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7. Februar 2020 | Zu bisherigen Herausforderern das Amtsinhabers

Wieviel Bürgerlichkeit benötigt ein OB-Kandidat wirklich?

Konstanz (gro) Die Herausforderer kennen zwar Konstanz recht gut, sind aber, zumindest auf den ersten Blick, eher exzentrische Persönlichkeiten. Von „Bürgerlichkeit“ kann jedenfalls kaum die Rede sein, wenn man sich die beiden bis jetzt bekannten Persönlichkeiten anschaut, die bei der OB-Wahl im Juli gegen Amtsinhaber Uli Burchardt, 49, antreten wollen. Bei Luigi Pantisano (Bild), 40, fehlt nur noch, dass das erste „n“ seines Nachnamens als „r“ wahrgenommen wird. „Partisano“ – das wäre passend für einen Mann, der für ein kommunales Bündnis namens SÖS im Stuttgarter Gemeinderat sitzt. Hinzu als Mitbewerberin kommt die Stockacherin Christin Löhner, 47, die einst als weibliches Wesen in einem männlichen Körper geboren wurde und es verstand, sich in eine charmante Frau zu verwandeln.

Auf den zweiten Blick scheint die Bürgerlichkeit auf

Ladys first: Christin Löhner hat, wie Claudia Wagner im „Südkurier“ berichtet, „viele Steine aus dem Weg räumen“ müssen; sie wisse, was es bedeute, für ihre Rechte zu kämpfen. Christin Löhner sage, sie wolle mit ihrer Kandidatur auch Themen wie eine Modifizierung des Transsexuellen-Änderungsgesetzes voran bringen. Sie betrachtet ihr mit der OB-Kandidatur verbundenes Engagement, wie sie laut Claudia Wagner selber sagt, als Einstieg in die Politik; Christin Löhner sieht sich offenkundig selber als eine „Mischung von Links, Sozialdemokratisch, ein wenig Piraterei und Grün“.

Pantisano in mindestens drei Aufsichtsräten

Luigi Partisano entpuppt sich dagegen als ein vergleichsweise hochbürgerlicher Zeitgenosse. Sein bürgerlicher Mitkonkurrent Burchardt sitzt zwar kraft OB-Amt im Aufsichtsrat (vulgo: Verwaltungsrat) der Sparkasse Bodensee, doch Partisano wurde in den Aufsichtsrat der Stuttgarter BW-Bank berufen, ferner in die Aufsichtsgremien der Jugendhaus-Gesellschaft und in jene der Gesellschaft für die Internationale Bauuausstellung (IBA) 2027 in Stuttgart. Einen Lehrauftrag an der Fachhochschule Konstanz erhielten sowohl Burchardt als auch Partisano; letzterer konnte seine Lehr- und Forschungstätigkeit am Städtebau-Forschungsinstitut der Universität Stuttgart fortsetzen.

Zwei Männer mit kommunalpolitischer Erfahrung

Beide Männer, die um die Gunst der Konstanzerinnen und Konstanter im Juli bitten, haben kommunalpolitische Erfahrung, gesammelt in Konstanz. Burchardt während seiner ersten, acht-jährigen Amtszeit als Stadtoberhaupt, Pantinano in fünf Jahren als Quartiermanager für die Problemgebiete Berchen und Öhmdwiesen im Norden der Stadt. Rechnet man Pantinanos Arbeit in Stuttgart hinzu, entsteht bei ihm sogar ein Mehrgewicht. Auch was die Ausbildung angeht, dürfte der zwar in Waiblingen geborene, aber aus einer armen Arbeiterfamilie Kalabriens stammende Architekt und Städteplaner die Nase weit vorn haben.

Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so

Ob Ausbildung, Abstammung und Erfahrung den Erfolg einer Kandidatur bringen, steht gewöhnlich in den Sternen. Das bürgerliche Lager, so hört man, ist grundsätzlich kaum bereit, einen Kandidaten der Linken zu küren, und Panisano ist nun einmal Mitglied der „Linken Liste“, sowieso nicht der AfD. Es bleibt also spannend, auch in Baden-Württembergs Hauptstadt Stuttgart. Bild:Christoph Musiol



