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19. Februar 2024 | Roland Geiger gewährt Blick ins Nähkästchen

Wenn der Meisterdrucker zum Partner der Künstler wird

Konstanz (gro) Der Galerist Roland Geiger, 82, war ein meisterhafter Drucker (und wäre das wohl immer noch). Vor allem Künstler Südwestdeutschlands haben von seinem Können profitiert, Kunstschaffende, die nach dem Zweiten Weltkrieg als „Stuttgarter Gruppe“ bekannt wurden.
Aus ihr wuchs, von Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker 1958 in Düsseldorf gegründet, die „Künstlergruppe Zero“ heran, bis heute eine einflussreiche Bewegung der malerischen Avantgarde.
Zu ihr gehört der Assemblage-Grossmeister und Erfinder von „Eat-Art“ und des „Fallen-Bilds“: der aus Rumänien stammende Künstler, der ursprünglich am Berner Theater Ballett lernte und heute unter seinem urschweizer Zweitnamen Daniel Spoerri zu den Matadoren der Gruppe Zero gehört, die, teilweise hoch betagt, bis heute die malerische Szene bereichern. Immer noch ein Geheimtipp ist dagegen Richard Neuz, ein Malerpoet, der mit seinen duftigen Aquarellen und seinen entschieden farbintensiven Arbeiten (siehe oben links) an Paul Klee und Joan Mirò erinnert.

Posthum Beachtung und Zuneigung

Es ist dem einstigen Meisterdrucker und Galeristen Roland Geiger zu verdanken, dass Richard Neuz, vor 130 Jahren im Schwarzwald geboren, wenigstens posthum die Beachtung und Zuneigung findet, die ihm durch zwei Weltkriege und andere Grausamkeiten versagt geblieben waren. Geiger hat im Verlauf der vergangenen sechs Jahrzehnte, unterstützt von seinem Sohn Stephan, eine beachtliche Zahl von Arbeiten aus dem Atelier von Richard Neuz aufgespürt und aufbereitet. In der jüngsten Ausstellung der Galerie Geiger, die inzwischen am Nordende der Seerhein-Bebauung an der Reichenaustrasse (Nr.39a) residiert, war unlängst ein Teil der Sammlung mit grossem Vergnügen zu studieren.

Perfekte Umsetzung der originalen Malerei

Die perfekte Umsetzung von originalen Bildkompositionen in so genannte Serigrafien hatten Roland Geiger in den 60er Jahren zu einem hochgeschätzten Partner von Kunstschaffenden wie Max Ackermann, Willi Baumeister oder Richard Neuz (1894 – 1976) gemacht, der zur Zeit eine späte, aber hochverdiente Renaissance erlebt. Geigers Sohn wurde die Liebe zur Kunst in die Wiege gelegt: Stephan ist promovierter Kunsthistoriker und mit einem Lehrauftrag der Universität Konstanz zu den „Mechanismen des Kunstmarkts“ ausgestattet. Während eines Informationsabends warteten die Geigers unlängst auf mit Einblicken ins künstlerisch anspruchsvolle „Sieb-Drucken“. Diese aufwendige Art der Reproduktion und Vervielfältigung kommt dem Original am nächsten, erfordert aber auch hohen Aufwand und ein enges Zusammenarbeiten von Künstler und Drucker.

Ausstellungen auf Wunsch der Künstler

Zu Ausstellungen mit Siebdrucken kam es in den 1960er Jahren, weil sich dies die von Geiger betreuten Künstler wünschten. Das war in Kornwestheim bei Stuttgart, wo Roland Geiger seine Druckerei betrieb. Im Jahre 1975 gründete er dort seine Galerie, in der fortan fünf bis sechs Einzelausstellungen pro Jahr gezeigt wurden. Internationale Künstler und namhafte Eröffnungsredner (wie Max Bense, Reinhard Döhl oder Hans Heinz Holz) machten die Galerie zu einem kulturellen Treffpunkt in der Stuttgarter Peripherie. 1976 war die Galerie Geiger auf der Art Basel vertreten. In den 1980er Jahren lag der Schwerpunkt auf Editionen. 1995 musste Geiger das Siebdrucken aus gesundheitlichen aufgeben und widmete sich nun ganz der Galeriearbeit.

Von Kornwestheim an den Konstanzer Fischmarkt

1999 siedelte die Galerie Geiger über an den Bodensee, nach Konstanz, wo sie am Fischmarkt neue Räume bezog, seit 2021 hat sie ihren Sitz in einem Neubau am Konstanzer Seerhein. Im Zentrum der Galerie, die Roland Geiger zusammen mit seinem Sohn führt, steht auch heute noch die Kunst der 1960er Jahre mit Künstlern wie Heinz Mack, Georg Karl Pfahler, Otto Piene, Mel Ramos und Daniel Spoerri. Zwischen Mitte der 1960er Jahre und 1995 entstanden mehr als 500 Serigrafien für rund 100 Künstler aus dem In- und Ausland, unter anderem für Max Ackermann, Atila, André Ficus, Ralph Fleck, Rupprecht Geiger, Günther C. Kirchberger, Horst Kuhnert, Otto Herbert Hajek, David D. Lauer, Richard Paul Lohse, Wilhelm Loth, Philippe Morisson, Richard Neuz, Johannes Schreiter, Anton Stankowski und Fritz Winter. Serigrafien aus dem Siebdruck-Atelier Geiger sind heute im Kunsthandel, auf Messen sowie in vielen Grafik-Auktionen und Sammlungen zu finden.

“Genau dort, wo sich die Galerie Geiger befindet”

Als „Zero“ vor knapp 10 Jahren auf Welttournee ging, mit Stationen in Paris, London, Los Angeles und Hongkong, mit ausgewählten Kunststücken seiner Schöpfer und einem „harten Kern“ seiner Vorkämpfer, kam es im New Yorker Guggenheim-Museum zu einer denkwürdigen Begegnung mit kunstinteressierten Regierungsmitgliedern aus Washington. Wo genau denn das Zentrum von „Zero“ in Deutschland liege, wollte man wissen. „Am Bodensee“, am „Lake Constanz“ sei das, wurde den Unwissenden erklärt, “im äussersten Süden des Landes, und zwar genau dort, wo sich die Galerie Geiger befindet“.



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