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9. Februar 2023 | Ratsentscheid über Sicherheit für Radler und Fussgänger

Zum Jubiläum eines verhunzten Bahnhofplatzes

Konstanz (gro) Die allerwenigsten Stadträte sind im historischen Zentrum mit dem Fahrrad oder zu Fuss unterwegs, das gilt vermutlich auch für die meisten Besucher der Stadtverwaltung im historischen Rathaus, des Bürgeramts und auch für die halbwegs einflussreichen Beamten der Konstanzer Stadtverwaltung, die in den Kanzleien im alten oder Neuen Rathaus beschäftigt sind. Anders wäre wohl kaum zu verstehen, dass der Radweg zwischen Brückenstrasse und Fischmarkt entlang der Konzilstrasse so bleiben soll wie er vor zwei Jahrzehnten angelegt worden ist: gefährlich, stellenweise sogar hochgefährlich. - Die Ausführung des Radwegs ist am Donnerstag dieser Woche Thema im Technischen Ausschuss des Stadtparlaments in der grössten Stadt am Bodensee. Beginn der Sitzung ist um 16 Uhr im Ratssaal an der Kanzleistrasse.

Ein Strich soll Radlerverkehre und Fussgänger besser trennen

Nach dem tödlichen Unfall einer 80-jährigen Frau anfangs November 2022, die mit ihrem Pedelec (einem Batterie-unterstützten Elektro-Rad) mit einem anderen Radler kollidiert und gestürzt war, ist die Stadtverwaltung von der Fraktion der Freien Grünen aufgefordert worden, den fraglichen, in beiden Richtungen befahrbaren Radweg-Abschnitt in der Konzilstrasse zu entschärfen. Die Verwaltung hat inzwischen abgewinkt: Am besten sei es wohl, alles so zu belassen, wie es ist. Vorgeschlagen wird, wie schon bei früheren Anlässen ähnlicher Art, ein langer weisser Pinselstrich, der die ein- und auswärtsfahrenden Radlerströme und die Fussgänger auf der Strecke zwischen dem Fischmarkt und der Einmündung der Brückenstrasse in die Konzilstrasse zumindest optisch ein bisschen trennt.

Verwaltung verteidigt sich mit 3 Hinweisen

Verteidigt wird der Vorschlag dieser Minimallösung von der Verwaltung mit drei Hinweisen: 1.) Sei es mit dem tödlichen Unglück am 2. November 2022 zum ersten wirklich schweren Unfall von Radlern auf der fraglichen Strecke gekommen. 2.) Habe man sich bereits im Jahre 2001 nach ausführlichen Erörterungen, in die auch die Polizei einbezogen worden sei, für die aktuelle Lösung entschieden. Und 3.) erfordere eine echte Verbesserung die Weiterverfolgung des „Verkehrskonzepts C“.

Wo der Hund begraben liegt

Genau da liegt der Hund begraben: Im „C-Konzept“, beschlossen im Jahre 2012. Zu diesem Konzept gehört ein Zeitplan. In ihm war festgehalten worden, bis wann der provisorische (!) Umbau des Bahnhofplatzes, wie angestrebt, fertig gestellt und zur „Visitenkarte der Stadt“ geworden sein sollte. Vorgesehen war dafür das Ende des Jahres 2013, rechtzeitig zum Beginn der mehrjährigen Festlichkeiten anlässlich des „Jubiläums 600 Jahre Konstanzer Konzil“. Stadtverwaltung und Gemeinderat waren trotz verschiedener Warnungen in diese Falle getappt, als das Regierungspräsidium Freiburg eine von Hamburger Investoren in Aussicht gestellte, massive Erweiterung des Lago-Parkhauses hart an der Grenze zu Kreuzlingen nur gegen die Auflage gestattete, dass der Verkehr auf dem Bahnhofplatz „entscheidend reduziert“ würde.

Das Jubiläum eines verdorbenen Bahnhofplatzes

Aus der oben genannten Vereinbarung heraus entstand das vorläufige, so genannte „C-Konzept“. Die Hamburger stellten der Stadt mit 130.000 Euro ein Geldgeschenk zur Verfügung, damit sie in die Lage versetzt würde, den Bahnhofplatz umgehend verkehrsmindernd umgestalten zu lassen - einen Betrag, den die Investoren pünktlich berappten, der aber hinten und vorne nicht ausreichte für eine auch nur halbwegs überzeugende Lösung - und sei sie noch so provisorisch. Entsprechend sieht der Bahnhofplatz seit 2012 auch aus, für dessen höchste Erhebung vor 160 Jahren als bauliches Modell immerhin der Florentiner Rathausturm, der Turm der toskanischen “Signoria” (Metropolherrschaft) als Pate herhalten durfte. Der Platz ist bis heute nicht wirklich umgebaut. Die Hamburger aber konnten ein prächtiges, ertragreiches Zusatz-Parkhaus bauen und den Lago-Komplex, nicht zuletzt wegen eines mitgelieferten und ausserordentlich tüchtigen Centermanagers aus Bayern, Gewinn bringend weiter veräussern. Konstanz dagegen kann nun bestenfalls das Jubiläum eines vor 10 Jahren verhunzten Bahnhofplatzes begehen.



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Ein Kommentar

  1. 1. Christel Thorbecke

    Ich kann mich noch genau erinnern, mit welchem Enthusiasmus der damalige Baubürgermeister Fischer den Bahnhofsvorplatz als „Begegnungszone“ schmackhaft gemacht hat. Autos schleichen sich freundlich und rücksichtsvoll am Bahnhof vorbei, Fußgänger sind die Könige und ein paar Radfahrer passen auch noch zur großen „Begegnungsglück“.
    Inzwischen reiht sich Auto hinter Auto, die Ampel („bei Bedarf drücken“) am Beginn der „Insel der Begegnungen“ signalisiert den Autos, dass sie gnadenlos einfahren dürfen, weil die Ampel ja nur auf Druck und auch noch ziemlich spät das Rotlicht zeigt. Am Rande der Straße „begegnen“ sich vorsichtige Menschen, die geduldig warten, bis mal ein Auto anhält. So viel zur Begegnungszone!
    Die Probleme auf dem Radweg in der Konzilstraße wurden schon unzählige Male beschrieben! Der Ausspruch, dass es bis jetzt nur eine Tote gegeben habe, ist zynisch. Ebenso unmöglich wie der obligate Spruch im Südkurier, dass die Unfallopfer keinen Helm getragen hätten. Selber Schuld!
    Konstanz ist eng begrenzt durch See, Bahnlinie und Altstadt, da hilft in der engen Innenstadt nur eins, dem Auto eine Radspur abzuziehen, bzw. den Rädern die Straße frei zu geben. Das ist inzwischen in ganz Deutschland unumstritten der beste Weg. Dazu Geschwindigkeitsbegrenzung. Dass die Stadt durch Herrn Gaffga mitteilen lässt, dass man das von den Autofahrern nicht erwarten kann und dass sie die Radfahrer umfahren werden, ist ein Blödsinn.
    Bei Fahrradstraßen ist das Usus. Auto bleibt hinten! Da gibt es jetzt sogar extra ein neues Schild.
    Da kämen sie sogar schön langsam am Eingang der Begegnungszone an!
    Man muss es nur wollen und ein Gespür für die wachsenden Probleme haben, die durch die große Veränderung der Radtechnik zum schnell fahren und zum Lasten transportieren entstanden sind. Davon ist in der Konstanzer Fahrradpolitik nicht viel zu spüren.

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