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4 Kommentare

  1. 1. Daniel Beringer

    07.02.2020

    OB-Kandidatur Luigi Pantisano

    Ist „Hirn-ein-(und Gier aus-)schalten“ gleich „exzentrisch“? - Wenn man sich die Bautätigkeiten in Konstanz in den letzten Jahren so anschaut, könnte man ja verzweifeln (oder wäre „heulen“ oder „kotzen“ an dieser Stelle passender?): Jedes noch so kleine, bis dahin unbebaute, Fleckchen wird in diesen Jahren überbaut, jeder kleine Rest innerstädtischen Grüns, jede Verkehrsinsel wird als Baulücke, die es natürlich umgehend „nachzuverdichten“ gilt, bezeichnet, unisono tönt es aus allen politischen Lagern von „erzkonservativ“ bis „radikal-links“: „Wir brauchen mehr Wohnungen!“ - Wobei man sich dann immer fragt: Wer ist „wir“? Was heißt „brauchen“? Um was zu erreichen? Und was ist dann, wenn die, wie derzeit immer allseits eifrig kolportiert, aktuell „fehlenden“ ca. 3-4000 zusätzlichen neuen Wohnungen gebaut sind? (Immerhin der gleiche Ruf, wie er seit 50 Jahren ertönt – als unser Städtle noch nur knapp halb so dicht bevölkert war…) Ist’s dann gut? Reicht’s dann endlich mal? In dieser Stadt, die jetzt schon aus allen Nähten platzt…! - Ja klar, „eigentlich“ meinen die „Mehr-Wohnungen-Rufer“ ja: „Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum!“ - Nur: Warum sagen sie’s dann nicht auch so? Und, was natürlich keiner dieser Rufer erklären kann: Wie soll denn (ausgerechnet) durch Neubauen, ausgerechnet durch noch mehr Wohnungen, ausgerechnet durch „Nachverdichten“ das Wohnen billiger werden? (Kleiner Exkurs: Tokio, flächenmässig heute ein Gebiet entsprechend dem Großraum „Stuttgart-Freiburg-Zürich-Ulm“, war auch mal ein 40.000-Einwohner-Städtchen, heute ists der größte Ballungsraum des Planeten mit rd. 40 Millionen Einwohnern – nach der „Konstanzer-Logik“ müsste dort das Wohnen in den besten Innenstadtlagen (um im Vergleich zu bleiben: also quasi „in Konstanz“!) ja inzwischen Gratis sein – doch, ja huch: stattdessen kostet der Wohnflächenquadratmeter in Tokio dort aber inzwischen bis ca. 80.ooo,- Dollars – komisch aber auch…) - Für erschwinglichen Wohnraum für Normalverdiener braucht’s dann halt doch etwas ausgefeiltere Konzepte als einfach nur immer „mehr, mehr, mehr…!“ - z.B. die Kopplung von Arbeitsplätzen und Wohnraum, z.B. so: „Wer X neue Arbeitsplätzen in Konstanz schafft, muss auch gleichzeitig Y neue Wohnungen erschaffen!“ - Und jetzt kommt einer, ein Architekt und Stadtplaner, der gleich in einem seiner ersten Statements sagt: „Beispielsweise darf es keinen weiteren Flächenverbrauch geben, wenn dies dazu führt, dass Konstanz nicht klimaneutral wird. Durch den Verbrauch von Flächen entsteht keine zusätzliche bezahlbare Wohnung. Für mehr bezahlbare Wohnungen müssen andere Maßnahmen ergriffen werden.“ - Also ich finde das alles andere als „exzentrisch“! Ganz im Gegenteil läßt es doch hoffen, dass in Konstanz vielleicht doch noch irgendwann, hoffentlich solange noch was zu retten ist, endlich mal wieder diesbezügliche Vernunft einkehrt!

  2. 2. Erich Gropper

    Es geht auch anders.

    In Paris, in einer der teuersten Städte der Welt, liess sich 2001 die Stadtverwaltung verpflichten, jährlich mindestens 3500 Sozialwohnungen zu bauen. So sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten über 50.000 “bezahlbare” Wohnungen entstanden.

