Verwaltung mauert: Kosten für Gutachten bleiben geheim
Konstanz (gro) Die Stadtverwaltung lehnt es ab, den Gemeinderat darüber zu informieren, was in den letzten Jahren für Gutachten ausgegeben worden ist. Begründet wird die Ablehnung, die den Mitgliedern des Finanzausschusses in diesen Tagen schriftlich zugegangen ist, nach wie vor mit dem hohen Zeitaufwand, der für eine solche Kostenermittlung angeblich nötig wäre. Bereits Ende Juli dieses Jahres hatte Uli Burchardt den Wunsch des Stadtparlaments nach mehr Kostentransparenz zurückgewiesen. Die Stadt habe allein in den vergangenen drei Jahren Hunderte von Gutachten in Auftrag gegeben, sagte damals der Oberbürgermeister in einer Gemeinderatssitzung; 600 Arbeitsstunden seien nötig, um die Kosten für die zahlreichen Expertenpapiere zu ermitteln.
Anlass war die Flugplatz-Frage
Anfang Juli war es aus aktuellem Anlass zu einem interfraktionellen Antrag des Gemeinderats gekommen, die Kosten für Gutachten offenzulegen. Das Lörracher Büro Acocella war damals zu dem Schluss gekommen, mangels freier Gewerbeflächen müsse Konstanz den Verkehrslandeplatz (Flugplatz) opfern, um neue Unternehmen ansiedeln zu können. Dem umstrittenen Gutachten aus Lörrach sollten Gutachten folgen, die die positiven Impulse eines weiter betriebenen Flugbetriebs untersuchen sollten. Inwieweit dieses Vorhaben gediehen ist, ist nicht bekannt.
Parlament will’s nur für grössere Gutachten wissen
Der Gemeinderat hatte damals, im Juli dieses Jahres, klar gemacht, dass er sich nicht für die Kosten jedes Expertenpapiers interessiere, sondern lediglich für Gutachten, für die 10.000 Euro oder mehr bezahlt worden sind. In ihrem Ablehnungsbescheid geht die Stadtverwaltung nicht darauf ein.
„Der interfraktionelle Antrag ,Offenlage der Kosten von Gutachten‘ wird abgelehnt“, heisst es lapidar in der von Uli Burchard abgezeichneten Vorlage für die nächste Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, der am Donnerstag nächster Woche ab 16 Uhr tagt.
Vier Monate Zeit zum Nachdenken
Vier Monate haben Uli Burchardt und die Verwaltung Zeit gehabt, eine Begründung für ihre ablehnende Haltung zu liefern. Die Zeit wurde genutzt für die Formulierung gewundener Erklärungen.
Kostprobe:
„Je nach Gutachten werden die Kosten für innerhalb der kommunalen Rechnungsführung im Ergebnishaushalt oder im investiven Bereich mitgeführt. Dies erschwert die Ermittlung der Daten. Allein im Dezernat III existieren ca. 40 verschiedene Gutachtenarten, die häufig innerhalb von Projektbudgets verrechnet werden.“
Tatsächlich interessieren sich die Gemeinderäte nur für eine einzige Art von Gutachten: für jene, die über 10.000 Euro gekostet haben.
Geheimniskrämerei soll weiter gehen
Immerhin verspricht die Stadtverwaltung grössere Transparenz in der Zukunft: „Im Rahmen von Planungs- und Projektbeschlüssen“, so wird vom Baudezernat zugesagt, würden künftig „die Kosten für Gutachten separat“ ausgewiesen. Auf etliche Gemeinderäte wirkt dieses Zugeständnis allerdings wie eine neue Ausflucht, wie ein Versuch, von Neuem Zeit zu gewinnen, um die Sache mit den Gutachten vergessen zu lassen. Die Verwaltung muss jedenfalls, wie es aussieht, damit rechnen, dass der Gemeinderat die Kosten für Gutachten auf alle Fälle erfahren will, und zwar trotz aller Personalnot, und sei’s nur für zwei Jahre, etwa die Kosten für 2014 und 2015. Verbreitetes Unverständnis herrscht zudem, dass die Verwaltung diese Ausgaben trotz des öffentlichen Interesses nur im Geheimen mitteilen will, also nichtöffentlich (angeblich wegen des so genannten Bieterschutzes, der in solchen Fällen üblicherweise aus gutem Grund gar nicht gilt).
Bild: Frieder Schindele
Eine Abhandeln in einer nichtöffentlichen Sitzung würde gegen §35 der Gemeindeordnung BW verstoßen:
http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&query=GemO+BW&max=true&aiz=true#jlr-GemOBWpP35
“(1) Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern”
Zu den “berechtigten Interessen” zählt allerdings NICHT das Interesse z.B. einen Fehler oder Unregelmäßigkeiten bei der Gutachtenvergabe zu vertuschen. Man kann nur hoffen, dass der Gemeinderat sich nicht weiter abspeisen und hinhalten lässt, sondern der Sache auf den Grund geht, notfalls auch mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde.
Kann mich mal jemand darüber aufklären, weshalb der interfraktionelle Antrag von OB und Verwaltung einfach abgelehnt werden kann. In der baden-württembergischen Gemeindeordnung heisst es in § 24, Abs. 3 (unter dem Titel: Gemeinderat/Rechtstellunf und Aufgaben): “Ein Viertel der Gemeinderäte kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung verlangen, dass der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet, und dass diesem oder einem von ihm bestellten Ausschuss Akteneinsicht gewährt wird. In dem Ausschuss müssen die Antragsteller vertreten sein.” Das Viertel müsste doch zu schaffen sein…
Laut §4 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Stadt Konstanz:
http://www.konstanz.de/rathaus/ortsrecht/03647/00010/index.html
könnten 10 Gemeinderäte sich zusammen tun und Akteneinsicht verlangen.
Und laut §5 hätte die Verwaltung sich auch nicht 4 Monate, sondern höchsten 4 Wochen Zeit lassen dürfen. Es wäre gut, wenn die Gemeinderäte sich ihrer Rechte bewusst werden und diese auch einfordern.
(vielleicht) off-Topic: warum ist eigentlich bei Tagesordnungspunkt Ö3
http://www.konstanz.sitzung-online.de/bi/to010.asp?SILFDNR=1000372
die Liste ebenfalls nicht-öffentlich? Gilt nicht gerade im Zuge der Korruptionsvermeidung das Transparenzgebot?
Durch das Nicht-Öffentliche Verfahren dürfen dann die Gemeinderäte/innen nicht einmal darüber sprechen. solange der OB sie nicht von der Schweigepflicht befreit (was er offensichtlich nicht macht).
Selbst wenn die Gedanken, die einem da in den Kopf kommen (derzeit) nicht stimmen sollten, aber diese Geheimniskrämerei öffnet Tor und Tür für Vetterleswirtschaft (aka Korruption)