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27. Mai 2021 | Linke Liste Konstanz (LLK) obsiegt in Freiburg

Verwaltungsgericht: Stadt Konstanz handelte rechtswidrig

Konstanz/Freiburg (gro) Die Stadtverwaltung hat rechtswidrig gehandelt, als sich das kommunale Pressereferat 2019 weigerte, der Linken Liste Konstanz (LLK) im Amtsblatt Platz einzuräumen, um mit einem Beitrag der Fraktion gegen die Abschiebung des Asyl suchenden Nigerianers Harrison Chukuwu Stellung zu beziehen. Der Afrikaner, der mit Verfolgung in seinem Heimatland rechnen musste, war damals bereits bestens integriert, unter anderem als ehrenamtlicher Mitarbeiter im Cafe Mondial. Das Verwaltungsgericht Freiburg belehrte Oberbürgermeister Uli Burchardt, den Herausgeber des Amtsblattes, dass die Linke Liste wie alle Rathausfraktionen das (verfassungsrechtlich abgesicherte) Recht hat, sich im Amtsblatt zu äussern, und zwar zu allen Angelegenheiten, die „den eigenen Wirkungskreis berühren“.

Stadt: „Keine Angelegenheit der Gemeinde“

Die LLK erinnert daran, dass LLK-Rätin Anke Schwede „in dem strittigen Artikel“ unter der Überschrift „Harrison ist Konstanzer“ namens ihrer Fraktion gegen die damals drohende Abschiebung des schon lange in Konstanz lebenden und arbeitenden Harrison Chukwu Stellung bezogen hatte. Die Stadt habe den Abdruck im Amtsblatt verweigert: Der Fall sei keine Angelegenheit der Gemeinde und habe deswegen im Amtsblatt nichts zu suchen, heiss es seitens der Stadtverwaltung. Zu Unrecht, wie jetzt das Gericht in seinem Urteil feststellte.

Wie Integration gelingen kann

Das Verwaltungsgericht will sein Urteil als Grundsatzentscheid für Veröffentlichungsrechte von Gemeinderatsfraktionen verstanden wissen. In der Presse, so kommentiert LLK-Stadtrat Simon Pschorr das Urteil, werde im Regelfall nur über „gescheiterte Integration“ berichtet, während die Geschichte von Harrison Chuckwu zeigt, wie Integration gelingt. “Wir glauben, die Öffentlichkeit hat ein Interesse und das Recht, von diesem positiven Beispiel und den Ungerechtigkeiten des Asylverfahrens zu erfahren”, heisst es bei der LLK.

In kurzer Zeit 2000 Unterschriften

Vor anderthalb Jahren hatte sich in Konstanz breiter Widerstand gegen die Abschiebung von Harrison Eijke Chukwu in das vom Bürgerkriegswirren zerrissene Nigeria formiert. Viele Konstanzerinnen hätten Chukuwu als ehrenamtlichen Mitarbeiter des Integrationsprojekts Café Mondial gekannt. Eine von Unterstützerinnen und Unterstützern lancierte Petition habe damals in kurzer Zeit rund zweitausend Unterschriften gesammelt; der Fall sei durch die Presse gegangen. Teil der Solidaritätsbewegung sei die LLK gewesen, die mit dem fürs Amtsblatt gedachten Text die Konstanzerinnen und Konstanzer aufrufen wollte, mit ihrer Unterschrift zum Verbleib von Harrison in Konstanz beizutragen.

Behördlich angeordnete Zwangsumsiedlung im Landkreis

Den Abdruck habe die Stadt mit der Behauptung abgelehnt, die LLK habe keinen Anspruch auf Veröffentlichung, weil der Beitrag mangels Ortsbezug keine Angelegenheit der Gemeinde berühre, „wie vom Redaktionsstatut gefordert“. Überdies sei der Abschiebungsbedrohte, auch daran erinnert die LLK, zum Veröffentlichungszeitpunkt nicht in Konstanz gemeldet gewesen. Nicht berücksichtigt worden sei dabei aber, dass er in der Stadt gearbeitet habe und kurz davor stand, eine Ausbildung zu beginnen. Unterschlagen worden sei ferner, dass Chukwu seinen mehrjährigen Wohnort Konstanz nicht etwa freiwillig verlassen hatte, sondern sich „einer behördlich angeordneten Zwangsumsiedlung“ in die Gemeinde Öhningen habe fügen müssen.

Gericht betont die Rechte der Rathausfraktionen

An der Argumentation der Stadt lassen die Freiburger Richterinnen und Richter, wie Jürgen Geiger namens der LLK schreibt, „kaum ein gutes Haar“. Das Gericht betone viel mehr das Recht der Ratsfraktionen, „sich zu allen Themen zu äußern, bezüglich derer der Gemeinderat eine Befassungskompetenz hat“. Das gelte auch für Veröffentlichungen im städtischen Organ Amtsblatt. Diese Kompetenz, so heisst es in der Urteilsbegründung weiter, greife verfassungsrechtlich auch immer dann, wenn „überörtliche Entscheidungen“ Aufgaben des eigenen, aber auch des „übertragenen Wirkungskreises“ berühren. Übersetzt heisse das: Wenn das Stuttgarter Innenministerium einen Einwohner der Stadt Konstanz ausschaffen will, dürfen kommunale Mandatsträger sich auch im Gemeindeorgan dazu äußern. Und dies gelte, so das Gericht, „selbst dann, wenn - wie im Fall Harrison - der Betroffene unfreiwillig nicht mehr in seiner Heimatgemeinde wohnt, dort aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat“.

„Schallende Ohrfeige für die Stadtverwaltung“

Die Ausführungen der Freiburger Richterinnen und Richter, findet die Linke Liste, „kommen einer schallenden Ohrfeige für die Stadtverwaltung gleich“. Ausführlich würdige das Verwaltungsgericht überdies das Engagement des Geflüchteten für die Integration von Migrantinnen und Migranten in der Stadt, woran „auch ein behördlich erzwungener Ortswechsel nichts änderte“. Verwiesen wird ferner auf Harrisons „starke Beziehung zur örtlichen Gemeinschaft“ sowie die „breite öffentliche Aufmerksamkeit, die seine Situation in der Konstanzer Bürgerschaft gefunden hat“. Dies habe später sogar die Stadt zu aktiver Unterstützung des Betroffenen im Petitionsausschuss bewogen. Der Nigerianer durfte schliesslich dank der breiten Unterstützung in Konstanz bleiben.

Linke Liste: „Gericht hat uns den Rücken gestärkt“

„Für Menschen, die in unserer Stadt leben und von staatlicher Willkür betroffen sind, werden wir uns auch weiterhin öffentlich engagieren“, betont man bei der Linken Liste Kontanz,. “Egal ob das die Gemeinde, das Land oder der Bund zu verantworten haben“, stellt Stadträtin Anke Schwede klar. „Wir freuen uns sehr, dass uns das Gericht nun den Rücken dafür gestärkt hat, das auch im Amtsblatt tun zu können.“



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