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22. Oktober 2009 | Zum spitälischen Theater mit Maultschen und Super-Boni

Absurd und mehrfach sittenwidrig

(gro) Eine Mitarbeiterin der Spitalstiftung soll unbedingt dafür bestraft werden, dass sie sechs Maultaschen lieber essen als in den Müll werfen wollte. Währenddessen fordert ein leitender Manager desselben Konstanzer Unternehmens eine Belohnung in sechsstelliger Höhe ausgerechnet dafür ein, dass er viele Jahre lang nichts gegen offenbar überhöhte Gasanlieferungen unternommen hat: Mit diesem absurden Theater macht Konstanz derzeit bundesweit Schlagzeilen. Gemeinderat und Stadtverwaltung wirken wie Kaninchen, die vor lauter Verlegenheit in seltsamer Starre verharren und deswegen anscheinend gar nicht merken, was der Bürgerschaft an Sittenwidrigkeit zugemutet wird.

Wenn das Vertrauen in den Mülleimer führt

Wenn es stimmt, dass die 58-jährige Altenpflegerin die sechs für den Mülleimer bestimmten, gefüllten Teigbeutel guten Gewissens verzehren wollte – und das wurde immerhin vor Gericht der Angeklagten zugestanden - , dann war unchristlich und unsittlich, sie deswegen mit einer fristlosen Kündigung zu verfolgen. Die Spitalverwaltung führte zwar als höherwertigen Grund ins Gefecht, dass es nicht um die Maultaschen an sich, sondern um das Vertrauensverhältnis gegangen sei.  Doch absurd bleibt die Argumentation schon allein deswegen, weil in diesem Falle das Vertrauen geradewegs in den Mülleimer führt.

Vertrauen braucht beide Seiten

Dass die Spitalverwaltung so sehr mit dem Hinweis auf Vertrauen argumentieren lässt, ist auch deswegen absurd, weil auf der anderen Seite ruchbar wurde, man habe die Pflegerin bereits „geraume Zeit beobachtet“. Mit dem Vertrauen war es also nicht weit her, jedenfalls nicht von Seiten der Spitalverwaltung. Und zu einem echten Vertrauensverhältnis gehören nun Mal immer beide Seiten. Wie nötig das ist, zeigt sich zum Beispiel daran: Jeder Pflegerin, der die Spitalverwaltung – aus welchen Gründen auch immer - auch nur eine Stunde Freizeit stiehlt, stiehlt ihr den Wert von mindestens 20 Maultaschen. Die Mitarbeiter nehmen einen solchen „Diebstahl“ im Allgemeinen vertrauensvoll hin. Und „stehlen“ ist in diesem Falle sicherlich ein zu starkes Wort. Eine fristlose Kündigung wegen sechs Maultaschen, die in den Müll gewandert wären, ist allerdings ein noch sehr viel stärkeres (Macht-)Wort.

Kleptomanie bis heute kein Thema

Doch da ist auch noch die Sache mit dem warnenden Beispiel. Im Namen der Spitalverwaltung hat Anwalt Georg Jauch das Argument ins Spiel gebracht, eine Rücknahme der Kündigung komme einem Freibrief für weitere, potenzielle Langfinger gleich. Man geht sicher recht in der Annahme, dass Kleptomanie in den spitälischen Betrieben bis heute kein Thema ist, und dann liegt der Sinn von Jauchs Argument allein in der Abschreckung. Doch mit diesem Argument, mit dem in totalitären Staaten ebenso wie in den USA die Todesstrafe aufrecht erhalten wird, dürfte die Spitalverwaltung auch kein Vertrauen schaffen, schon gar nicht in den Reihen der an der Pflegefront eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Bonus-System hilft beim Sparen

