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26. September 2017 | Wenn der Nahe Osten auf Konstanz schaut

Arabische Welt: Warum nicht 99 Prozent für Merkel?!

Konstanz (gro) Während hierzulande über hochempfindliche Verluste der etablierten, so genannten Volksparteien geklagt und im benachbarten Ausland, etwa in Österreich, schon lustvoll spekuliert wird, was sich demnächst koalitionsmässig zusammenfinden könnte in Berlin, ist man im Nahen Ostens über den jüngsten Wahlausgang in Deutschland vor allem entsetzt. Friedensschritte, und seien sie noch so klein und zaghaft, werden nirgends ausgemacht. Insofern habe die Wahl in Deutschland nicht den geringsten Fortschrift gebracht. Warum, so fragt man sich im arabischen Teil des Nahen Ostens, haben die Deutschen, wenn sie am Frieden wirklich interessiert sind, nicht zu 99,9 Prozent die Merkel gewählt!?

Al Jazzeera spottet Richtung Westen

Nachrichtensprecher Khadija Bouguene von Al Jazzeera, der Moderator des einzigen - von Katar - am Persischen Golf unterhaltenen Rundfunksenders, konnte sich am Montag jedenfalls nicht die Bemerkung verkneifen, die arabische Welt blicke mit Verwunderung auf Deutschland und seine Kanzlerin. Noch immer überstrahle zwar deren beherztes Engagements für Flüchtlinge die „weitgehend unbegründeten Sorgen“ einer solchen Zuwanderung. Aber in der „Provinz“ sei das wohl anders.

In Kreuzlingen weiter als in Brüssel

Vielleicht informiert Andreas Jung, der imponierend wieder gewählte Konstanzer (Reichenauer) Bundestagsabgeordnete wenigstens die ihm nahe stehenden Volksgenossen davon, dass man in Konstanz/Kreuzlingen längst viel weiter ist als in Brüssel, um mit den Realitäten unserer Zeit zurecht zu kommen. Zur kleinen Erinnerung: Kreuzlingen, die mit Konstanz längst zusammengewachsene Schweizer Nachbarstadt, hat einen Ausländeranteil in Höhe von gut 50 Prozent.

Bild: Frieder Schindele



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3 Kommentare

  1. 1. Bruno Neidhart

    Korrekt: Am 30 Juni 2017 wurden in Kreuzlingen 21′672 Einwohner gezählt. Der Ausländeranteil wird mit 54,7 Prozent angegeben. Somit ist Kreuzlingen die Stadt mit dem größten Ausländeranteil in der Schweiz. Unter den 10 größten Städten des Landes schwankt dieser Anteil von 23.4 (Winterhur) bis 48.4 (Genf), wie das Statistische Jahrbuch 2016 der CH-Städtegemeinschaft ausweist.

    Wichtiger als nur der “Anteil” sind die politischen Wahl-Rahmenbedingungen, welche die in der Schweiz wohnenden Ausländer antreffen. Das föderale System überlässt es den Kantonen und Gemeinden, wie zu verfahren ist. So bestehen besonders in der französischen Schweiz, je nach Kanton und Ort, einige Möglichkeiten, als Auländer zumindest das passive Wahlrecht ausüben zu können. In Kreuzlingen existiert dagegen lediglich ein “Ausländerbeirat”, der nur eine beratende Funktion gegenüber dem Stadtrat ausüben darf. Ein Wahlrecht für Ausländer (und Steuerzahler!), wie auch immer ausgestaltet, ist in der rechtsbürgelich ausgerichteten Stadt noch in weiter Ferne.

    Politisch betrachtet ist es daher ein Unikum, dass bei Wahlen und Abstimmungen in Kreuzlingen, rechnet man die nichtwählenden Uninteressierten ab, die in der wohlhabenden Schweiz immer einen beträchtlichen Anteil ausmachen, letztlich nur ein geringes Häufchen Wähler und Wählerinenn über die Geschickte der Stadt und ihrer Bewohner befindet. Weiter als in Brüssel kann das wirklich nicht sein.

  2. 2. lieselotte schiesser

    Anmerkung zu Bruno Neidhart: Dass es in Kreuzlingen kein Ausländerstimmrecht gibt, liegt nicht an Kreuzlingen, sondern am Kanton Thurgau. Dessen Kantonsverfassung lässt das nicht zu. Der damalige Entwurf zur Kantonsverfassung sah zumindest die Möglichkeit vor, es den Gemeinden freizustellen, den ausländischen MitbürgerInnen ein kommunales Stimm- und Wahlrecht einzuräumen. Die Parlamentsmehrheit (SVP-domniert) wollte davon nichts wissen. Vor ein paar Jahren starteten alle Kreuzlinger KantonsparlamentarierInnen gemeinsam (incl. SVP-Kantonsrat) einen Vorstoss, diese Möglichkeit doch noch zu schaffen. Sie scheiterten. Kreuzlingen kann also der Mehrheit seiner Einwohner keine Mitsprache gewähren.

  3. 3. Bruno Neidhart

    Das ist bekannt, Frau Schiesser. Es verbleibt die festgestellte Tatsache, dass im (einwohnerbezogen!) “ausländerdominierten Kreuzlingen” ein kommunales Stimm- und Wahlrecht noch nicht existiert. Dass dieser Umstand dem föderal-kantonalen “System Thurgau” geschuldet ist, ist zu bedauern, bezieht sich diese Angelegenheit doch auf eine eminent gesellschaftlich einwirkende, kommunalpolitische Partizipationsfrage unmittelbar vor Ort. Politik verhält sich nicht immer klug. Das ist Fakt. So eben auch damals nicht die (rechtslastige) “SVP-dominierte Parlamentsmehrheit” in Frauenfeld. Es liegt also weiterhin an der Stadt, diesbezüglich am Ball zu bleiben. Vielleicht hat ein demnächst neu zu wählender Stadtpräsident sogar Mut, die Frage im aufkommenden Wahlkampf neu zu stellen. Wenn nicht, bleibt diese “kantonale Partizipationsverweigerung auf kommunaler Ebene” ein politisch fragwürdiger Zustand. Eben besonders für Kreuzlingen. Man kann dies bedauern. Oder einfach kantonal negieren. Als Variante bleibt, dem Ausländerbeirat der Stadt möglichst viel Kompetenz zu zu billigen, um wenigstens begrenzt politisch partizipieren zu können, so die deutliche Einwohnermehrheit zu vertreten.

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