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22. Mai 2017 | Tausend Vespas verpesten Luft im Kreuzlinger Hafen

Geknatter, Musik, flüchtende Kinderwagen und ein Segen

Konstanz (gro) Mit 400 Teilnehmern hatten sie gerechnet, die Initianten vom Vespa Club Amici Bodensee um Präsident Giuseppe Cordoli. Doch als man sich unterhalb der „Alten Badi“ im Kreuzlinger Hafen am Sonntag gegen 13.30 Uhr zum grossen Corso traf, waren es gut 1000 der farbig lackierten Zweiräder italienischer Provenienz, zusammengerufen über Facebook, das in solchen Fällen hochwirksame, so genannte Social-Medium. Die Stimmung der buntbehelmten Knatterfreunden war (wie nicht nur dieses Facebook-Bild zeigt) hervorragend. Doch etliche Spaziergänger, die dort nichtsahnend unterwegs gewesen waren, befanden sich vorübergehend auf der Flucht, vor allem jene, die Kinder und Kinderwagen dabei hatten. Die „Amici“ verpesteten die Luft im Hafen und am Seeburg-Park, wo normalerweise sogar Fahrradfahren verboten ist, eine Stunde lang gründlich mit hochgiftigen Abgasen.

“Vespa Tre Nazioni Bodensee“

Es war das zweite Vespa-Treffen unter dem Motto „Vespa Tre Nazioni Bodensee“. Es gilt schliesslich, dieses Jahr einen runden Geburtstag zu feiern: Die Vespa wird 50. Es war 1967, als die Firma Piaggio das zweirädrige Gefährt auf den Markt brachte, smart und flott und leichter als ein Motorrad, auf kurzen Strecken auch bequemer und im Übrigen weniger schwer als ein noch so kleiner Kleinwagen wie der ebenfalls berühmte Fiat 500. Mit der Vespa kommt man selbst im verstopften Strassenverkehr irgendwie voran, und zwar sowohl auf überlasteten Überlandstrassen als auch in den Städten. Die Vespa (das italienische Wort für Wespe) wurde zum Kultgefährt, nicht zuletzt, nachdem Gregory Peck mit Audrey Hephurn in „Ein Herz und eine Krone“ jauchzend und mit den fliegenden Haaren seiner Sozia durch Rom gebraust war.

Das Fahrzeug verkörpert ein Lebensgefühl

Die Vespa steht für ein Lebensgefühl. Vespa-Fahrerinnen und –Fahrer sind rücksichtsvoller und gelten als naturnäher: Man sitzt im Freien und aufrecht in Luft und Landschaft. Das Geknatter des Auspuffs ist deutlich weniger dumpf als jenes von Motorrädern und Autos. Anderseits sitzt man auf einer Vespa wesentlich gediegener, also kreditwürdiger als auf einem Moped. Und wenn viele Vespas unterwegs sind, kann mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, dass das Wetter nicht nur gut ist, sondern – zumindest vorerst - heiter bleiben wird.

Ein Segen, der nicht schaden kann

Der Vespa Club Amici Bodensee hat Teilnehmer von weither angezogen, vor allem aus der Schweiz, aus Deutschland und Italien, sogar aus Mallorca. Dass es gestern so viele geworden sind, war nicht vorherzusehen. Es muss bei künftigen Veranstaltungen mit bedacht werden. Denn die Auspuffgase, die von allen Zweitakt-Motoren durch die unzureichende Verbrennung eines Benzin-Öl-Gemisches ausgestossen werden, sind hochgiftig. Daran konnte auch Pater Josef Gander von der Pfarrei St. Stefan in Emmishofen nichts ändern, der die Fahrer und Fahrzeuge (sofern Letzteres überhaupt möglich ist) vor den Corsos durch den Thurgaus segnete. Klar ist nur: Schaden kann ein solcher Segen nicht.




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Ein Kommentar

  1. 1. Bruno Neidhart

    Sicher ist eine zweitaktige Vespa nach heutigen Umweltvorstellungen nicht unproblematisch. Das renomierte Paul-Scherrer-Institut legte mal Abgaswerte vor (zweitakt), nach denen besonders Italien eigentlich schon längst ausgetorben sein müsste. Zumindest die Stadtbewohner. Und 1990 hätte sich die BRD mit einem ziemlich entvölkerten Land (wieder-) vereinigt, wenn man an die vielen Trabants und Wartburgs denk. Selbstverständlich nehme ich die Umweltproblematik sehr ernst! Ohne Zweifel ist die Industrie aufgefordert, besonders auch im Motorrollerbereich nach heutigen Umwelterkenntnissen emmisionsärmere Fahrzeuge zu konstruieren. Oder elektrisch zu denken, was ja bereits geschieht (Ältere Modelle können nach unserer Gesetzgebung jedoch weiter betrieben werden). Die Hersteller wollen verständlicherweise immer ein bezahlbares Produkt auf den Markt bringen, um einen grossen Kundenkreis zu erfassen. Nicht alle Bedingungen lassen sich damit erfüllen - nicht mal im hochpreisigen Dieselautobereich der Premiumhersteller, wie wir nun wissen!
    Ich selbst fuhr bereits Vespas, als “das Ding mit der Umwelt” noch gar nicht im Fokus stand. Mit meiner 1957er/125er fuhr ich u.a. über alle Schweizer Pässe. Oder quer durch Frankreich, von Nord nach Süd, bis mir in den Pyrenäen der Treibstoff ausging und mich ein radfahrender Postbote - es war nicht Jacques Tati! - rettete. Schön wars! Die freudigen “Tre Nationi”-Vespaner vom Bodensee kann ich gut verstehen.

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