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28. Januar 2022 | Frohe Botschaft aus der Bodenseeuniversität

Wenn Forscher Computer mit Vogelbildern trainieren

Konstanz (gro) Einem internationalen Team unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Konstanz und des Konstanzer Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie ist es gelungen, Computer mittels Künstlicher Intelligenz (KI) so zu trainieren, dass sie einzelne Vögel in freier Wildbahn wiedererkennen – eine für Menschen nahezu unmögliche Aufgabe. Mit dieser frohen Botschaft überraschte unlängst die Bodenseeuniversität. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts – unter Beteiligung des Exzellenzclusters „Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour“ der Universität Konstanz – wurden in der Fachzeitschrift Methods in Ecology and Evolution der British Ecological Society veröffentlicht.

„Grosse methodische Verbesserung“

„Wir zeigen, dass Computer Dutzende einzelner Vögel zuverlässig erkennen können, auch wenn wir selbst die Tiere nicht zu unterscheiden wissen. Damit überwinden wir eine der größten Beschränkungen bei der Erforschung wild lebender Vögel”, so André Ferreira vom französischen Centre d‘Ecologie Fonctionnelle & Evolutive (CEFE), Erstautor der Studie. Die neu entwickelte Methode mache es möglich, heisst es in der Mitteilung der Uni Konstanz weiter, Forschung, die bisher nur im Labor möglich war, in freier Natur zu reproduzieren. Die Möglichkeit, freilebende Vögel nachzuverfolgen, ohne sie eigens zu kennzeichnen, sei „die vielleicht größte methodische Verbesserung der letzten Jahrzehnte“, ergänzt Damien Farine, Mitautor der Studie und Nachwuchsgruppenleiter an der Universität Konstanz und am Konstanzer Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie.

Wissenschaftler aus vier Ländern

Ein Forschungsteam aus Frankreich, Deutschland, Portugal und Südafrika beschreibt in der Studie, wie Künstliche Intelligenz zur Erkennung einzelner Vögel eingesetzt werden kann. Zum Training und Test der KI-Systeme waren Tausende von gekennzeichneten Bildern der Tiere erforderlich. Diese Studie ist der erste erfolgreiche Versuch mit Vogelaufnahmen im Bereich der automatischen Bilderkennung.

„Treffergenauigkeit von 90 Prozent“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trainierten die KI-Systeme mit Bildern einzelner Vögel aus Wildpopulationen von Kohlmeisen und Webervögeln sowie einer Population gefangener Zebrafinken, die zu den verhaltensökologisch am meisten erforschten Vögeln zählen. Nach dem Training wurden die KI-Systeme mit neuen, ihnen unbekannten Aufnahmen derselben Vögel getestet. Dabei sei eine Treffergenauigkeit von 90 Prozent bei den Wildpopulationen und 87 Prozent bei den Zebrafinken erzielt worden

Andre Ferreira: Durchbruch in diesem Forschungsfeld

In der Tierverhaltensforschung, so heisst es in der Mitteilung der Universität, zähle die Identifikation einzelner Tiere zu den zeitaufwendigsten und auch teuersten Faktoren. Zudem könnten bisherige Identifikationsmethoden wie das Anbringen von Farbbändern an den Beinen der Vögel für die Tiere belastend sein. KI-Systeme könnten diese Probleme lösen. Dr. André Ferreira erklärt: Die Entwicklung von Methoden zur automatischen, nicht-invasiven Identifikation sei ein Durchbruch in diesem Forschungsfeld. Das eröffne zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten und ermögliche es nun, „bislang unlösbare Fragen zu beantworten.“

Künstliche Intelligenz muss umfangreich trainiert werden

Weiter wird erklärt: „Damit KI-Anwendungen der Computer einzelne Tiere exakt wiedererkennen können, müssen sie mit Tausenden von gekennzeichneten Bildern trainiert werden. Unternehmen wie Social-Media-Anbieter können ein solches KI-Training im Bereich der Bilderkennung von Menschen umsetzen, weil sie Zugang zu Millionen von Bildern haben, die von den Nutzern freiwillig getaggt wurden. Beschriftete Bilder von Tieren zu erhalten ist jedoch sehr viel schwieriger und hatte zu einem Engpass in der Forschung geführt“.

Mit Funkantennen an Futterstellen

Die Forscherinnen und Forscher versahen Futterstellen mit Kamerafallen und Sensoren. Die meisten Vögel aus der Studie trugen einen Transponder, ähnlich den Mikrochips, die bei Hauskatzen und Hunden eingesetzt werden. Antennen an und auf den Futterstellen konnten hierüber die Identität der Vögel aus dem Transponder auslesen und die Kamera auslösen.

Lösung bestehender Probleme der Bilderkennung

Einzelne Tiere voneinander unterscheiden zu können sei wichtig für die Langzeitbeobachtung von Populationen und für den Schutz der Arten vor Belastungen wie dem Klimawandel, heisst es in der Mitteilung zur Studie. Manche Tiere, zum Beispiel Leoparden, hätten ein sehr charakteristisches Muster. Bei den meisten Arten seien jedoch zusätzliche visuelle Markierungen nötig, was nun bei vielen Tieren weitgehend hinfällig werden könne.

Grosse Datensets zur Sicherung der Identifizierung

Das Erscheinungsbild einzelner Vögel könne sich zwar im Laufe der Zeit verändern, zum Beispiel während der Mauser, und bislang sei unklar, welche Auswirkungen dies auf die Leistung des KI-Systems haben werde. Bilder desselben Tieres, die im Abstand von einigen Monaten aufgenommen werden würden durch Veränderungen, etwa durch die Mauser, die Identifizierung erschweren. Solche Einschränkungen könnten aber durch ausreichend große Datensets mit tausenden, über längere Zeiträume hinweg aufgenommenen Bildern von einer Vielzahl an Tieren überwunden werden. Die Forscherinnen und Forscher arbeiten gegenwärtig daran, solche Bilddaten zusammenzustellen.
Bild: Frieder Schindele



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