  3. 3. Daniel Beringer

    08.02.2020

    Stadtwachstum Konstanz

    @Erich Gropper: Und in der gleichen Zeit wuchs die Bevölkerung von Paris um ca. 10%, um ca. 1,5 Millionen Einwohner! Ergo: Null Dämpfung der Nachfrage bzw. des Nachfrageanstiegs durch die Bautätigkeit! - Das eine hat mit dem anderen entweder gar nichts zu tun oder eben, wie gesagt, sogar den gegenteiligen des gewünschten Effekts, nämlich: je mehr gebaut wird, desto mehr steigt die Nachfrage! (vgl.: Parkhäuser in Innenstädte bauen) - Also egal ob Paris, Konstanz, Tokio: auch hier der gleiche Effekt wie in jeder anderen Stadt der Welt: Die Städte wachsen weiter, das Hinterland, die kleinen Gemeinden und Dörfer sterben aus, werden (nicht nur von Bus&Bahn…) abgehängt, die Infrastruktur wird zurückgebaut, Schulen, Bäder etc. geschlossen…! - Und natürlich ist Konstanz diesbezgl. „anders“ als Paris: „50.000 preisgebundene Wohnungen über 20 Jahre“ - in einer 12,5-Millionen-Einwohner-Metropole! Das entspräche ja, auf Konstanz runtergerechnet, gerade einmal 12 preisgebundenen neuen Wohnungen p.a.! - DAS toppt Konstanz sogar bereits bislang locker, sogar ohne das für die Zukunft postulierte: Dass die Stadt aufhören möge, stadteigene Grundstücke, oder solche für die Vorkaufsrechte bestehen, in fremde private Hände zu geben und diese stattdessen künftig in Eigen-/Wobakregie zu entwickeln! - Dennoch ist es ein unverzeihlicher Fehler in der Stadtplanung und -entwicklung, ausgerechnet im sowieso bereits äußerst dicht bebauten Innenbereich auf Teufel komm raus weiter „nachzuverdichten“: Wenn die Stadt denn nun schon unbedingt weiter wachsen soll, geht das zwangsläufig nur an den Rändern, bzw. in KN, insellagenbedingt nur in eine Richtung: an der Bahnlinie lang nach Westen! - Natürlich könnte man vorher sogar auch noch den Seerhein vom Rheintorturm bis zum Schänzle überbauen, nach dem Döbele auch gleich noch das Klein-Venedig, irgendwann dann vielleicht auch noch ein paar Hochhäuser in den Trichter etc… - Würde aber auch alles nichts an der Gesamtsituation ändern: eine (vollständige) Nachfragebefriedigung i.d.S. daß dann irgendwann wirklich alle Erdenbürger die es in Konstanz schön finden, hier eine “preiswerte” Wohnung haben, wird trotzdem NIE erreicht (sein)! (Und auch „preiswert“ wird IMMER ein relativer Begriff bleiben: Was für den Petershausner Paketboten „preiswert“ ist, ist es für den Tadschikischen Tellerwäscher noch lange nicht!) - Auf Feldern und Streuobstwiesen am Stadtrand einen kompletten neuen Stadtteil aus dem Boden zu stampfen, der die Einwohnerzahl auf einen Schlag mal eben um rd. 20% erhöhen wird, KANN man „kritisch“ sehen, aber z.B. die geplante u. völlig überdimensionierte Ãœberbauung des Döbele (die genau Nullkommanull an der Nachfragesituation ändern wird!) MUSS man (nicht nur) „kritisch“ finden: DAFÃœR läge mir eigtl. noch ganz anderes Vokabular auf der Zunge…

  4. 4. Paradiesler

    …mit dem Unterschied…
    Paris… liegt auch nicht auf einer (Halb-) Insel wie Konstanz. Bei uns ist der Platz wirklich begrenzt.

    Meiner Meinung nach müsste man in erster Linie mal (Ich kenn mich da rechtlich nicht aus) der Uni und der HTWG auf die Zehen Stehen. Es kann nicht sein dass sich z.B. 4 Studenten eine Wohnung für Familien mieten und daraus eine WG Machen (Oder der Vermieter machts selbst). Da wird dann 600 Euro pro Kopf Miete bezahlt, und wer rechnen kann sind das dann 2400 Euro. Geld das sich in meinen Augen Keine “normale” Familie leisten kann.

    Deswegen wäre es meiner Meinung nach (Ich hab nichts gegen Studenten), längstens mal an der Zeit die Studentenzahlen in Konstanz zu begrenzen/ reduzieren.
    Das würde zumindest einen Teil vom Druck vom Wohnungsmarkt nehmen.
    Aber das würde auch Potentielle Wähler vergraulen…

    Ob die Stadtgröße jenseits 100000 Einwohner angestrebt werden muss, ist für mich ebenso fraglich.

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