zustimmung wohl nur noch eine Formsache

Der Kulturausschuss des Stadtparlaments hat bereits seine Zustimmung gegeben. Wenn die Mehrheit des Kulturausschusses heute ebenfalls ihr Wohlgefallen äussert, dürfte die Zustimmung des Gesamtgemeinderats zum Zwillingsrelief mehr oder weniger Formsache sein - gerade recht zu Weihnachten in diesen bitteren Zeiten von Corona. — Bild: internet archive Brewster Kahle/Egbert Broerken