Weiter oben in der spitälischen Hierarchie sieht es dagegen sehr viel besser, ja absurd viel besser aus. Womit wir bei den Boni wären, über deren Hintergründe die Verwaltung auch nach Monaten nicht umfassend aufgeklärt hat. Bekannt wurde zunächst nur, dass vor über zwei Jahren unter dem damaligen Krankenhausleiter Martin Stuke ein internes Programm gestartet wurde, das Mitarbeiter zum Sparen animieren sollte. Besonderer Anreiz: Bis zu 20 Prozent des eingesparten Potenzials sollte den sparsamer gewordenen Abteilungen selber zugute kommen. Dafür konnten etwa zusätzliche, sonst nicht genehmigte Gerätschaften besorgt oder Massnahmen zum Abbau von Überstunden eingeleitet werden.

Über eine Viertelmillion für Axel Hauser?

Während dieses Bonus-System im Grossen und Ganzen einen durchaus üblichen Rahmen hatte, wurde es aber im Einkaufsbereich, den Verwaltungsdirektor Axel Hauser zu verantworten hat, ganz besonders zugeschnitten. Am Ende sollte Hauser, wie nun dank einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Radolfzell bekannt wurde, sage und schreibe 260.000 Euro erhalten: Belohnung dafür, dass das Klinikum Konstanz durch günstigere Gaslieferanten in den Jahren 2008 und 2009 rund 1,4 Millionen Euro spart.

Klinikum zahlte zuviel für Gaslieferungen

Da wäre auch eine ganz andere Reaktion denkbar: Sofortige Entlassung Hausers, weil das Klinikum in den vergangenen zehn Jahren unter seiner Einkaufsleitung, vorsichtig geschätzt, mindestens 5 Millionen Euro zuviel fürs Gas bezahlt hat. Wertmässig sind der Spitalstiftung dadurch über 7 Millionen Maultaschen vorenthalten worden. Das sind fast 12 Millionen Gründe für eine fristlose Kündigung, wenn man die sechs Maultaschen zu Grunde legt, deretwegen der 58-jährigen Altenpflegerin die Tür gewiesen wird.

Hauser entlohnte externe Firma fürstlich

Natürlich sind das absurde Vergleiche, aber sie helfen vielleicht, die in der Tat monströse Absurdität des arbeitsrechtlichen Geschehens deutlich zu machen. Klar werden sollte auch, dass die allgemein übliche Bonus-Regelung am Krankenhaus etwas völlig anderes ist als der „Vertrag“, der in diesem Falle vom damaligen Krankenhauschef Martin Stuke mit Axel Hauser geschlossen wurde. Weil Hauser nach diesem „Vertrag“ exorbitant hoch belohnt werden kann, ist er sittenwidrig. Denn Hauser brauchte dafür nur seine Pflicht zu erfüllen, deren Einhaltung er Jahre lang zum Schaden des Klinikums vernachlässigt hatte: den günstigsten Gastpreis per Ausschreibung zu ermitteln. Und nicht einmal das hat Hauser am Ende getan. Vielmehr beauftragte er damit eine externe Firma, die er mit 100.000 Euro fürstlich bedachte - natürlich aus der Kasse des Klinikums und nach Auffassung des städtischen Rechnungsprüfungsamts mit 90.000 Euro (128.857 Maultaschen oder 21.476 Kündigungsgründen) zu viel
.

Nach wie vor in Amt und Würden

Hauser geniesst trotzdem das Vertrauen der Unternehmensleitung, der er selber angehört, und er ist als Verwaltungsdirektor nach wie vor in Amt und Würden. Sogar gegen seinen Willen. Denn eigentlich hätte er zu Beginn des Jahres zumindest beim Klinikum Konstanz zu gerne aufgehört zu arbeiten, die vorzeitige Pensionierung allerdings versüsst mit 260.000 Euro. Doch die will ihm die Spitalverwaltung nicht zukommen lassen. Darben muss Hauser deswegen nicht. Nun bekommt er, da er bleiben muss, das Geld vorerst eben als Gehalt.

Ãœberzeugt, dass Unrecht geschieht

Da scheint die 58-jährige Altenpflegerin charakterlich von anderem Kaliber zu sein. Sie lehnt es bisher ab, von der Spitalstiftung abgefunden zu werden. Die bot ihr immerhin 25.000 Euro, wenn sie die Kündigung akzeptiere. Die Haltung der Frau dürfte vielfach falsch interpretiert worden sein. Immer wieder hiess es, der Pflegerin sei ihr Arbeitsplatz mehr wert als 25.000 Euro. Das mag stimmen. Doch der Grund der Ablehnung liegt anderswo: Die 58-Jährige ist überzeugt davon, dass ihr Unrecht geschieht. Und das ist mit Geld nicht gut zu machen.



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2 Kommentare

  1. 1. maledetto

    Tja, eigentlich ist das meiste zu diesem Thema bereits gesagt. Aber es wäre zu billig, das ganze als “Dummheit und Versagen in der Provinz” abzuhaken.
    Die Vorgänge um die Spitalstiftung harren der Intervention. Es gelingt hier wiederholt offensichtlich nicht, einen kommunalen Betrieb so zu führen, dass Schaden von ihm und den Interessen der Allgemeinheit abgewendet wird - und niemand der Verantwortlichen scheint darin ein Problem zu sehen. Vielleicht sollte man eine übergeordnete Stelle mit der Prüfung der Vorgänge beauftragen?
    Eine “Vertrauensbasis” besteht meines Erachten nicht mehr.

  2. 2. KonstanzerBuerger

    Lieber Erich Gropper,

    danke für die detaillierten Überlegungen. Besser kann man den Konstanzer Wahnsinn nicht darstellen. Besonders der Begriff Sittenwidrig, ist ein Deckel der passt. Ein Begriff, der sonst über die höchste Gerichtsbarkeit zum sofortigen Handeln führt. Erstaunlich und unbegreiflich ist, dass die rechtliche Verurteilung – nach Gesetz und Ordnung – von einer Gerichtsinstanz überhaupt zustande kommt. Ist dieser Mundraub, wenn es überhaupt Raub ist, von öffentlichem Interesse? Absolut unwirklich ist, dass das Gericht sich selbst ernst nimmt und den „Fall“ überhaupt verhandelt.

    Es wird höchste Zeit, dass wir uns gesellschaftlich mit der heiligen Kuh der unfähige Richter, Staatsanwälte und Anwälte auseinander setzen, die bereits in kürzer Vergangenheit bei Miseren im hiesigen Raum, aufgefallen sind. Die Spitze eines Eisbergs? Hier müssen Namen von den Entscheidern und dessen behördlichen Leitern auf dem Tisch.

    Man regt sich über den Blödsinn der Spitalstiftung auf, aber die Juristen machen diesen Blödsinn erst möglich. Ist der Anwalt der Spitalstiftung nur als Übermittler seines Auftragsgebers tätig? Vermutlich nein! Die Spitalstiftung wurde hierbei ja juristisch von ihrem Anwalt beraten! Nach dem Streitwert wird an Jauch hoffentlich nur einige wenige Cent bezahlt, was nicht zu glauben ist, denn der Gang vors Gericht zahlt sich erst aus. Jauch hätte genau so gut auf der Seite der Pflegerin stehen können, dann hätte auch er den juristischen Gang der Spitalstiftung absurd gefunden. Anzunehmen ist, dass Jauch die Spitalstiftung in das öffentliche Dilemma geführt hat, da den Herren der Spitalstiftung durch ihre rundum Beratung sich sowieso die Befähigung von selbstständigen unternehmerischen Einscheidungen fehl. Bei einer zukünftigen GmbH soll es ja dann „besser werden“.

    Weiterhin muss man fragen, wer übernimmt die politische Verantwortung zum Zorn der Bürgerschaft? Wann nimmt der Sozialbürgermeister seinen Hut? Oder sieht alleine Erich Gropper die Rechtsform einer Sittenwidrigkeit?

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